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Literaturwissenschaftliche Annäherungen an das facettenreiche Werk der Autorin von »weiter leben«. Durch ihr 1992 erschienenes Buch "weiter leben. Eine Jugend" ist Ruth Klüger (1931-2020) weit über ihr Fach, die Germanistik, hinaus bekannt geworden. Auch ihr literaturwissenschaftliches und dichterisches Werk findet in jüngster Zeit verstärkte Beachtung. Die in diesem Band versammelten Aufsätze europäischer und amerikanischer Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler nehmen das Gesamtwerk Klügers in den Blick und decken unerwartete Querverbindungen zwischen den verschiedenen…mehr

Produktbeschreibung
Literaturwissenschaftliche Annäherungen an das facettenreiche Werk der Autorin von »weiter leben«. Durch ihr 1992 erschienenes Buch "weiter leben. Eine Jugend" ist Ruth Klüger (1931-2020) weit über ihr Fach, die Germanistik, hinaus bekannt geworden. Auch ihr literaturwissenschaftliches und dichterisches Werk findet in jüngster Zeit verstärkte Beachtung. Die in diesem Band versammelten Aufsätze europäischer und amerikanischer Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler nehmen das Gesamtwerk Klügers in den Blick und decken unerwartete Querverbindungen zwischen den verschiedenen Gattungen ihres Schreibens auf. Dabei kommen ihre innovatorischen Beiträge zu den Jewish Studies und zu einer feministischen Literaturwissenschaft ebenso zur Sprache wie ihre wissenschaftlich bedeutsame Dissertation zum barocken Epigramm. Nicht zuletzt werden ihre frühen Versuche, sich als amerikanische Autorin zu etablieren, rekonstruiert und durch ein Werkverzeichnis erschlossen. Die Beiträge dieses Bandes werden entsprechend der von Ruth Klüger selbst praktizierten Zweisprachigkeit jeweils in ihrer Originalsprache in Deutsch und Englisch gedruckt. Mit Beiträgen von: Sigrid Bauschinger, Gesa Dane, Heinrich Detering, Kai Evers, Konstanze Fliedl, Mark H. Gelber, Barbara Hahn, Gail K. Hart, Irène Heidelberger-Leonard, Irene Kacandes, Meredith Lee, Peter C. Pfeiffer, Daniela Strigl und Thedel v. Wallmoden
Autorenporträt
Gesa Dane ist Professorin am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der FU Berlin. Gail K. Hart forscht und lehrt an der University of California / Irvine.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die von Gesa Dane und Gail K. Hart herausgegebene Sammlung literaturwissenschaftlicher Texte über Leben und Werk Ruth Klügers eignet sich, findet Rezensentin Verena Lueken, gut als Ergänzung zu den vielschichtigen Texten Klügers über Literatur, Juden und Frauen. Dass in den Band sowohl deutsch- als auch englischsprachige Texte aufgenommen wurden, ist eine gut nachvollziehbare Entscheidung, so die Rezensentin. Erwähnung finden ein Beitrag Thedel von Wallmodens über die Entscheidung des Suhrkamp-Verlags, einen Erinnerungsband der Shoah-Überlendenden Klüger nicht zu veröffentlichen sowie Irene Heidelberger-Leonards Text zu Klügers Arbeiten über die Verbindung antisemitischer und misogyner Vorurteile.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.08.2023

Zum Niederknien gescheit
Mit ihren Erinnerungen an Auschwitz wurde Ruth Klüger berühmt, sie brillierte aber auch als Literaturwissenschaftlerin.
Jetzt erscheinen zwei neue Sammlungen von Essays – von ihr und über sie
VON SIGRID LÖFFLER
Ein kleiner Aussetzer mit großen Folgen. Weil der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld in einem Moment schwächelnder Urteilskraft das Buchmanuskript einer unbekannten Autorin recht hochmütig ablehnte („Bücher, die wir herausbringen, müssen in erster Linie literarischen Ansprüchen genügen“), landete es bei einem Kleinverleger in Göttingen. Der erkannte seine besondere Qualität und brachte das Buch im Sommer 1992 heraus: „Weiter leben. Eine Jugend“ von Ruth Klüger. Der Rest ist Literaturgeschichte.
Sie wurden ein Welterfolg – die Jugenderinnerungen der jüdischen Wienerin Ruth Klüger, die als Kind Theresienstadt, Auschwitz und Groß-Rosen überlebte, mit ihrer Mutter 1947 in die USA emigrierte und als amerikanische Germanistin eine glanzvolle Universitätskarriere absolvierte, die sie von Berkeley über Virginia und Princeton nach Irvine in Kalifornien führte. Frappierend war der eigentümliche Sprachgestus dieser Autobiografie, ein lakonischer, schnoddriger Tonfall: direkt, oft sarkastisch, unbedingt aufrichtig und schonungslos, auch gegen sich selbst.
In seiner ganzen unerbittlichen Strenge war der Ton doch erfrischend trotzig, brüsk und burschikos. Man merkte ihm die literarische Sozialisation der Autorin deutlich an, den „Tonfall einer vertraut hinterfotzigen Kindersprache“, wienerisch timbriert in Wortschatz, Humor und Sprachmelodie. „Eine Sprachmaske der Kaltschnäuzigkeit“, nennt die Kritikerin Daniela Strigl diese besondere Schreibweise, durch die sich „Weiter leben“ als fast einzigartig innerhalb der Holocaust-Literatur abhebt.
Vielhundertausendfach verkauft und in viele Sprachen übersetzt, ist das Buch inzwischen Schullektüre und zählt zu den kanonischen Texten neben den Auschwitz-Erinnerungen von Primo Levi, Cordelia Edvardson und Imre Kertész. Es machte die Autorin international berühmt, trug ihr Ehrungen, Preise und Gastdozenturen sonder Zahl ein und half ihrem Göttinger Verlag, sich zukunftsfest zu etablieren. Wie der Verleger Thedel von Wallmoden im neuen Essayband mit Beiträgen über Ruth Klüger schreibt, sei mit diesem Buch ein verlegerischer Erfolg gelungen, „dem der Wallstein-Verlag alles verdankt, was seitdem in mehr als drei Jahrzehnten möglich war“.
Wallstein hat Ruth Klügers wundersame Alterskarriere als Kritikerin und Rezensentin, Literaturwissenschaftlerin und Lyrikerin über die Jahre hinweg begleitet und befördert, indem er ihre verstreuten Essays über Gedichte und ihre Aufsätze zur erzählenden Literatur in Buchform herausbrachte („Gemalte Fensterscheiben. Über Lyrik“, „Katastrophen. Über deutsche Literatur“, „Gelesene Wirklichkeit. Fakten und Fiktionen in der Literatur“, „Wer rechnet schon mit Lesern? Aufsätze zur Literatur“).
So ist es nur würdig und recht, dass der Verlag die Publikationsreihe, die er seiner wichtigsten Autorin gewidmet hat, nunmehr, drei Jahre nach ihrem Tod in Kalifornien im Alter von 88 Jahren, mit gleich zwei Büchern abschließt – mit einer Essaysammlung von und einer über Ruth Klüger, beide herausgegeben von Gesa Dane von der Freien Universität Berlin, der Verwalterin ihres literarischen und wissenschaftlichen Nachlasses. Für den amerikanischen Aspekt von Klügers bilingualem Werk zeichnet die US-Germanistin Gail K. Hart von der University of Irvine verantwortlich.
Die beiden Bände entfalten noch einmal panoramatisch die ganze Vielfalt von Ruth Klügers reichhaltigem Lebenswerk in seiner Zweisprachigkeit, zeichnen Entwicklungslinien nach und konturieren Schwerpunkte ihres literaturkritischen Interesses. Stets hat sie sich selbst als eine „Nachzüglerin zwischen Aufklärung und Endlösung“ verortet und ihre deutsche Leserschaft gewarnt, dass sich in ihrer Literaturgeschichte immer wieder „der Abgrund der jüdischen Katastrophe auftut“. Seit jeher blickt Ruth Klüger auf die Literatur aus der doppelten Perspektive als Jüdin und Feministin. „Frausein und Judesein sind Problemkonstanten in ihrem Werk, sie sind zu jeder Zeit Stigma, Ausgestoßensein, Exil, Fremdheit. Jüdinsein ist keine ethnische Zuschreibung, erst recht keine religiöse, es wird schlichtweg zum Anderen“, konstatiert Irène Heidelberger-Leonard in ihrem Aufsatz „Der Jude als Frau“. „Klügers Bücher sind ein Aufstand gegen den stillschweigenden Konsens, dass den Männern die Welt gehört. Tatsächlich lassen sich Privates und Öffentliches, Weibliches und Jüdisches bei einem solch paradigmatischen Leben nicht trennen.“
Stets unterzieht Klüger die Texte einer rigorosen ideologiekritischen Befragung, von Grimmelshausen bis zu Günter Grass und der Nachkriegsliteratur ganz generell. An keinem anderen deutschen Autor hat sie sich intensiver und mit überraschenderen und originelleren Erkenntnissen abgearbeitet als an Heinrich von Kleist. Sie erkennt in ihm den „verlorenen Sohn der Aufklärung“. Ihre Überlegungen zur „Hermannsschlacht“ wurden zum Impulsgeber für Claus Peymanns legendäre Bochumer Inszenierung. Und am Beispiel seiner überreizten Gestalten wie etwa Penthesilea und Käthchen (von Heilbronn) untersucht sie Kleists damals völlig neuartige und daher anstößige Darstellung hochkomplexer Geschlechterbeziehungen. Bei Adalbert Stifter reißt sie die biedermeierlichen Verschanzungen ein und zeigt „die Angst, die hinter den Barrikaden lauert“.
Nicht einmal der Unterhaltungssatiriker Erich Kästner entgeht ihrem unbestechlichen strengen Blick. Sie erschüttert sein scheinbar unantastbares Image als Kinderbuchautor, indem sie ihm kitschige Verlogenheit, Feigheit und korrupte Moral nachweist.
Die Texte, die Gesa Dane in dem Essayband „Anders lesen. Juden und Frauen in der deutschsprachigen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts“ versammelt, zeigen einmal mehr, wie beharrlich Ruth Klüger unter dem lebenslangen Motto „Frauen lesen anders“ den männlich dominierten Kanon gegen den Strich liest. Deutlich wird auch, wie konsequent sie dem verborgenen Antisemitismus und Antifeminismus gerade in kanonischen literarischen Texten nachspürt, die auf den ersten flüchtigen Blick des Juden- und Frauenhasses unverdächtig erscheinen, von Wilhelm Raabe bis zu den jüdischen Gestalten bei Thomas Mann und Alfred Andersch, die sie gleichwohl als „Produkte von Judenfeindlichkeit“ kenntlich macht.
Ihnen stellt sie Autoren wie Heine, Kafka, Schnitzler, Hofmannsthal oder Stefan Zweig gegenüber und untersucht, wie unterschiedlich diese in ihren Werken ihr Judentum problematisiert haben – oder eben nicht. Ein besonderes Glanzstück ist der Essay „Ödipale Konfrontationen“, Klügers Lektüre von Hofmannsthals „Rosenkavalier“-Libretto mit Sigmund Freud und der griechischen Mythologie im Hinterkopf und ausgehend vom Phantasma des androgynen Mannes mit seinen fließenden Identitätsgrenzen, und dies hundert Jahre vor allen aktuellen Gender-Debatten. Nach dem Urteil der Kritikerin Daniela Strigl gelingt es Klüger hier, allein durch ihre Lektüre ein lange unter Kitschverdacht stehendes Werk zu rehabilitieren.
In dem Sammelband von Kommentaren zu Klügers literarischem und literaturwissenschaftlichem Werk „Ich kann eigentlich nichts als lesen und schreiben“ analysiert der US-Germanist Kai Evers Klügers zentrale These, dass die deutschsprachige Literatur nicht erst seit Hitler ein „Judenproblem“ habe. Indem sie die Spuren einer langen Geschichte des literarischen Antisemitismus offenlegt, kann sie auch den verborgenen Kitsch sichtbar machen, der selbst in bedeutenden Werken lauert. Vor allem die Nachkriegsliteratur erscheint ihr anfällig, namentlich für rührseligen KZ-Kitsch.
Wenn von der Shoah überhaupt die Rede war, dann wurde sie durch Kitschwörter wie „unvorstellbar“ und „unaussprechlich“ sentimentalisiert und später „durch den Heiligenschein der Unsagbarkeit, also durch eine Kitsch-Aura, verklärt“. Kai Evers hält Klüger besonders zugute, dass sie mit ihrer These vom „Judenproblem“ der deutschsprachigen Literatur „einen großen Einfluss auf die Forschung zum literarischen Antisemitismus ausgeübt“ habe. Mit diesen beiden Sammelbänden huldigt der Wallstein-Verlag noch einmal seiner Schutzpatronin und einem zukunftsoffenen Werk, das nicht abzuschließen und nicht auszulesen ist.
Sie blickt auf die Literatur
aus der doppelten Perspektive
als Jüdin und Feministin
Erich Kästner weist sie
kitschige Verlogenheit,
Freiheit und korrupte Moral nach
Bezeichnete sich als „Nachzüglerin zwischen Aufklärung und Endlösung“: die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger.
Foto: Michael Reichel/dpa
Gesa Dane, Gail K. Hart: „Ich kann eigentlich nichts als lesen und schreiben.“ Zum literarischen und literaturwissenschaftlichen Werk von Ruth Klüger. Essays. Wallstein, Göttingen 2023. 216 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Die beiden Essaybände entfalten noch einmal panoramatisch die ganze Vielfalt von Ruth Klügers reichhaltigem Lebenswerk in seiner Zweisprachigkeit, zeichnen Entwicklungslinien nach und konturieren Schwerpunkte ihres literaturkritischen Interesses. (...) (Ein) zukunftsoffene(s) Werk, das nicht abzuschließen und nicht auszulesen ist.« (Sigrid Löffler, Süddeutsche Zeitung, 01.08.2023) »(M)ehr Klüger lesen!« (Verena Lueken, FAZ, 24.08.2023) »Wie differenziert und quer zu den herrschenden Strömungen Ruth Klüger deutsche Literatur zu beschreiben und zu lesen verstand, wird hier aufs schönste erhellt.« (Michael Braun, Kölner Stadt-Anzeiger, 08.09.2023) »Die Beiträge gehen dem literarischen und literaturwissenschaftlichen Werdegang der Autorin nach und eröffnen der Leserin unerwartete Einblicke.« (Sena Dogan, Weiberdiwan, Sommer 2024)