Ein unterhaltsames Buch über sein Leben als Psychiater zu schreiben, das war wohl die Intention von Jakob Hein mit seinem Buch „Hypochonder leben länger“. Teilweise hat er es auch geschafft, teilweise aber auch nicht. Er schildert, unterfüttert mit Geschichten aus seinem professionellen Alltag,
seine Arbeit, die Probleme und Freuden, die sie mit sich bringt, vom Studium angefangen bis hin zur…mehrEin unterhaltsames Buch über sein Leben als Psychiater zu schreiben, das war wohl die Intention von Jakob Hein mit seinem Buch „Hypochonder leben länger“. Teilweise hat er es auch geschafft, teilweise aber auch nicht. Er schildert, unterfüttert mit Geschichten aus seinem professionellen Alltag, seine Arbeit, die Probleme und Freuden, die sie mit sich bringt, vom Studium angefangen bis hin zur Selbstständigkeit. Außerdem schreibt er über einige fachtheoretische Aspekte seiner Arbeit. So weit, so interessant. Aber leider schafft der Autor für mich den Spagat zwischen Fach- und Unterhaltungsbuch nicht wirklich, er rutscht mal in die eine, mal in die andere Richtung, was mich als Leser manchmal etwas unbefriedigt zurückließ. Zwar spricht er den Leser immer wieder direkt an (er siezt ihn auch sehr höflich), aber trotzdem fand ich mich bei dem Buch außen vor.
So befindet er sich beruflich ebenfalls in einem Spagat aus Arzt, Zauberkünstler und Orakel. Seit über 20 Jahren ist er als Kinder- und Jugendpsychiater selbstständig und scheint, so kann man es aus dem Buch herauslesen, mit seinem Beruf zufrieden und glücklich zu sein. Allerdings werden auch kritische Zwischentöne laut und immer wieder kam bei mir während der Lektüre die Frage auf, was mir der Autor mit dem Buch eigentlich sagen will. Wie schwer sein Beruf ist? Ja, es ist an manchen Stellen schon ein bisschen Gejammer herauszulesen. Und dazwischen für mich leider kaum Neues, außer vielleicht, dass er als Psychiater auch Zahnschmerzen behandeln dürfte („Interessanterweise dürften wir Psychiater aufgrund der sogenannten Kurierfreiheit auch zahnärztliche Behandlungen vornehmen“). Das gruselte mich dann doch sehr.
Interessant fand ich seinen (leider sehr kurzen) Exkurs zu Hochbegabung und Hypersensibilität, seine Ausführungen über Placebo und Nocebo und die Tatsache, dass Psychiater oft auf Vorurteile und Ressentiments stoßen (dass sie alle „einen an der Klatsche haben“), Hypochonder tatsächlich länger leben (weil sie öfter zum Arzt gehen) und in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Menschen „wie Sie und ich“ herumlaufen, war mir alles nicht neu. „In jedem Fall finde ich meine Patientinnen und Patienten nicht unnormal“ – das will ich doch wohl hoffen! Schließlich wird seit Jahrzehnten gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen gekämpft! Aber seine Abneigung gegen Prominente bringt er auf jeden Fall sehr deutlich und mehrfach zum Ausdruck.
Das Buch zeigt ehrlich die Probleme, aber auch die Chancen der Psychiatrie auf. Allerdings fand ich es nur leidlich interessant, aber weder unterhaltsam oder gar lustig. Als Grundlage für interessierte Leser sicher geeignet, für diejenigen, die schon grundlegendes Wissen haben ist es zu seicht und zu kurz gegriffen. Sprachlich fand ich das Buch nicht schlecht, aber ganz sicher auch nicht gut. „In den Zeitschriften gab es Berichte von Experten, die allein aus der Körperhaltung, in welcher ein Mensch im Bett schläft oder wie er sich einen Kaffeekrümel von der Lippe zupft, ablesen konnten, welche sexuellen Fantasien der Krümelzupfer zu verbergen suchte“ – was muss man beim Kaffeekochen denn alles falsch gemacht haben, damit man Kaffeekrümel an der Lippe hat? Und das war leider nicht die einzige unlogische Passage. Wenn das Buch abgesehen von diesen Holprigkeiten wenigstens Informationswert gehabt hätte, hätte ich von Herzen gern mehr als 2 Punkte gegeben, so bleibt es aber leider dabei.