Fritz Mertens hat zwei Menschen ermordet. Um die Frage nach dem Strafmaß zu beantworten, soll er seinen Lebenslauf niederschreiben. Sein Bericht ist das bewegende Dokument eines kollektiven Versagens: eine Kindheit, gekennzeichnet durch Krankheit und Misshandlung, die Suche nach Verständnis und die immer wieder darauf folgende Enttäuschung. Ein Buch über das sensible Terrain des kindlichen Gemüts, auf dem wir uns mit aller Vorsicht bewegen müssen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2018Neue Taschenbücher
Teufelszirkus
der Gewalt
Erstaunlich, dass es nur zwei Morde sind, die der junge Fritz nun im Gefängnis verbüßt, wo er viel Zeit hat, seine missratene Kindheit in hilfloser Sprache aufzuschreiben. Keine Bange: Für das Gericht waren die erlittenen Grausamkeiten nicht von Belang. Auch im digitalen Zeitalter dominieren die elterlichen Formen konkreter physischer und psychischer Grausamkeit, auch wenn andere, zumal sexuelle Gewaltdelikte gegen Kinder gerne davor geschoben werden und allerlei Gesetze ermöglichen, die Bürgerrechte einschränken, ohne den Kindern zu helfen. Der Junge hat alles penibel notiert, er sitzt, weggesperrt, vielleicht für immer. Was bleibt nach dieser Lektüre? Die Einsicht, wie viel Entsetzliches Eltern ihren Kindern antun können. Zumal gewalttätige boshafte Mütter, die in den Statistiken immer erst nach den prügelnden Vätern auffallen, weil sie für die gleichen Delikte milder bestraft werden, wenn überhaupt. Und so gebiert die elterliche Gewalt weiter kleine Monster, die mit noch mehr Gewalt in Zaum gehalten werden sollen. Einige verblöden, andere bringen sich oder andere um. Die Wählermehrheit schreit nach schärferen Gesetzen und bekommt sie. Ein Teufelszirkus.
HELMUT MAURÓ
Fritz Mertens: Ich wollte Liebe und lernte hassen! Mit einem Vorwort von Reinhart Lempp. Diogenes Verlag, Zürich 2018. 331 Seiten, 16 Euro.
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Teufelszirkus
der Gewalt
Erstaunlich, dass es nur zwei Morde sind, die der junge Fritz nun im Gefängnis verbüßt, wo er viel Zeit hat, seine missratene Kindheit in hilfloser Sprache aufzuschreiben. Keine Bange: Für das Gericht waren die erlittenen Grausamkeiten nicht von Belang. Auch im digitalen Zeitalter dominieren die elterlichen Formen konkreter physischer und psychischer Grausamkeit, auch wenn andere, zumal sexuelle Gewaltdelikte gegen Kinder gerne davor geschoben werden und allerlei Gesetze ermöglichen, die Bürgerrechte einschränken, ohne den Kindern zu helfen. Der Junge hat alles penibel notiert, er sitzt, weggesperrt, vielleicht für immer. Was bleibt nach dieser Lektüre? Die Einsicht, wie viel Entsetzliches Eltern ihren Kindern antun können. Zumal gewalttätige boshafte Mütter, die in den Statistiken immer erst nach den prügelnden Vätern auffallen, weil sie für die gleichen Delikte milder bestraft werden, wenn überhaupt. Und so gebiert die elterliche Gewalt weiter kleine Monster, die mit noch mehr Gewalt in Zaum gehalten werden sollen. Einige verblöden, andere bringen sich oder andere um. Die Wählermehrheit schreit nach schärferen Gesetzen und bekommt sie. Ein Teufelszirkus.
HELMUT MAURÓ
Fritz Mertens: Ich wollte Liebe und lernte hassen! Mit einem Vorwort von Reinhart Lempp. Diogenes Verlag, Zürich 2018. 331 Seiten, 16 Euro.
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