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Ich stelle mich schlafend erzählt von den dunklen Seiten einer Liebe – und die Geschichte einer Befreiung. Ein eindringlicher Roman über den Versuch der Auslöschung einer Frau, und über die Frage, ob es eine Berührung gibt, die den Kern eines Menschen unwiederbringlich verändert.
Das Haus, in dem Yasemin bis vor kurzem gelebt hat, steht nicht mehr. Es musste bis auf die Grundmauern abgerissen werden. Von der Wohnung, die sie zuletzt mit ihrem Freund Vito geteilt hat, sind nur Erinnerungen übrig. Die Geschichte der beiden reicht bis in ihre Jugend zurück: Beide wachsen im selben…mehr

Produktbeschreibung
Ich stelle mich schlafend erzählt von den dunklen Seiten einer Liebe – und die Geschichte einer Befreiung. Ein eindringlicher Roman über den Versuch der Auslöschung einer Frau, und über die Frage, ob es eine Berührung gibt, die den Kern eines Menschen unwiederbringlich verändert.

Das Haus, in dem Yasemin bis vor kurzem gelebt hat, steht nicht mehr. Es musste bis auf die Grundmauern abgerissen werden. Von der Wohnung, die sie zuletzt mit ihrem Freund Vito geteilt hat, sind nur Erinnerungen übrig. Die Geschichte der beiden reicht bis in ihre Jugend zurück: Beide wachsen im selben Hochhauskomplex auf, und Yasemin verliebt sich mit dreizehn in den drei Jahre älteren Nachbarn. Von klein auf fasziniert von Glaubensfragen und Spiritualität, versucht sie durch einen Liebeszauber, Vito für sich zu gewinnen. Doch nach einem Sanatoriumsaufenthalt, wo ihre Skoliose behandelt wird, geht sie auf Distanz. Zu fremd ist ihr der eigene Körper, zu groß die Scham wegen ihres Korsetts. Erst zwanzig Jahre später, als die mühsam aufgerichtete Wirbelsäule droht sich wieder zu stauchen, begegnen sie sich erneut. Yasemin hält dieses späte Aufflammen der Jugendliebe für Schicksal. Aber dann zeigt Vito sein Inneres, das bedrohlich ist und leer.

Autorenporträt
Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik in Leipzig, wo sie heute auch lebt. Für ihren Debütroman Streulicht, der 2020 auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, wurde sie mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Judith von Sternburg zeigt sich auch von Deniz Ohdes zweitem Roman überzeugt: Es geht um Yasemin, der erste Teil der Handlung widmet sich ihr als Jugendliche. Sie muss eine Skoliosebehandlung über sich ergehen lassen, das Korsett, das sie dabei trägt, wird zur sinnstiftenden Metapher ihres Lebens. Im zweiten Teil flammt eine toxische Beziehung aus der Jugend wieder auf, was laut Sternburg von Ohde auf intrikate Weise verwirrend erzählt wird. Manche Sprachbilder gehen für sie zwar nicht ganz auf, aber dennoch hat der Roman die Kritikerin gepackt, wie sie versichert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2024

Verstrickung statt Verliebtheit
Auf der Suche nach einer Ursache: Deniz Ohdes neuer Roman "Ich stelle mich schlafend"

Es endet im Nichts, nein, in der Zerstörung, sodass Yasemin nur noch vor einer Brache steht, die einmal ihre Wohnung war. Sie blickt im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinne auf die Trümmer ihres Lebens. Dieses Ende markiert den Anfang von Deniz Ohdes Roman "Ich stelle mich schlafend" und bildet zugleich auch den Anlass für die Protagonistin Yasemin, erzählend zu rekapitulieren, wie es dazu kommen konnte.

Um zu verstehen, befragt Yasemin insbesondere ihre vergangenen Liebesbeziehungen, die allesamt auch Abbild ihres Selbstwertgefühls sind. Angefangen mit ihrer ersten Jugendliebe zu Vito, der gegenüber wohnt und drei Jahre älter ist als die damals vierzehnjährige Yasemin. Zu ihm entwickelt sie die Liebe eines Teenagers. Ihr Zusammentreffen wähnt sie als schicksalhaft, sie ist überzeugt, dass er sie nur bemerkt aufgrund eines von ihr ausgeführten Liebesschwurs, und in der Beziehung zu ihm wähnt Yasemin ihre Rettung: "In Yasemin wuchs die Gewissheit, dass sie und Vito zusammengehörten. Einzig darauf richtete sie ihre Gedanken. Eine Berührung von ihm, und sie wäre geheilt. In Vito würde sie sich auflösen. Das Ende wäre ein zärtliches." Dass Vito sich nur auf sie einlässt, weil ihm gefällt, dass sie ihn fürchtet, und er ihr die Welt erklären kann, bemerkt Yasemin erst viele Jahre später im Rückblick: "Es war eine Verstrickung, keine Verliebtheit." Nach einer längeren räumlichen Trennung entzaubert sich allerdings die Faszination um Vito, und Yasemin beendet die Beziehung.

Anschließend führt sie in ihrer späteren Jugend und beim Erwachsenwerden losere Beziehungen, ist eher auf der Suche nach sexuellen Kontakten. Sie folgt dem Mantra "Es hätte nie eine Unschuld gegeben, die Yasemin hätte verlieren können", sammelt Berührungen von verschiedenen Männern und führt darüber ein gedankliches Register, einen body count. "Sie versuchte nicht länger, einem jungmädchenhaften Ideal zu folgen und eine Unschuld vorzuspielen, sondern unternahm eine Flucht nach vorn, indem sie Berührungen geradezu suchte, sie sammelte, als gelte es, dem Register möglichst viele Namen hinzuzufügen."

In diesem Wirbel, in dem sie sich selbst verlieren will, trifft Yasemin schließlich auf Hermann. Er markiert das Ende des body count, in der Beziehung zu ihm erfährt sie, dass Partnerschaften keine Pflichterfüllung sind, sondern durch Vertrauen, Kommunikation und Ehrlichkeit entstehen. "Yasemin lernte, was eine große Liebe bedeutete, nämlich, dass man sich nicht darüber den Kopf zerbrach." Mit Hermann kehrt Ruhe in ihr Leben ein.

"Wie lange war Yasemin ruhig gewesen?", fragt sie sich jedoch im Rückblick, und abermals wird daraus ein Credo, das zu Beginn eines Kapitels steht und es durch Wiederholung strukturiert. Diese mantraartigen Leitsätze können beispielhaft Ohdes sprachbildliches Raffinement veranschaulichen. Denn diese Sätze, welche die Protagonistin retrospektiv wiederholen muss, sind analog zur wiederholenden Struktur von traumatischen oder belastenden Erinnerungen: Yasemins Gedanken bewegen sich in Kreisläufen durch ihre Vergangenheit - auf der Suche nach einem Grund, nach einer Erklärung für das, was ihr zugestoßen ist. Dass die Metaphorik im Roman insgesamt teilweise überdeutlich durchscheint und nicht zurückhaltend auf Interpretation wartet, passt zu Yasemins spiritueller, sinnsuchender Figur und fügt sich daher gut in ihre erzählende Perspektive ein.

"Wie lange war Yasemin ruhig gewesen?" Mit Anfang dreißig, zwanzig Jahre nach dem letzten Kontakt, trifft sie Vito nach dem Einkaufen auf der Straße. Er sitzt auf einer Bank unter einem Baum, sie sucht Schutz vor einem plötzlich hereinbrechenden Schauer. Eine zufällige Begegnung mit einer alten Jugendliebe, in der Gegend, wo beide früher aufgewachsen sind; nichts Außergewöhnliches möchte man meinen. Doch Yasemin fällt zurück in ihre Denk- und Fühlmuster als Vierzehnjährige. "Die ganze Situation schrie ihr eine Schicksalhaftigkeit entgegen, die von einem vorbeifahrenden Taxi noch verstärkt wurde: Es war Vitos Geburtsdatum, das da auf dem Nummernschild an ihr vorbeiglitt." Sie ruft ihn an, ohne zu ahnen, welche Konsequenzen das haben wird.

Es sind die Schilderungen von Beziehungen und ihren Dynamiken, aber auch von einzelnen Figuren und ihrer Motivation, welche die Schlagkraft von Ohdes neuem Roman ausmachen. Die Erlebnisse und Reflexionen der Protagonistin sind nicht nur teilweise erschreckend nachvollziehbar, sondern geben zugleich ein treffliches und daher erschütterndes Bild davon ab, nach welchen Mustern (patriarchale) Gewalt in Partnerschaften abläuft. Deniz Ohde, deren Debüt "Streulicht" 2020 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, hat mit "Ich stelle mich schlafend" einen weiteren bemerkenswerten Roman geschrieben, der in bedrückend starker Metaphorik von den Verstrickungen einer jungen Frau erzählt. EMILIA KRÖGER

Deniz Ohde: "Ich stelle mich schlafend".

Suhrkamp Verlag, Berlin 2024.

248 S.,geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2024

Die Verstrickung
In ihrem Roman „Ich stelle mich schlafend“ erzählt Deniz Ohde eine unerträglich beengende Beziehung von deren unglücklichem Ende her.
Wieso lässt sich eine junge Frau auf einen Mann ein, den sie eigentlich nicht erträgt? Vito hat ein marmornes Gesicht und strahlt eine merkwürdige Schönheit aus, aber eigentlich ist er auf allen Ebenen gescheitert. Dennoch sucht Yasemin, die schon als Dreizehnjährige in ihn verliebt war, Jahrzehnte später noch einmal seine Nähe. Deniz Ohde, 2020 mit ihrem fulminanten Debüt „Streulicht“ über ein Mädchen aus prekären Verhältnissen und die subtilen Mechanismen der Klassengesellschaft bekannt geworden, legt mit „Ich stelle mich schlafend“ ihren zweiten Roman vor. Es ist das bedrückende Psychogramm einer Frau, die sich selbst ein Rätsel ist.
Die Autorin rollt das Ganze aus der Retrospektive auf und beginnt mit der finalen, hoch symbolischen Katastrophe. Immer noch fassungslos steht Yasemin vor den Trümmern des Hauses, in dem sie bis vor Kurzem gewohnt hatte. Das Gebäude mit der Kneipe KlickKlack im Erdgeschoss ist komplett in die Luft geflogen und binnen einer Nacht abgebrannt. Mit diesem Bild der Verheerung katapultiert uns die Autorin in die Welt ihrer Heldin. Sie nimmt Yasemin, Yase genannt, behutsam von außen in den Blick, umkreist sie und deutet schon auf den ersten Seiten bestimmte Idiosynkrasien an: das Bedürfnis nach Sauberkeit und Keimfreiheit, die Beruhigung, die von frischen Handtüchern ausgeht, das Ritual des Waschens. Yases mütterliche Freundin Lydia taucht auf, eine Kosmetikerin, die ihr nicht nur Gesichtsmasken, sondern auch Zuflucht bietet. Ganz am Anfang dieser Chronik des Heranwachsens steht ein Wort auf Türkisch, „Aydede“. Ohne die genaue Bedeutung zu kennen – nämlich „Mann im Mond“ oder „Großvater Mond“ – benutzt das Kind es als Synonym für den Mond und kräht es laut bei Autofahrten heraus, was bei den Eltern Heiterkeit hervorruft. Es ist der einzige Moment von Verbundenheit mit Vater und Mutter, die seltsam unbeteiligt am Schicksal ihrer Tochter wirken.
Die Mutter scheint einen migrantischen Hintergrund zu haben und muss ihre Wurzellosigkeit durch übertriebenes Putzen und Bügeln ausgleichen, aber thematisiert wird ihre Herkunft in der Familie nicht. Die Eltern sind meistens abwesend. Dass Vito viele Jahre später Yasemins Namen mit einem scharfen „s“ richtig ausspricht, wie es sonst niemand tut, bringt etwas in ihr zum Klingen, wovon sie gar nichts weiß. Deniz Ohde entscheidet sich, von Anfang an die Szenen und Bilder mit Deutungen und Erklärungen zu flankieren, die kindliche Perspektive also zu unterlaufen. Es sind Suchbewegungen, die Bemühung, in frühen Versehrungen den Grund dafür zu finden, weshalb die 35-jährige Yase sich plötzlich einem Mann wie Vito unterwirft. Schon als von der kindlichen Liebe zu Vito die Rede ist, den ersehnten Treffen, dem gemeinsamen Musikhören, kommt die kommentierende Flüsterstimme ins Spiel. „Es war Verstrickung, keine Verliebtheit“, heißt es da zum Beispiel, was eher bagatellisierend wirkt. Dann wieder gibt es erzählerisch starke Szenen, die die Erfahrung des Ausgeliefertseins auf den Punkt bringen. Wie Yasemin mit elf plötzlich anfängt zu wachsen, für die Jungen zum Faszinosum wird und immer wieder bei Lydia unterkriecht. Wie sie dort eines Nachts ungewollt Zeugin eines halb erzwungenen Beischlafs wird. Auf die vor Schreck eingenommene Haltung, die wie eine Antizipation auf spätere Strategien wirkt, spielt der Titel an: „Ich stelle mich schlafend“.
Manchmal wünschte man, Ohde hätte mehr auf ihre Heldin vertraut. Vielleicht hängt der Rückgriff auf die Reflexion mit der Schwierigkeit zusammen, die emotionale Taubheit tatsächlich von innen zu erkunden – da ist eben nichts, was sich ausleuchten ließe. Eine neue Schärfe entwickelt dann der dramatische Schlussteil. Es folgt der Brand, und am Ende scheint Yase dann doch etwas von sich begriffen zu haben.
MAIKE ALBATH
Deniz Ohde:
Ich stelle mich schlafend. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2024.
252 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»... Ohde [gelingt es] erneut, eine Geschichte so plastisch zu schildern, dass man hier und da autofiktionale Einzelheiten wird erkennen wollen. So fälschlicherweise wie in Streulicht.« Judith von Sternburg Frankfurter Rundschau 20240725