Delphine Gueron war bis zu ihrer Pensionierung bei der Pariser Polizei. Jetzt lebt sie wieder in ihrem Heimatort, in der Nähe von Biarritz. Als sie eines Tages den 15jährigen Karim beim Einbruch in ihren Schuppen überrascht, handelt sie Wiedergutmachung aus – als „Strafarbeit“ soll er ihr im Garten
und Haushalt helfen. Karim hat es so schon schwer genug. Sein Vater, ein Algerier, hat sich vor…mehrDelphine Gueron war bis zu ihrer Pensionierung bei der Pariser Polizei. Jetzt lebt sie wieder in ihrem Heimatort, in der Nähe von Biarritz. Als sie eines Tages den 15jährigen Karim beim Einbruch in ihren Schuppen überrascht, handelt sie Wiedergutmachung aus – als „Strafarbeit“ soll er ihr im Garten und Haushalt helfen. Karim hat es so schon schwer genug. Sein Vater, ein Algerier, hat sich vor Jahren abgesetzt. Wegen ihm wird Karim ständig von seinen Mitschülern drangsaliert.
Durch Delphine lernt er auch die betagte Aurélie de Montvignon kennen. Delphine und Aurélie kennen sich schon ewig. Sie treffen sich jeden Dienstag im Hôtel Atlantique zum Tee.
Die beiden Frauen wollen Karim neben der Gartenarbeit auch eine ordentliche Bildung angedeihen lassen. Sie führen ihn in Museen, lassen ihn Weltliteratur lesen, werden Freunde.
Eines Diensttags erscheint Aurélie allerdings nicht pünktlich zum Tee. Sie ist vom Balkon gestürzt. Ein Unfall – vielleicht ein Schwächeanfall – meint die Polizei. Doch Delphine sieht es anders, denn ihre Freundin hat sie kurz zuvor gebeten, im Falle ihres Ablebens regelmäßig nach ihrem Anwesen zu sehen und sie war nicht krank ...
Auch Richard Lebrun, eine Art jüngerer Zieh-Bruder von Aurélie, scheint nicht an einen natürlichen Tod zu glauben. Aber er ist ein sehr introvertierter Mensch und will sich nicht gegen die Einschätzung der Polizei wehren. Außerdem scheint er etwas zu wissen, was er unbedingt verheimlichen möchte – warum?!
„Hôtel Atlantique“ hat mich sehr erschüttert. Was als beschaulicher Roman über die Freundschaft zweier älterer Damen mit viel französischem Flair beginnt, wird zu einem Krimi vor dem Hintergrund der deutsch-französischen Vergangenheit.
Neben den Ermittlungen zu Aurélies Tod geht es um die Schicksale der Kinder, die französische Frauen im 2. WK von Nazis bekamen bzw. in der heutigen Zeit von algerischen Einwanderern. Obwohl so viele Jahre zwischen diesen Schicksalen liegen, verbindet sie das „Ausgestoßensein“, die Verachtung der Nachbarn, Mitschüler oder Einheimischen. Valerie Jakob setzt sich damit auseinander, wie die Kinder diese Erfahrungen (später) verarbeiten. Kommen sie überhaupt je darüber hinweg? Letztendlich können sie als Produkte der Liebe ja am wenigsten für ihre Situation. „Es ist echt eine Tragödie. Auf allen Seiten nur Opfer.“ (S. 473)
Delphine ist eine sehr taffe Frau. Sie und Aurélie verband eine lebenslange Freundschaft, deshalb kann sie sich mit dem angeblichen Unfall nicht abfinden. Ihre gute Menschenkenntnis bringt sie dazu, Karim nach seinem Einbruchsversuch nicht anzuzeigen, sonst landet er nur endgültig auf der schiefen Bahn. Sie setzt es sich zur Aufgabe, wenigstens diesen einen Jugendlichen vor seinem scheinbar vorgezeichneten Leben als Kleinkriminellem zu retten.
Karim lebt schon lange hier, aber er ist immer noch der Fremde. Er wird von seinen Mitschülern regelmäßig verhöhnt und verprügelt . Wenn er seine Ruhe haben will, flüchtet er sich an seinen geheimen Platz, eine Höhle in der Steilküste „Es war, wie auf einem anderen Planeten zu sein, weit weg von allen Problemen und Blödmännern ...“ (S. 89)
Das Buch ist trotz der sich eher gemächlich entwickelnden Krimihandlung sehr spannend. Bei der Aufklärung des Mordes kommen viele weitere dramatische Geheimnisse und Verdächtige ans Licht.
In tollen Bildern beschreibt die Autorin die örtlichen Gegebenheiten und setzt dabei auch die Personen anschaulich in Szene.
Ein bewegendes Buch mit echtem Gänsehautfaktor! Wer kriminell-dramatische Geschichten mag, wird von „Hôtel Atlantique“ begeistert sein