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  • Format: ePub

Auszug: 'Wir hatten nach dem Abendessen in einem befreundeten Hause bei Bowle und Cigarre bis in die späte Nacht hinein geplaudert, zuletzt über die Entlarvung eines spiritistischen Gauklers, die gerade vor wenigen Tagen gelungen war und bei Gläubigen und Spöttern großen Lärm gemacht hatte. An den Bericht über den Vorgang - Einer aus unserem Kreise war zugegen gewesen - hatte sich ein endloses Gespräch über das Für und Wider jener rätselhaften Erscheinungen geknüpft, die auf der helldunklen Grenze zwischen Seelen- und Nervenleben stehen und selbst von der hochmütigsten Wissenschaft nicht…mehr

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Produktbeschreibung
Auszug: 'Wir hatten nach dem Abendessen in einem befreundeten Hause bei Bowle und Cigarre bis in die späte Nacht hinein geplaudert, zuletzt über die Entlarvung eines spiritistischen Gauklers, die gerade vor wenigen Tagen gelungen war und bei Gläubigen und Spöttern großen Lärm gemacht hatte. An den Bericht über den Vorgang - Einer aus unserem Kreise war zugegen gewesen - hatte sich ein endloses Gespräch über das Für und Wider jener rätselhaften Erscheinungen geknüpft, die auf der helldunklen Grenze zwischen Seelen- und Nervenleben stehen und selbst von der hochmütigsten Wissenschaft nicht länger mit Schweigen und Achselzucken abzufertigen sind. In das lebhafte Gewirre der widerstreitenden Meinungen hinein erklang plötzlich der tiefe Ton der alten Standuhr, die Mitternachtsstunde ankündigend. Als der letzte der zwölf harten, langsamen Schläge verhallt war und eine kleine Stille entstand, hörten wir aus dem Sofawinkel heraus die helle Stimme der jungen Schwester der Hausfrau, die in ihrer drollig trockenen Tonart ausrief: So! die Geisterstunde wäre nun glücklich angebrochen. Ich erlaube mir den Vorschlag zu machen, dass jetzt die Debatte über Suggestion, Telepathie, Autohypnose, und wie der konfuse Spuk sonst noch heißen mag, geschlossen wird und wir uns endlich mit etwas Soliderem beschäftigen, ich meine, mit echten und rechten Gespenstergeschichten, wie sie zur Geisterstunde passen. Ich glaube zwar an die tanzenden Nonnen in »Robert der Teufel« so wenig wie an den fliegenden Holländer, trotzdem aber kann ich mich eines angenehmen Gruselns nicht erwehren, wenn sie gut gespielt und gesungen werden, und nichts hab' ich lieber, als wenn mir - in guter Gesellschaft - die Haut ein bischen schaudert und das Haar zu Berge steht. Gerade dass man weiß, es ist Alles Unsinn, und doch hat es diesen wunderlichen Effect, ist das Hübsche daran, wie man es ja auch bei allem Poetischen erfährt, das uns mit fortreißt, obwohl wir wissen, es ist ein Spuk der Fantasie. Verzeihen Sie, Herr Doktor, wandte sie sich lächelnd zu mir, ich schwatze da sehr unbescheiden über Dinge, die Sie besser verstehen. Aber warum sind Sie Alle, nachdem die Uhr Zwölf geschlagen, so wie auf Verabredung verstummt? Der Erste, der den Mund öffnet, wenn ein Engel durchs Zimmer geflogen ist, sagt bekanntlich immer etwas Dummes.

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Autorenporträt
Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen - Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.