Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: Franz Kafka: Die Romane, Sprache: Deutsch, Abstract: "Je länger er hinsah, desto weniger erkannte er." Diese Beobachtung, die der Landvermesser K. über das Schloß anstellt, ist symptomatisch für das Verhältnis des Helden zu einer Instanz, der sein ganzes Streben gilt. Gleiches trifft auf Josef K. aus dem Proceß-Roman zu, den selbst kurz vor seinem Tod die Frage nicht losläßt, wo das hohe Gericht zu finden sei, zu dem er zeit seines Lebens nicht hat vordringen können. Franz Kafka entwirft in den 1914-1915 (Der Proceß) und 1922 (Das Schloß) entstandenen Romanen das Bild einer Welt, die im Wesentlichen von zwei Komponenten bestimmt ist: einem unscharf gezeichneten Zentrum, das die gesamte Lebenswirklichkeit durchdringt und beherrscht, sowie einem peripheren Raum, der sich um dieses Zentrum lagert und der die Dorfbewohner um K. bzw. die Menschen in Josef K.s nächster Umgebung in Kategorien einteilt: Je näher sie dem Zentrum sind, desto mächtiger und wertvoller erscheinen sie. Ich beginne mit einer Analyse der Ziele, welche die Protagonisten und ihren Schöpfer Franz Kafka antreiben, und werde dann auf die Charakteristika der entzogenen Zielinstanzen, Gericht und Schloß, eingehen. Es folgt eine Untersuchung der Rolle der ,Helfer', besonders der Frauen, denen Josef K. und K. begegnen. Abschließend möchte ich einige Deutungsmöglichkeiten für das Gericht und das Schloß erörtern, wobei ich Gerhard Neumanns Interpretation hervorheben werde, der in den Texten Kafkas eine Kluft zwischen Liebesordnung und Amtsordnung erkennt, die der Protagonist durch ein verbindendes Drittes vergeblich zu überbrücken versucht. Hierbei spielen Kafkas Erfahrungen mit Frauen einerseits und die innere Notwendigkeit des Schreibens andererseits eine wesentliche Rolle - ein Konflikt, der den Autor zeitlebens gleich einem inneren Prozeß begleitete. In diesem Zusammenhang gehe ich auch auf Detlef Kremers Proceß-Analyse ein, in der deutlich wird, wie stark in die Darstellung der Amtsordnung Metaphern der Schriftlichkeit einfließen und den Romanen so einen Subtext einschreiben, der vom Verfassen der Romane einerseits und von der (Un-) Möglichkeit hermeneutischen Verstehens andererseits, etwa durch die Schrift, handelt. Da die Instanzen entzogen bleiben, stellt sich schließlich die Frage, ob hier nicht ein zielgerichtetes Gehen ohne Ziel vorliegt, ein Irrweg also, für dessen Beschreitung eine unberechtigte, ja sogar sündige Hoffnung auf Erkenntnis verantwortlich gemacht werden muß.
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