Erst seit jüngstem gehört die »Brecht- Sammlung Victor N. Cohen« dem Brecht-Archiv, einschließlich zahlreicher unbekannter Briefe, die Brecht während seines amerikanischen Exils Mitte der vierziger Jahre von der Ostküste der USA an Helene Weigel, mit der er seit 1929 verheiratet war, nach Kalifornien geschickt hat. In einer ersten Bestandsaufnahme zum Jahreswechsel 1923/24 schreibt Brecht an und über die junge Schauspielerin: »H W / (zu deutsch: Havary)«; von ihr getrennt herrschen bei ihm »Starke Langeweile / 90 % Nikotin / 10 % Grammophon«. Immer wieder bestürmt er sie: Fragen nach einem Zimmer oder einer Wohnung, nach Büchern und Artikeln oder nach Autopreisen und der Wiederbeschaffung von verlorenen Papieren; er erkundigt sich nach ihren Rollen und Auftritten und nach der Resonanz von Publikum und Kritik; er berichtet über die Arbeitan seinen eigenen Stücken oder darüber, daß er »mit viel Nikotin wenige Sonette hergestellt« habe. Nach der Flucht aus Deutschland Anfang 1933 geht es immer wieder um Orte, an denen Brecht weiterarbeiten kann, um die Mühsale einer Familie im Exil, um zwei Kinder, die ihre Muttersprache nur noch zu Hause hören, und um die Nöte einer Schauspielerin, die fünfzehn Jahre lang ohne Bühne ist. Und deren Briefen wir hier zum ersten Mal begegnen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hannelore Schlaffer muss leider feststellen, wie wenig die große Helene Weigel in diesem zwar schon in der Frankfurter Brecht-Ausgabe nachzulesenden, doch hier erstmals gebündelten Briefwechsel tatsächlich sichtbar wird. Sprachliche Askese herrscht vor, wenn Brecht und Weigel kommunizieren. Schlaffer warnt den auf Persönliches schielenen Leser vor der Geschäftsmäßigkeit dieser Korrespondenz, der Trockenheit des Tons. Es geht um Aufenthalte, Tagesabläufe, Personen, später dann um Besetzungen, Theaterbusiness. Eine intime Stimmung kann Schlaffer nicht erspüren, wohl aber mit einiger Mühe den starken Charakter der vielfach betrogenen Weigel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die komplett vorgelegte Korrespondenz Brecht/Weigel gleicht einer Rhapsodie: abschwellend, dräuend, aufgischtend, mal dröhnen Kommandos wie Pauken, mal wispern die Schlagzeugbesen, und mal streichelt der Violinbogen.« Fritz J. Raddatz DIE ZEIT 20121108