Steinsdóttirs Geschichte ließ mich wanken - wanken zwischen Unsicherheit und Tatendrang, zwischen Neugier und Desinteresse. Noch nie habe ich mich bei einem Roman so hin- und hergerissen gefühlt. Pálina hatte bereits nach wenigen Zeilen mein Mitgefühl für ihre Situation. Die teils unzumutbaren
Lebensbedingungen auf die sie während ihres Lebens immer wieder stoßen muss, schenken ihr kaum Freiraum.…mehrSteinsdóttirs Geschichte ließ mich wanken - wanken zwischen Unsicherheit und Tatendrang, zwischen Neugier und Desinteresse. Noch nie habe ich mich bei einem Roman so hin- und hergerissen gefühlt. Pálina hatte bereits nach wenigen Zeilen mein Mitgefühl für ihre Situation. Die teils unzumutbaren Lebensbedingungen auf die sie während ihres Lebens immer wieder stoßen muss, schenken ihr kaum Freiraum. Sie muss sich stetig den Gesetzen des Vaters unterordnen, muss funktionieren; lernen, ihre Träume hintenan zu stellen und den für sie vorgesehenen Weg zu akzeptieren. Ihre Neigung, sich selbst und den Bezug zum realen Leben zu verlieren, macht sich dabei schon sehr früh bemerkbar.
Die Entwicklung vom jungen Mädchen zur erwachsenen Frau mit eigenen Kindern und einem Mann an ihrer Seite, für den sie nicht die Liebe aufbringen kann, die notwendig wäre, ist teilweise schockierend. Manchmal raubte sie mir die Luft zum Atmen. Es schien, als hing ein Gefühl von Schwermütigkeit und Verzweiflung an Steinsdóttirs Zeilen. Wenig später widerum sprüht Pálina voller Lebensfreude und Energie und Steinsdóttirs Zeilen beginnen zu tanzen ' voller Poesie und Leichtigkeit.
Pálinas ambivalente Beziehung zu ihrem Vater, die nicht nur einen großen Teil in der Geschichte einnimmt, sondern auch primär Einfluss auf Pálinas Leben und ihre Zukunft hat, ist sehr interessant mitanzusehen. An guten Tagen ist Pálina sein Engelchen und genießt seine ungeteilte Liebe und Aufmerksamkeit. An schlechten Tagen wiederum verletzt er sie mit Ignoranz und Härte. Sein stetiges Anbandeln mit den wechselnden Mägden am Hof der Familie Jónsdóttir bricht Pálina und ihrer Mutter fast das Herz. Seine ablehnende Haltung gegenüber ihrer Beziehung zu Sveinn hinterlässt wohl die größte Wunde in ihrem Herzen. Eine Wunde, die niemals vollständig zu heilen scheint.
Anfangs fiel es mir sehr schwer, Steinsdóttirs Schreibstil zu folgen. Er erschien mir abgehakt und unausgewogen. Sie warf mir kleine Bröckchen zu mit denen ich nicht umzugehen wusste. Vielleicht sollen sie Pálinas anfangs kindliches und naives Wesen widerspiegeln, vielleicht gehören sie aber auch zu Steindóttirs Stil. Da die Geschichte aus Pálinas Augen erzählt wird, könnte die Vorgehensweise beabsichtigt sein. Denn mit der Zeit veränderte sich nicht nur Steindóttirs Stil sondern auch die miteinhergehenden Gefühle meinerseits. Meine anfängliche Unsicherheit und fast schon beginnendes Desinteresse entwickelte sich zu Neugierde. Die Geschichte ließ mich plötzlich nicht mehr los, verfolgte mich in meinem Kopf, ließ meine Gedanken Achterbahn fahren.
Neben Pálinas Lebensgeschichte lässt Steindóttir uns auch am Leben der einzelnen Geschwister teilhaben. Zeigt, wie dicht die persönlichen Lebensgeschichten miteinander verwoben sind, wie wichtig die Geschwister füreinander werden, welche Rolle sie füreinander spielen. Das alles lässt diesen Roman zu einem einzigartigen Familiendrama werden, das sich vor einer lebendig beschriebenen Kulisse Islands abspielt. Aus diesem Grund schenke ich Steindóttir 4 von 5 verzweifelten Flügelschlägen!