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2 Kundenbewertungen

Wer bin ich, wenn meine Erlebnisse mich zu einem anderen gemacht haben? Hans, ein anerkannter Chirurg, kehrt von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs nach Hause zurück - oder vielmehr zurück in das, was als sein »Zuhause« gilt. Denn das Erlebte hat seine Gewissheiten zerschlagen, nur eine unauslöschliche Fremdheit ist zurückgeblieben. Seine Frau Grete und seine Freunde erkennen ihn, auch seine Arbeit erledigt er zuverlässig, nur sein Hund wittert Verdacht. Ist er durch den Krieg zu einem anderen geworden? Oder ist er eigentlich ein anderer, der sich in Hans' Leben eingeschlichen hat? In…mehr

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Produktbeschreibung
Wer bin ich, wenn meine Erlebnisse mich zu einem anderen gemacht haben? Hans, ein anerkannter Chirurg, kehrt von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs nach Hause zurück - oder vielmehr zurück in das, was als sein »Zuhause« gilt. Denn das Erlebte hat seine Gewissheiten zerschlagen, nur eine unauslöschliche Fremdheit ist zurückgeblieben. Seine Frau Grete und seine Freunde erkennen ihn, auch seine Arbeit erledigt er zuverlässig, nur sein Hund wittert Verdacht. Ist er durch den Krieg zu einem anderen geworden? Oder ist er eigentlich ein anderer, der sich in Hans' Leben eingeschlichen hat? In einem atemlosen Selbstgespräch, das die Selbstzweifel des Protagonisten Hans zum Vorschein bringt und existenzielle Fragen stellt, lässt Peter Flamm die Lektüre dieses schmalen, kraftvollen Romans »Ich?«, der 1926 als sein Romandebüt bei S. Fischer erschienen ist, zu einem mitreißenden Erlebnis werden. »Ein Buch, von dem in jedem Sinne das Wort gilt: magisch hinreißend.« Das Tage-Buch, 1926 »Schriftsteller oder nicht, jeder ist verdammt - oder gesegnet -, die spukhaften Blasen, die aus den dunkel brodelnden Wassern seines Unbewussten steigen, zu bekämpfen.« Peter Flamm

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Autorenporträt
Peter Flamm, bürgerlich Erich Mosse, 1891 in Berlin geboren, begann schon während seines Medizinstudiums, in den Zeitungen seines Onkels Rudolf Mosse Feuilletons und kleinere Erzählungen zu veröffentlichen. 1926 sorgte sein psychologischer Debütroman »Ich?« bei S. Fischer für Furore. In den folgenden Jahren verfasste er neben seiner medizinischen Praxis drei weitere Romane, bis er als Jude 1933 mit seiner Frau Marianne aus Deutschland nach Paris und 1934 nach New York emigrieren musste. Dort ließ er sich als Psychiater nieder; sein berühmtester Patient war der Literaturnobelpreisträger William Faulkner, Berühmtheiten wie Albert Einstein und Charlie Chaplin gingen in seinem Haus ein und aus. 1963 starb er in New York. Senthuran Varatharajah, geboren 1984 in Jaffna, Sri Lanka, studierte Philosophie, evangelische Theologie und vergleichende Religions- und Kulturwissenschaft in Marburg, Berlin und London. 2016 erschien sein erster Roman »Vor der Zunahme der Zeichen« im S. Fischer Verlag. Sein zweiter Roman »Rot (Hunger)« wurde 2022 veröffentlicht. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet. Varatharajah lebt in Berlin. Literaturpreise: - 3Sat-Preis bei den 38. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt - Kranichsteiner Literaturförderpreis 2016 - Bremer Literaturförderpreis 2017 - Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2017 - Rauriser Literaturpreis 2017
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen spannenden, surreal-psychologisierenden Roman kann Rezensent Wolfgang Schneider fast hundert Jahre nach der Erstveröffentlichung entdecken: Peter Flamm war jüdischer Arzt, im ersten Weltkrieg hatte er gekämpft, 1933 musste er fliehen. Sein Debüt handelt von einem Soldaten, der eigentlich Bäcker ist, dann aber in Verdun die Identität eines Gefallenen annimmt - er betätigt sich nicht nur plötzlich als Arzt, sondern findet auch ohne Probleme zur Frau des Verstorbenen nach Berlin. Darüberhinaus gibt es auch noch einen Sohn, der ihm zudem ähnlich sieht, erzählt Schneider, nur dem Hund fällt auf, dass das Herrchen ein anderes ist. Die schwierige Frage, wie man nach dem Krieg wieder in ziviles Leben zurückkehren soll, wird mittels des Identitätstauschs ausgelotet, Persönlichkeiten werden "löchrig wie ein durchschossener Kübel", hält Schneider fest, dem auch die zweite Hälfte des Romans gut gefällt, in dem das surreale Oszillieren zwischen fremd und vertraut zum Albtraum für den Protagonisten wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2024

Die tiefe Kluft zwischen Fronterlebnis und Leben
Ein Nachkriegsroman als Kriegsstudie, neu entdeckt nach fast hundert Jahren: Peter Flamms "Ich?"

Dieser Debütroman eines jüdischen Autors aus dem Jahr 1926 ist eine faszinierende Wiederentdeckung. Die Kritik sprach damals von einem "Buchvulkan", eher "hingeglüht" als geschrieben. Der Autor Peter Flamm, der im Hauptberuf Arzt war, verfasste noch weitere Romane und Theaterstücke; er lieferte Beiträge für das frühe Radio der Weimarer Republik. 1933 aber war seine kurze Autorenkarriere zu Ende. Er floh zunächst nach Paris, emigrierte dann weiter nach New York und ließ sich dort als Psychiater nieder. Zu seinen Patienten gehörte William Faulkner.

Ein starkes psychologisches Interesse kennzeichnet auch seinen Roman. Das erzählende "Ich" wird bereits im Titel infrage gestellt (mittels eines Fragezeichens), darüber hinaus geht es um die Erschütterung aller vermeintlich festen Fundamente durch den Ersten Weltkrieg. Mit den bedeutenden Kriegsbüchern von Remarque, Jünger oder Céline teilt der Roman das zentrale Motiv jener tiefen, unüberbrückbaren Kluft zwischen dem Fronterlebnis und dem zivilen Leben. Nur dass Peter Flamm dabei zu den Mitteln des Surrealen greift. Sein Icherzähler ist der Frankfurter Bäcker und Soldat Wilhelm Bettuch, der nach dem großen Menschenschlachten die Rückkehr zum friedlichen Brotbacken gewiss befremdlich genug gefunden hätte. Flamm steigert dieses Befremden, indem er seine Figur in die Zivilexistenz eines anderen hineingleiten lässt.

Am Ende des Krieges stolpert Bettuch verstört durch eine zerschossene Landschaft voller Gefallener. Er greift nach dem Ausweis eines Toten und - als wäre mit dem Dokument ein Zauber verbunden - eignet sich im selben Moment das Leben dieses Mannes an. Er fährt mit dem Zug nach Berlin, und obwohl er dort noch nie war, findet er mit schlafwandlerischer Sicherheit den Weg zu einer Villa, in welcher sein neues Ich als Arzt Hans Stern gelebt und praktiziert hat. Er wird von dessen Frau, die vor Angst und Ungewissheit schon ganz verzweifelt war, in die Arme geschlossen. Auch ein alter Freund - ein Staatsanwalt, der schon gehofft hatte, bei der Witwe des Verschollenen zum Zug zu kommen - begrüßt den Wiedergekehrten mit kerniger Herzlichkeit. Nur einer wittert den Fremden: "Zwei Hundeaugen sprühen grüne Flammen, ein schwarzer, zottiger Leib, wilder zottiger Kopf, weiße blanke Zähne, verbissen, verhakt in mein Fleisch . . ." Das ist als Umkehrung der berühmten Szene aus der "Odyssee" zu lesen, wo der alte Hund der Einzige ist, der den heimgekehrten Herrn erkennt.

Ist es ein Traum, eine Halluzination? Flamms Stil macht Tempo, und die Ereignisse vollziehen sich mit einer Schnelligkeit, bei der dem Erzähler keine Zeit bleibt, das, was ihm widerfährt, zu bedenken. Er wird mitgerissen vom Strudel und lebt - halb noch seinem alten Bettuch-Bewusstsein verhaftet - wie auf Autopilot das Leben des Mannes weiter, der im Schlamm von Verdun begraben liegt. Prompt ploppt in ihm das Gefühl der Liebe zu der Ehefrau auf, die er, als hätte er es immer gewusst, Grete nennt und mit der er einen kleinen Sohn hat, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten sei. Befremdet blickt er einige Tage später auf seine Bäcker-Hände, die geschickt Chirurgenarbeit verrichten.

In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs wurde das Konzept des Individuums löchrig wie ein durchschossener Kübel. In der Blutmühle wurde der Einzelne zum Exemplar. Von "Depersonalisation" hat die Psychologie gesprochen. Um die Realität solcher Prozesse zu vermitteln, greift Peter Flamm zur Phantastik. Deshalb hat sein Roman trotz der ähnlichen Motive auch wenig zu tun mit berühmten Betrugsfällen wie der mehrfach verfilmten Geschichte des Martin Guerre aus dem sechzehnten Jahrhundert, wo ein Mann als vermeintlicher Kriegsheimkehrer ein ganzes Dorf geschickt über seine falsche Identität täuschen konnte.

In der zweiten Hälfte wird "Ich?" dann zum Albtraumspiel im Schleudergang. Eine frühere Geliebte des Arztes fordert ihre Rechte, und der Icherzähler wird als medizinischer Sachverständiger zu einem grotesken Mordprozess geladen. Der Staatsanwalt, sein falscher Freund, firmiert dabei als bösartiger Widersacher; die Angeklagte ist Bettuchs eigene Schwester, die nach seinem Verschwinden in Not geraten ist und mit der sich nun die Lebenswelt des Bäckers saugend zurückmeldet. "Es kommt mir alles bekannt vor und doch unendlich fremd", lautet ein Stoßseufzer des Erzählers.

Flamm, der eigentlich Erich Mosse hieß, wurde 1891 ins jüdische Bildungsbürgertum hineingeboren. Sein Vater war der erste jüdische Oberlandesgerichtsrat, sein Onkel Rudolf Mosse gründete das "Berliner Tageblatt". 1959 hielt Peter Flamm auf dem Frankfurter PEN-Kongress eine Rede, die am Ende dieses Buches abgedruckt ist. Er blickt darin auf die Jahre vor 1933 zurück und beschreibt nicht ohne Bitterkeit den Patriotismus unter den assimilierten Juden, der den Holocaust nicht verhindern konnte: "Ich bin als Jude geboren, aber ich fühlte mich mehr deutsch als manch andere Deutsche. Mein bewunderter Bruder fiel im Ersten Weltkrieg als Leutnant vor Verdun. Er hatte sich an der Spitze seiner Kompanie für eine hoffnungslose Patrouille gemeldet, während keiner seiner Mitdeutschen mit ihm gehen wollte." Auch dadurch erklären sich Dringlichkeit und Intensität dieses Romans. Seine Flamme ist genährt von einem großen Schmerz: über den toten Bruder. WOLFGANG SCHNEIDER

Peter Flamm:

"Ich?" Roman.

Verlag S. Fischer,

Frankfurt am Main 2023. 160 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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[...] eine faszinierende Wiederentdeckung. Wolfgang Schneider Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240423
Kluge "spätexpressionistische Fantastik" liest Maximilian Mengeringhaus mit Peter Flamms Roman "Ich?". Das Buch über einen Kriegsheimkehrer wurde bei seiner Ersterscheinung 1926 begeistert von der Literaturkritik aufgenommen, so der Kritiker, und es ist immer noch "ein tolles Stück Literatur": Am letzten Tag des ersten Weltkriegs entscheidet sich Wilhelm, die Identität eines toten Soldaten zu übernehmen. Er nimmt ihm den Pass ab und lebt fortan als jener weiter, übernimmt dessen Beruf als Arzt, kehrt Heim zu dessen Frau. Irgendwann ist er sich selbst nicht mehr sicher, wer er eigentlich ist, Hans oder Wilhelm? Das Identitätsspiel wird durch das "Sinnchaos des parataktischen Satzbaus" unterstützt - das kann den Lesern den Textzugang etwas erschweren, meint der Kritiker, es trägt aber zur Vieldeutigkeit des Textes und zur raffinierten Verhandlung des "Doppelgängermotivs" bei. Mengeringhaus empfiehlt also dranzubleiben!

© Perlentaucher Medien GmbH