Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: A (= 1,0), University of Massachusetts - Amherst (Department of Germanic Languages and Literature), Veranstaltung: German: Faust I and II, Sprache: Deutsch, Abstract: Im dritten Teil seines Buches Götterzeichen - Liebeszauber - Satanskult. Neue Einblicke in alte Goethetexte analysiert Albrecht Schöne die Walpurgisnacht in Goethes Faust I,wobei ein beachtlicher Teil der Abhandlung den Paralipomena, den aus dem Faust verbannten Textfragmenten, gewidmet ist. In Schönes Rekostruktionsversuch, der die Paralipomena in den Text- und Sinnzusammenhang des autorisierten Fausttextes stellt, konzentriert sich die Untersuchung auf die Figur Gretchens. Schöne gelangt auf diesem Wege zu der These, die Erscheinung Gretchens kurz vor dem Intermezzo der Walpurgisnacht habe einen engen Bezug zum Paralipomenon 65, der sogenannten Hochgerichtserscheinung, und erlaube deshalb, in Gretchen eine als Hexe Beschuldigte im damaligen Sinne zu sehen. Schöne schlägt vor, mit Hilfe einer eingehenden Untersuchung der Geschichte des Hexenglaubens, wie Goethe sie gekannt haben muß, und des völkischen Wissensguts, wie es jedem Menschen zum Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts eigen gewesen sein muß, Gretchens Erscheinung im Kontext der Walpurgisnachtszene zu durchleuchten, oder, wie Peter Delvaux meinte, Gretchens Hintergrund "versuchsweise auch [im Vergleich mit] kollektiv verbreiteten Bildvorstellungen insbesondere aus der christlichen Ikonographie zu sehen." Schöne impliziert, allerdings ohne es weiter zu verdeutlichen, daß damit freilich nicht behauptet werden solle, Goethe selbst hätte Gretchen als Hexe präsentieren wollen.Sein Anliegen sei es vielmehr gewesen, Gretchens Schicksal mit dem einer zu Unrecht als Hexe Beschuldigten gleichzusetzen, und anzudeuten, daß Gretchens drastische Bestrafung in nicht unerheblichem Maße auch mit der damals üblichen Kategorisierung ihrer Verfehlungen als geradezu typische Hexentaten - Vergiftung (wenn auch unabsichtlich) und Kindesmord - im Zusammenhang stehe. Anders ausgedrückt: Goethe war sich durchaus bewußt, daß Gretchens Taten dem einfachen Verstand als Taten einer Hexe erscheinen mußten, und verlegt aus diesem Grund ihre Hinrichtung in die Sphäre der Hexenverfolgungen, eben um zu zeigen, daß er Gretchen zwar für schuldig, nicht aber für schuldig im Sinne der Anklage halte. Christoph Müller bestätigt indirekt Schönes Annahme mit der Aussage, "daß Gretchen als Hexe hingerichtet wird, besagt noch nicht, daß sie eine Hexe ist." Natürlich steht auch für Albrecht Schöne außer Frage, daß Gretchen keine Hexe ist.
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