This book by Roberto Esposito - a leading Italian political philosopher - is a highly original exploration of the relationship between human bodies and societies. The original function of law, even before it was codified, was to preserve peaceful cohabitation between people who were exposed to the risk of destructive conflict. Just as the human body's immune system protects the organism from deadly incursions by viruses and other threats, law also ensures the survival of the community in a life-threatening situation. It protects and prolongs life. But the function of law as a form of immunization points to a more disturbing consideration. Like the individual body, the collective body can be immunized from the perceived danger only by allowing a little of what threatens it to enter its protective boundaries. This means that in order to escape the clutches of death, life is forced to incorporate within itself the lethal principle. Starting from this reflection on the nature of immunization, Esposito offers a wide-ranging analysis of contemporary biopolitics. Never more than at present has the demand for immunization come to characterize all aspects of our existence. The more we feel at risk of being infiltrated and infected by foreign elements, the more the life of the individual and society closes off within its protective boundaries, forcing us to choose between a self-destructive outcome and a more radical alternative based on a new conception of community.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2021Immunisierte Gemeinschaften
Roberto Esposito zeigt, was die Philosophie zum Verständnis unserer Pandemie-Welt leisten kann
Virus-Varianten und steigende Inzidenzen sorgen ja gerade einmal wieder für Ernüchterung. Es gibt aber leider in der ganzen Sache wohl noch ganz andere, weniger offensichtliche Gründe für Ernüchterung. Wegen der grundstürzenderen Einsicht nämlich, dass die Technik des Impfens nur das Geheimnis eines Regierens in sich trägt, das unablässig zur Abschottung tendiert und die Ausübung von Freiheit reglementiert; ein Regieren, das Gemeinschaften aus individuellen Rechtssubjekten formt und in diesen das Leben zugleich schützt und negiert. Diese Einsicht in die Funktionsweisen der Biopolitik, also einer durch und durch modernen Politik, deren Sorge dem menschlichen Leben als biologischer Realität gilt, ist von dem italienischen Philosophen Roberto Esposito mit seinem Werk „Immunitas“ eröffnet worden. Dessen diesjährige Neuauflage kommt insofern zur rechten Zeit.
Nun haben allerdings am Beginn der Corona-Krise die Einlassungen Giorgio Agambens, eines weiteren Erkunders der Biopolitik, die philosophische Großtheorie in den Augen mancher nachhaltig diskreditiert. Agamben erklärte Ende Februar 2020 die sich ausbreitende Epidemie zu einer „Erfindung“, die allein dem Regieren im Ausnahmezustand ein ungekanntes Ausgreifen erlaube, wofür schnell der Umstand verantwortlich gemacht wurde, dass er dieses Ausgreifen schon seit zwei Jahrzehnten theoretisch postuliert hatte.
Nachdem Esposito, der an der Scuola Normale Superiore in Pisa lehrt, sich in öffentlichen Interventionen schon indirekt gegen Agambens Alarmismus gewandt hatte, zieht er in der Vorbemerkung zur Neuausgabe den Begriff des „Notstands“ nun explizit der „Ausnahme“ vor, weil er sich auf eine Notwendigkeit – die Bekämpfung des Virus – beziehe. Die Gefahren, die gerade den Demokratien dennoch durch das pandemische Notstandsregieren erwachse, versucht Esposito differenzierter zu erfassen. Und in der Tat zeigt sein Buch, dass die philosophische Großtheorie weiterhin sogar noch weit mehr als das leisten kann.
Entscheidend dafür sind seine beiden Leitkonzepte „communitas“ und „immunitas“, die ein Jahr nach Erscheinen der deutschen Erstausgabe in dieser Zeitung schon als eingängiger „Interpretationsschlüssel der Post-9/11-Ära“ (SZ vom 20.09.2005) Anerkennung gefunden haben. Dabei handelt es sich weniger um einen dualistischen Gegensatz, als um eine verkeilte Dialektik, was Esposito etymologisch begründet. Beide Konzepte wurzeln im lateinischen munus, das das Amt, die Last und die Pflicht (auch im Sinne einer rückzuerstattenden Gabe) meint. Die „communitas“ ist der Sinnhorizont, in dem eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit bejaht wird. Sie wäre mit dem deutschen „Gemeinschaft“ nur unzureichend übersetzt, da sie für Esposito gerade nicht das Partikulare, sondern das Gemeinsame meint. Deswegen lädt er die „communitas“ auch immer wieder emphatisch mit der ganzen Intensität des Lebens auf, bis sie sich jener ekstatischen Auflösung annähert, von der uns allen eine nostalgische Ahnung gegeben ist, ohne dass wir noch wüssten, ob wir sie je erlebt, ob wir uns ihrer je zur Gänze hingegeben haben.
Die „immunitas“ wiederum hebt sich vom Kommunen verneinend ab, insofern sie schon im römischen Recht die Befreiung von bestimmten Ämtern und Tributpflichten bezeichnete, die die Allgemeinheit einfordert. Letztlich entsteht für Esposito jegliche Ordnung, die auf individuellen Rechten basiert, und auch jegliche abgegrenzte, privative Gemeinschaft durch Prozesse der Immunisierung, da sie stets das Eigene vor den Ansprüchen und auch den Gefahren des Gemeinsamen schützen. Der Erhalt des Lebens hat Vorrang vor seiner absoluten Intensität und wird stets durch den gleichen Mechanismus ins Werk gesetzt: Man verabreicht ihm – und das ist das Geheimnis, das auch der Technik des Impfens innewohnt – seine eigene Negation in erträglichen Dosen.
Esposito verfolgt die geschichtliche Ausweitung des Bedeutungshorizonts der „immunitas“ in verschiedenen Wissensfeldern über zwei Vektoren, einen juristisch-politischen und einen vitalistischen. Und zugleicht treibt er diese Ausweitung auch selbst voran, da er sie auf eine Regierungsweise zulaufen lässt, die die Moderne selbst definiert: die Biopolitik. Vom römischen Recht zu Hobbes’ „Leviathan“, der die Gewalt des Naturzustands in kontrollierter Form in sich aufnimmt und zugleich den politischen Körper schlechthin repräsentiert, über Theologie und Anthropologie bis hin zur Medizin.
Deren juristisch-politisch vorgeprägter Immunitätsbegriff – ein individueller Schutz vor in der Bevölkerung grassierenden Krankheiten, der zu einem erfolgreichen Abwehrkampf im Innern des Organismus gegen fremde Erreger führt – wurde dann nicht nur wieder in die Politik rückübersetzt: Zugespitzt in der nationalsozialistischen Sorge um den deutschen Volkskörper, aber noch immer spürbar in der gegen Terroristen, Computerviren und Migranten gerichteten Sicherheitspolitik seit 9/11. Esposito bemerkt auch, dass das immunologische Wissen selbst auf eine Überwindung seiner traditionellen Self/Non-Self-Unterscheidung zudrängt. Das Immunsystem wird längst in einer offenen Austausch- und Kooperationsbeziehung mit der Umwelt verortet. Und in Schwangerschaft nimmt es das Fremde vollends an und toleriert es.
Zwar werden den Argumentationsgängen Espositos weiterhin nur Liebhaber der kontinentalen Philosophie durchgehend folgen können (und vielleicht auch wollen). Dennoch erweist das Konzept der „immunitas“ – und der kommunitäre Hintergrund, vor dem es sich abzeichnet – in der aktuellen Situation seine ganze Erkenntniskraft. In der neuen Vorbemerkung hält Esposito fest, dass durch den Druck des Coronavirus „immunitas“ und „communitas“ erstmals völlig deckungsgleich geworden seien: Kein Teil der Welt könne sich retten, ohne dass nicht alle anderen gerettet sind; der „globale Schutz von allen und eines jeden Einzelnen“ sei „der kategorische Imperativ unserer Zeit“.
Man könnte sagen, die Pflicht (und auch die Opfer), die wir bislang gegenüber der Allgemeinheit durch die Selbstisolierung erbracht haben, muss nun endlich in einer effektiven Verteilung der Impfstoffe seine Entsprechung finden.
Nun wird kaum jemand diesem ethischen Grundsatz widersprechen. Aber, wie seit Anbeginn der Pandemie, als sich die Nationen ansatzweise voreinander abschotteten, zerfällt auch bei der Impfstoffverteilung die Welt weiterhin in eine Unzahl mehr oder weniger immunisierter Gemeinschaften. Zur treibenden Kraft dieser Dynamik – der Ökonomie – hat Esposito leider anders als der stilprägende Analytiker der Biopolitik, Michel Foucault, wenig zu sagen. Genauso wie die Ökonomie stets einen Ausgleich zwischen Abschottung und Offenheit – zumal im Seuchenfall – diktiert, sind es ökonomische Ungleichheit, geheime Verträge und Patenrechte, die Verfügbarkeit und Verteilung des Impfstoffs bestimmen.
Bei der Pandemiebekämpfung wird die globale „communitas“ – und auch das lässt Espositos Werk erkennen, ohne dass er es selbst benennt – noch durch eine weitere Splitter-Gemeinschaft außer Reichweite gehalten, die sich durch egomanische Negierung jeglicher Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit und, paradoxerweise, durch Impfskepsis immunisiert. Als sich alle nach ekstatischen Momenten sehnten, tanzten die Querdenker nur eine lächerlich traurige Ansteckungspolonaise. Da es allein hemmungslose Maßnahmenkritik ist, die sie zusammenhält, wäre ihnen Espositos Forderung vielleicht zu wenig, die Notstandspolitik müsse räumlich und zeitlich begrenzt werden, sonst drohe sie, wie eine Autoimmunkrankheit, das demokratische Leben anzugreifen. Und doch erweist sich die Größe seines Denkens auch daran, dass es die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in ihren entscheidenden Dimensionen umreißt.
GEORG SIMMERL
Der Erhalt des Lebens
hat Vorrang vor seiner
absoluten Intensität
Roberto Esposito: Immunitas. Schutz und Negation des Lebens. Aus dem Italienischen von Sabine Schulz. Diaphanes Verlag, Berlin 2021. 256 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Roberto Esposito zeigt, was die Philosophie zum Verständnis unserer Pandemie-Welt leisten kann
Virus-Varianten und steigende Inzidenzen sorgen ja gerade einmal wieder für Ernüchterung. Es gibt aber leider in der ganzen Sache wohl noch ganz andere, weniger offensichtliche Gründe für Ernüchterung. Wegen der grundstürzenderen Einsicht nämlich, dass die Technik des Impfens nur das Geheimnis eines Regierens in sich trägt, das unablässig zur Abschottung tendiert und die Ausübung von Freiheit reglementiert; ein Regieren, das Gemeinschaften aus individuellen Rechtssubjekten formt und in diesen das Leben zugleich schützt und negiert. Diese Einsicht in die Funktionsweisen der Biopolitik, also einer durch und durch modernen Politik, deren Sorge dem menschlichen Leben als biologischer Realität gilt, ist von dem italienischen Philosophen Roberto Esposito mit seinem Werk „Immunitas“ eröffnet worden. Dessen diesjährige Neuauflage kommt insofern zur rechten Zeit.
Nun haben allerdings am Beginn der Corona-Krise die Einlassungen Giorgio Agambens, eines weiteren Erkunders der Biopolitik, die philosophische Großtheorie in den Augen mancher nachhaltig diskreditiert. Agamben erklärte Ende Februar 2020 die sich ausbreitende Epidemie zu einer „Erfindung“, die allein dem Regieren im Ausnahmezustand ein ungekanntes Ausgreifen erlaube, wofür schnell der Umstand verantwortlich gemacht wurde, dass er dieses Ausgreifen schon seit zwei Jahrzehnten theoretisch postuliert hatte.
Nachdem Esposito, der an der Scuola Normale Superiore in Pisa lehrt, sich in öffentlichen Interventionen schon indirekt gegen Agambens Alarmismus gewandt hatte, zieht er in der Vorbemerkung zur Neuausgabe den Begriff des „Notstands“ nun explizit der „Ausnahme“ vor, weil er sich auf eine Notwendigkeit – die Bekämpfung des Virus – beziehe. Die Gefahren, die gerade den Demokratien dennoch durch das pandemische Notstandsregieren erwachse, versucht Esposito differenzierter zu erfassen. Und in der Tat zeigt sein Buch, dass die philosophische Großtheorie weiterhin sogar noch weit mehr als das leisten kann.
Entscheidend dafür sind seine beiden Leitkonzepte „communitas“ und „immunitas“, die ein Jahr nach Erscheinen der deutschen Erstausgabe in dieser Zeitung schon als eingängiger „Interpretationsschlüssel der Post-9/11-Ära“ (SZ vom 20.09.2005) Anerkennung gefunden haben. Dabei handelt es sich weniger um einen dualistischen Gegensatz, als um eine verkeilte Dialektik, was Esposito etymologisch begründet. Beide Konzepte wurzeln im lateinischen munus, das das Amt, die Last und die Pflicht (auch im Sinne einer rückzuerstattenden Gabe) meint. Die „communitas“ ist der Sinnhorizont, in dem eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit bejaht wird. Sie wäre mit dem deutschen „Gemeinschaft“ nur unzureichend übersetzt, da sie für Esposito gerade nicht das Partikulare, sondern das Gemeinsame meint. Deswegen lädt er die „communitas“ auch immer wieder emphatisch mit der ganzen Intensität des Lebens auf, bis sie sich jener ekstatischen Auflösung annähert, von der uns allen eine nostalgische Ahnung gegeben ist, ohne dass wir noch wüssten, ob wir sie je erlebt, ob wir uns ihrer je zur Gänze hingegeben haben.
Die „immunitas“ wiederum hebt sich vom Kommunen verneinend ab, insofern sie schon im römischen Recht die Befreiung von bestimmten Ämtern und Tributpflichten bezeichnete, die die Allgemeinheit einfordert. Letztlich entsteht für Esposito jegliche Ordnung, die auf individuellen Rechten basiert, und auch jegliche abgegrenzte, privative Gemeinschaft durch Prozesse der Immunisierung, da sie stets das Eigene vor den Ansprüchen und auch den Gefahren des Gemeinsamen schützen. Der Erhalt des Lebens hat Vorrang vor seiner absoluten Intensität und wird stets durch den gleichen Mechanismus ins Werk gesetzt: Man verabreicht ihm – und das ist das Geheimnis, das auch der Technik des Impfens innewohnt – seine eigene Negation in erträglichen Dosen.
Esposito verfolgt die geschichtliche Ausweitung des Bedeutungshorizonts der „immunitas“ in verschiedenen Wissensfeldern über zwei Vektoren, einen juristisch-politischen und einen vitalistischen. Und zugleicht treibt er diese Ausweitung auch selbst voran, da er sie auf eine Regierungsweise zulaufen lässt, die die Moderne selbst definiert: die Biopolitik. Vom römischen Recht zu Hobbes’ „Leviathan“, der die Gewalt des Naturzustands in kontrollierter Form in sich aufnimmt und zugleich den politischen Körper schlechthin repräsentiert, über Theologie und Anthropologie bis hin zur Medizin.
Deren juristisch-politisch vorgeprägter Immunitätsbegriff – ein individueller Schutz vor in der Bevölkerung grassierenden Krankheiten, der zu einem erfolgreichen Abwehrkampf im Innern des Organismus gegen fremde Erreger führt – wurde dann nicht nur wieder in die Politik rückübersetzt: Zugespitzt in der nationalsozialistischen Sorge um den deutschen Volkskörper, aber noch immer spürbar in der gegen Terroristen, Computerviren und Migranten gerichteten Sicherheitspolitik seit 9/11. Esposito bemerkt auch, dass das immunologische Wissen selbst auf eine Überwindung seiner traditionellen Self/Non-Self-Unterscheidung zudrängt. Das Immunsystem wird längst in einer offenen Austausch- und Kooperationsbeziehung mit der Umwelt verortet. Und in Schwangerschaft nimmt es das Fremde vollends an und toleriert es.
Zwar werden den Argumentationsgängen Espositos weiterhin nur Liebhaber der kontinentalen Philosophie durchgehend folgen können (und vielleicht auch wollen). Dennoch erweist das Konzept der „immunitas“ – und der kommunitäre Hintergrund, vor dem es sich abzeichnet – in der aktuellen Situation seine ganze Erkenntniskraft. In der neuen Vorbemerkung hält Esposito fest, dass durch den Druck des Coronavirus „immunitas“ und „communitas“ erstmals völlig deckungsgleich geworden seien: Kein Teil der Welt könne sich retten, ohne dass nicht alle anderen gerettet sind; der „globale Schutz von allen und eines jeden Einzelnen“ sei „der kategorische Imperativ unserer Zeit“.
Man könnte sagen, die Pflicht (und auch die Opfer), die wir bislang gegenüber der Allgemeinheit durch die Selbstisolierung erbracht haben, muss nun endlich in einer effektiven Verteilung der Impfstoffe seine Entsprechung finden.
Nun wird kaum jemand diesem ethischen Grundsatz widersprechen. Aber, wie seit Anbeginn der Pandemie, als sich die Nationen ansatzweise voreinander abschotteten, zerfällt auch bei der Impfstoffverteilung die Welt weiterhin in eine Unzahl mehr oder weniger immunisierter Gemeinschaften. Zur treibenden Kraft dieser Dynamik – der Ökonomie – hat Esposito leider anders als der stilprägende Analytiker der Biopolitik, Michel Foucault, wenig zu sagen. Genauso wie die Ökonomie stets einen Ausgleich zwischen Abschottung und Offenheit – zumal im Seuchenfall – diktiert, sind es ökonomische Ungleichheit, geheime Verträge und Patenrechte, die Verfügbarkeit und Verteilung des Impfstoffs bestimmen.
Bei der Pandemiebekämpfung wird die globale „communitas“ – und auch das lässt Espositos Werk erkennen, ohne dass er es selbst benennt – noch durch eine weitere Splitter-Gemeinschaft außer Reichweite gehalten, die sich durch egomanische Negierung jeglicher Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit und, paradoxerweise, durch Impfskepsis immunisiert. Als sich alle nach ekstatischen Momenten sehnten, tanzten die Querdenker nur eine lächerlich traurige Ansteckungspolonaise. Da es allein hemmungslose Maßnahmenkritik ist, die sie zusammenhält, wäre ihnen Espositos Forderung vielleicht zu wenig, die Notstandspolitik müsse räumlich und zeitlich begrenzt werden, sonst drohe sie, wie eine Autoimmunkrankheit, das demokratische Leben anzugreifen. Und doch erweist sich die Größe seines Denkens auch daran, dass es die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in ihren entscheidenden Dimensionen umreißt.
GEORG SIMMERL
Der Erhalt des Lebens
hat Vorrang vor seiner
absoluten Intensität
Roberto Esposito: Immunitas. Schutz und Negation des Lebens. Aus dem Italienischen von Sabine Schulz. Diaphanes Verlag, Berlin 2021. 256 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de