Wie soll mit dem allgegenwärtigen Phänomen des Hasses umgegangen werden? In dem vorliegenden Sammelband beschäftigen sich Philosophen, Psychoanalytiker, Theologen und Politikwissenschafter mit verschiedenen Facetten dieses Gefühls. Ausgangspunkt ihrer Beiträge sind Hermann Cohens Reflexionen über den talmudischen Begriff des grundlosen Hasses. Das Thema Hass hat in den letzten Jahren Konjunktur: Vor allem in der politischen und psychoanalytischen Diskussion wird es von mehreren Disziplinen aufgegriffen und nach verschiedenen Ansätzen behandelt. Diesem starken Interesse zum Trotz lässt sich aber der Eindruck kaum abweisen, dass «Hass» nach wie vor ein heikles Thema bildet und dass sogar sein Bestehen wie bei keinem anderen Affekt umstritten bleibt. Nur auf diesem Hintergrund lässt sich - um nur ein Beispiel zu nennen - die absichtlich provokante Geste verstehen, mit der André Glucksmann in seinem Le discours de la haine (2004) gegen die «Möchtegernspezialisten der Seele» auftreten zu müssen meint: «Dievon mir vertretene These lautet: Es gibt Hass, wir haben ihn alle kennengelernt.» Nicht weniger provokant lautet die These, die unter umgekehrten Vorzeichen von Hermann Cohen - und zwar trotz des Judenhasses, den er selbst hatte erleben müssen - im letzten Kapitel seines mitten im Ersten Weltkrieg verfassten Nachlasswerks vertreten wird: «Ich bestreite den Hass im Menschenherzen. [...] Was ist der Hass? Ich bestreite seine Möglichkeit. Es ist ein eitles Wort, das einen solchen Begriff bezeichnen will.» Von jeher haben Cohens Kommentare zum talmudischen Begriff des «grundlosen Hasses», in denen er die «Seelenkraft des Optimismus» erwecken und die «Zaubermachtdes Friedens» beschwören will, Faszination und Irritation in den Lesern ausgelöst.
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