EIne sprachgewaltige Abrechnung mit gesellschaftlichen Zumutungen
Ava Farmehris "Im düstern Wald werden unsre Leiber hängen", erschienen im Oktober 2020 bei Edition Nautilus, ist sprachgewaltig, inhaltlich nicht leicht zu ertragen und voller Andeutungen, Symbole und Metaphern. Das beginnt schon
beim Titel, der Dantes Göttlicher Komödie entlehnt ist.
Erzählerin ist die zwanzigjährige Sheyda…mehrEIne sprachgewaltige Abrechnung mit gesellschaftlichen Zumutungen
Ava Farmehris "Im düstern Wald werden unsre Leiber hängen", erschienen im Oktober 2020 bei Edition Nautilus, ist sprachgewaltig, inhaltlich nicht leicht zu ertragen und voller Andeutungen, Symbole und Metaphern. Das beginnt schon beim Titel, der Dantes Göttlicher Komödie entlehnt ist.
Erzählerin ist die zwanzigjährige Sheyda Porroya, die im Todestrakt eines iranischen Gefängnisses auf ihre Hinrichtung wartet und ihre Lebensgeschichte rekapituliert. Von Anfang an ist dabei klar: Eine verlässliche Erzählerin ist sie nicht. Stetig vermischt sie scheinbar reale Ereignisse mit phantastischen, sodass man sich unweigerlich fragt, wie viele der geschilderten Dinge denn stimmen.
Wie der Titel vermuten lässt, handelt es sich thematisch um kein leichtes Buch. Es geht um die Frage nach Freiheit, Schuld und Selbstermächtigung in einem unmenschlichen Regime, um Religion und Familie, das Anpassen an Konventionen, das Scheitern daran und die Flucht davor - gerade als Frau im Iran. Immer wieder tritt der Tod in unterschiedlicher Gestalt in Sheydas Leben, und trotz ihrer scheinbar ausweglosen Situation ist sie widerständig. Immer wieder werden die Grenzen der Freiheit und individuelle Verständnisse von Freiheit und Schuld verhandelt und hinterfragt.
Die Leser*innen werden herausgefordert, nicht zuletzt durch den Charakter Sheydas, die eigentlich wahnsinnig unsympathische Verhaltensweisen an den Tag legt, aber trotzdem menschlich und sympathisch erscheint. Klare Kritik am Regime wechselt sich mit Vogelmetaphern ab, Sexualität wird offen thematisiert. Schnell wird deutlich, warum dieses Buch unter Pseudonym erschienen ist. Die eindrückliche Sprache, die vielen Bezüge zu altiranischen Mythen, zu Literatur und ungewöhnliche Vergleiche machen den Roman auch sprachlich zu einem herausragenden Buch.
Das Werk steht - sehr verdient - u.a. auf der Shortlist des Internationalen Literaturpreises und ist absolut lesenswert.