Bevor ich mit der eigentlichen Rezension beginne, muss ich ein Stück weit in die Vergangenheit reisen und eine kleine Geschichte erzählen:
Im Jahr 2011 stieß ich durch Zufall auf das Buch „Der Märchenerzähler“. Ich kannte die Autorin bis dahin nicht und war dementsprechend unvoreingenommen. Schon
der Prolog zog mich so dermaßen in seinen Bann, dass ich nach kürzester Zeit das Buch ausgelesen…mehrBevor ich mit der eigentlichen Rezension beginne, muss ich ein Stück weit in die Vergangenheit reisen und eine kleine Geschichte erzählen:
Im Jahr 2011 stieß ich durch Zufall auf das Buch „Der Märchenerzähler“. Ich kannte die Autorin bis dahin nicht und war dementsprechend unvoreingenommen. Schon der Prolog zog mich so dermaßen in seinen Bann, dass ich nach kürzester Zeit das Buch ausgelesen hatte. Es hat mich so sehr bewegt und berührt, wie selten ein Buch zuvor. Ich musste es gleich 4x hintereinander lesen, bis all meine Fragen halbwegs beantwortet waren und bis ich mich mit dem Ende abfinden konnte.
Dennoch blieb die Person des Abel Tannatek immer präsent in meinem Kopf. Über all die Jahre...
Ich las später noch einige weitere Bücher der Autorin, da mich ihr poetischer Schreibstil und die Mischung aus Mystery und Realität wirklich ansprechen. Aber ich hatte Schwierigkeiten, diesen Geschichten eine richtige Chance zu geben, denn überall suchte ich nach Abel. So hatten es die Protagonisten der zahlreichen anderen Bücher schwer, mich vollends „abzuholen“. Alle weiteren Bücher standen also immer „Im Schatten des Märchenerzählers“.
Und dann bringt die Autorin tatsächlich eine Fortsetzung heraus, womit ich niemals gerechnet hätte. Und nennt diesen zweiten Band „Im Schatten des Märchenerzählers“. Was für ein Zufall...
Als ich vor einigen Tagen mit dem Buch "Im Schatten des Märchenerzählers" begann, war ich einerseits voller Vorfreude, andererseits voller Skepsis. Vorfreude vor Allem auf all die bekannten Figuren, die mir im ersten Teil schon sehr ans Herz gewachsen waren. Allen voran Anna und Micha, Linda und Magnus. Und natürlich der Knaake. Die Skepsis, die ich fühlte, lag vor allen Dingen daran, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie die Autorin an bestehende Fakten und endgültige Tatsachen des ersten Teiles anknüpfen wollte. Hier fehlte mir völlig die Vorstellungskraft...
Bis zum Ende des zwölften Kapitels war ich sogar noch der festen Überzeugung, dass es nicht zwingend einer Fortsetzung des "Märchenerzählers" bedurft hätte. Auch wenn ich die Geschichte wieder durchaus gut geschrieben, sprachlich genial und clever durchdacht fand. Aber ich verstand einfach nicht, warum die Autorin hier noch einmal ansetzen wollte. Um an alte Erfolge anzuknüpfen vielleicht? Meistens geht so ein Versuch ja schief und die Fortsetzung kann dem Original selten das Wasser reichen. Es war also bis dahin ganz lesenswert, aber nicht unbedingt erforderlich. Und dann kam Kapitel 13 mit all seiner Hässlichkeit und seinem Schmerz. Alles in mir schrie: Warum Antonia? Warum tust Du uns das an? Warum lässt Du uns so leiden? Ich fühlte mich innerlich ganz wund und habe im Stillen furchtbar gelitten. Beim Lesen von Kapitel 15 brachen dann alle Dämme und die ganze Wahrheit brach über mich rein wie eine gigantische Flutwelle. All der Schmerz, die Wut, die Ohnmacht... Antonia Michaelis schafft es einfach, dass man als Leser tatsächlich Teil der Geschichte ist. Man ist mittendrin, statt nur dabei und kann somit all das fühlen, was auch die Protagonisten durchleben. Und so konnte ich dann endlich verstehen, warum es so richtig und wichtig war, dieses Buch zu schreiben. Denn mit Abels Freitod im ersten Band waren noch längst nicht alle Puzzleteile zusammengesetzt und auch nicht alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.
Mit dem von der Autorin erdachten Ende der Geschichte kann ich sehr gut leben. Es erscheint mir als der einzig wahre und richtige Schluss einer solchen Erzählung. Und ich gehe durchaus zufrieden zurück in den Alltag - mit dem guten Gefühl, dass jetzt wirklich alles gesagt ist und ich alles verstanden habe.
Und wer weiß, vielleicht fällt es mir in Zukunft auch leichter, all den anderen Protagonisten aus ihren vielen weiteren Büchern unvoreingenommen entgegenzutreten. Denn eines ist vollkommen klar: Antonia Michaelis ist eine Meisterin ihrer Zunft. Sie ist meine absolute Lieblingsautorin und schafft es wie keine Zweite