Heinrich Heine war ab 1831 als Journalist in Paris tätig und daher vor Ort, als dort 1832 die Cholera ausbrach. Als Journalist befasste er sich mit der Epidemie, denn er blieb auch noch in Paris, als alle, die es sich leisten konnten, die Stadt verlassen hatten. Allerdings nicht, weil er besonders
mutig war, sondern, wie er sagte: „ehrlich gesagt, ich war zu faul“. So bekam er einen direkten…mehrHeinrich Heine war ab 1831 als Journalist in Paris tätig und daher vor Ort, als dort 1832 die Cholera ausbrach. Als Journalist befasste er sich mit der Epidemie, denn er blieb auch noch in Paris, als alle, die es sich leisten konnten, die Stadt verlassen hatten. Allerdings nicht, weil er besonders mutig war, sondern, wie er sagte: „ehrlich gesagt, ich war zu faul“. So bekam er einen direkten Einblick in die Krankheit und das Sterben, das er auf wenigen Seiten schildert. Er schildert die Geschehnisse journalistisch-nüchtern und weitgehend deskriptiv, nicht wertend.
Er schreibt über Fake News (damals noch als Mundpropaganda), Panik und die Suche nach Schuldigen – mutet seltsam bekannt an. „[…]da vernahm man plötzlich das Gerücht: die vielen Menschen, die so rasch zur Erde bestattet würden, stürben nicht durch eine Krankheit, sondern durch Gift. Gift, hieß es, habe man in alle Lebensmittel zu streuen gewusst, auf den Gemüsemärkten, bei den Bäckern, bei den Fleischern, bei den Weinhändlern. Je wunderlicher die Erzählungen lauteten, desto begieriger wurden sie vom Volke aufgegriffen“. So vieles scheint sich zu wiederholen, so vieles kommt einem bei der Lektüre bekannt vor.
In Paris war die Seuche nicht ernst genommen worden, als in London, Russland und dem Baltikum schon viele Menschen daran gestorben waren. 100%ig kann man die damalige Situation zwar nicht auf die heutigen Zustände mit Corona übertragen, da hat die Medizin inzwischen zu große Fortschritte gemacht, aber dennoch zeigt das Buch einige verstörende Parallelen, vor allem bezüglich des Umgangs der Bevölkerung mit der Krankheit.
Das Büchlein (das ursprünglich ein Zeitungsartikel mit dem Titel „Französische Zustände“ war) hat es trotz der Kürze in sich, vor allem wegen der Aktualität in der momentanen Situation, auf die sich Herausgeber Tim Jung in seinem Vorwort bezieht. Es kann aufklären und aufrütteln, traurig, wütend und betroffen machen. Auf jeden Fall sollte man es dringend lesen und eventuell daraus lernen. Allerdings schreibt Heine „Angst ist bei Gefahren das Gefährlichste.“ – über vorsichtig sein und Respekt vor der Krankheit schreibt er leider nichts, dabei wäre das vermutlich – damals wie heute – der Königsweg. Von mir 5 Sterne.