Der amerikanische Autor William Kowalski schreibt Familiengeschichten, aber es sind nicht diese idealtypischen Familien, die wir so oft in der Literatur vorgestellt bekommen. Vor Jahren habe ich seine Romane um und mit Billy Mann verschlungen („Eddies Bastard“ und „Das Leben brennt wie grüner
Chili“) und war von der lässigen Fabulierfreude dieses Autors höchst angetan. Und auch sein neuer Roman…mehrDer amerikanische Autor William Kowalski schreibt Familiengeschichten, aber es sind nicht diese idealtypischen Familien, die wir so oft in der Literatur vorgestellt bekommen. Vor Jahren habe ich seine Romane um und mit Billy Mann verschlungen („Eddies Bastard“ und „Das Leben brennt wie grüner Chili“) und war von der lässigen Fabulierfreude dieses Autors höchst angetan. Und auch sein neuer Roman „Hundert Herzen“ (in der Übersetzung von Jürgen Bürger), ausgezeichnet mit dem Thomas Raddall Atlantic Fiction Award 2014, ist in dieser Tradition geschrieben.
Es ist ein wichtiges Thema, mit dem sich Kowalski auseinandersetzt. Was macht der Einsatz in Kriegsgebieten mit denen, die weit entfernt von zuhause für abstrakte Ziele kämpfen? Kampf für die Freiheit am Hindukusch? Bullshit, sie kämpfen für nichts und niemanden, und nicht nur jeder Beteiligte, sondern auch jeder Außenstehende weiß das. Und was geschieht in den Familien, wenn die Soldaten wieder zurück in der Heimat sind? Alles eitel Freud‘ und Sonnenschein?
Diese Illusion hat Jeremy Merkin verloren, im Gegensatz zu vielen seiner Gefährten und Mitsoldaten ein Überlebender. Fast noch ein Kind, ist er nach Afghanistan in den Krieg gezogen. Mittlerweile ist er Mitte zwanzig und seit längerem wieder zuhause in Elysium, Kalifornien. Wie früher lebt er bei und mit seiner dysfunktionalen Großfamilie: den Großeltern Helen und Al, seiner Mutter Rita, Tante Jeanie und deren Sohn Henry. Was sich nach außen als ein Stück Normalität darstellt, ist leider nur ein äußerst instabiles Gebilde, denn die physischen und psychischen Wunden, die ein Krieg verursacht, gehen tief. Schuldgefühle, körperliche Schmerzen und Panikattacken gilt es auszuhalten, und das geht manchmal nur mit Marihuana, oder wie bei seinem Großvater Al, dem Vietnamveteran, mit Alkohol. Denn auch dieser kämpft seit vielen Jahren mit Dämonen, ist aber immer bemüht, dies vor seiner Familie zu verbergen. Auch wenn es offensichtlich ist, dass der Krieg seine Persönlichkeit zerstört hat.
Kowalski beschreibt seine Personen mit viel Wärme und großer Sympathie. Die Dialoge sind lebendig und humorvoll, auch wenn einem in der einen oder anderen Situation das Lachen im Halse stecken bleibt. Großvater und Enkelsohn, diese beiden Charaktere stehen im Zentrum des Geschehens. Und indem der Autor zwischen Als und Jeremys Perspektive hin und her springt, führt er dem Leser direkt die Auswirkungen vor Augen, die die Vergangenheit in der Gegenwart zeigt. Und so bleibt es auch nicht aus, dass Verborgenes ans Licht kommt und die Sichtweise der Protagonisten verändert, denn jeder ist zugleich Opfer als auch Täter und muss lernen, mit diesem Wissen zu leben.