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Seit Jahrzehnten stellte sich Karl-May-Lesern, -Sammlern und -Forschern immer wieder die Frage, ob, wann und wohin der berühmte Schriftsteller tatsächlich gereist ist. Dieser Band gibt umfassende Auskunft über Mays wirkliche Weltreisen und einige nicht minder spannende, wenn auch ins Reich der Phantasie gehörige Legenden. Natürlich kommt Karl May selbst zu Wort: Im Tagebuch seiner großen Orientreise von 1899/1900, ergänzt durch Briefe, Gedichte und Entwürfe, die in dieser Zeit entstanden. Der tiefe Eindruck der orientalischen Welt auf Person und Schaffen wird offensichtlich. Die bekannten…mehr

Produktbeschreibung
Seit Jahrzehnten stellte sich Karl-May-Lesern, -Sammlern und -Forschern immer wieder die Frage, ob, wann und wohin der berühmte Schriftsteller tatsächlich gereist ist. Dieser Band gibt umfassende Auskunft über Mays wirkliche Weltreisen und einige nicht minder spannende, wenn auch ins Reich der Phantasie gehörige Legenden. Natürlich kommt Karl May selbst zu Wort: Im Tagebuch seiner großen Orientreise von 1899/1900, ergänzt durch Briefe, Gedichte und Entwürfe, die in dieser Zeit entstanden. Der tiefe Eindruck der orientalischen Welt auf Person und Schaffen wird offensichtlich. Die bekannten May-Kenner Ekkehard Bartsch und Hans Wollschläger kommentieren die Notizen des Autors sachkundig und detailreich. Der gleichermaßen versierte Experte Dieter Sudhoff widmet sich in einer aufschlußreichen Dokumentation der USA-Reise von 1908 und ihrer literarischen Verarbeitung im Roman "Winnetous Erben". Das Schürfen in vielen Dokumenten und Briefen förderte eine kleine Sensation zutage: Das Geheimnis der 'fehlenden' vier Wochen am Ende der Amerika-Tour ist gelöst. Lange rätselten May-Biografen, was in jenem Monat geschah und wo der Schriftsteller ihn verbrachte. Dies Buch gibt die überraschende Antwort! Von vielen Spekulationen umgeben waren auch die angeblichen Frühreisen des Erzählers. Ein Essay von Amira Sarkiss stellt die kuriosesten Theorien sowie ihre teilweise erbitterten Verfechter vor und faßt den letzten Stand der realen Erkenntnisse zusammen. Auch wenn die Wahrheit da und dort etwas weniger romantisch ist, als viele glauben wollten - um so amüsanter liest sich dieser Bericht zu einem ganz eigenwilligen Nebenzweig der May-Forschung. Den Abschluß bildet das kurze Nachwort "Detektive" des Mitherausgebers Lothar Schmid. Zahlreiche Abbildungen und Faksimiles von Reisedokumenten und anderen Zeitzeugnissen ergänzen den Band in einmaliger Weise.
Autorenporträt
Karl May (1842-1912) ist mit einer Auflage von 100 Mio. Exemplaren - davon allein 80 Mio. aus dem Karl-May-Verlag (inkl. Lizenzen) - der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache! Seine Werke wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Die fremdsprachige Auflage weltweit wird auf weitere 100 Mio. Bände geschätzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2000

Auf großer Fahrt
Lothar und Bernhard Schmid reisen mit Karl May

In seiner Jugendzeit ist der spätere Reiseschriftsteller Karl May nach Amerika gefahren. Das war ein Städtchen in Sachsen, nicht weit von Hohenstein-Ernstthal, und es hatte eine kleine Bahnstation. Eine Fotografie mit dem Ortsschild vor einer dunklen Tunneleinfahrt ist die erste Abbildung in diesem Buch mit dem leicht augenzwinkernden Titel "Karl Mays Weltreisen", das den "Karl-May-Atlas" (siehe F.A.Z. vom 25. September 1997) auf willkommene Weise ergänzt. Zu seinen Lebzeiten wäre das eine durchaus hämische Illustrationsidee gewesen. Seht her, hätte sie gesagt, dieser Provinzbahnhof ist die Wahrheit über den Scharlatan, von dem wir glaubten, er sei als Old Shatterhand im Wilden Westen und als Kara ben Nemsi im Orient gewesen! Seht dieses kümmerliche Ortsschild, es hält seine Schande fest!

Nun war Karl May, der in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts seinen Ruhm als "Reiseschriftsteller" Roman zu Roman gemehrt hatte, nicht ganz unschuldig daran, dass Teile des Publikums und der Kritik ihm im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert die Gefolgschaft aufkündigten. Allzu eng hatte er das Ich, das in seinen Büchern von Abenteuer zu Abenteuer zog, an sein empirisches Ich gebunden. Allzu nonchalant war er seinen Lesern im Kostüm des Orientreisenden oder Trappers entgegengekommen. So konnte die Entdeckung, dass er die Reisen, von denen er erzählte, "in Wirklichkeit" gar nicht unternommen hatte, leicht zur Enttäuschung werden. Eifernde Positivisten machten sich daran, ihm vorzurechnen, wo er überall nicht gewesen war. Ebenso positivistische Apologeten kamen ihm, teilweise postum, zu Hilfe und konstruierten auf dürftigem Materialgrund Reisen des jungen Karl May ins wirkliche Amerika. Aber davon blieb bei näherer Betrachtung nichts übrig. Seine Romane bleiben Reisen im Kopf, freilich unter Heranziehung von verlässlichem Kartenmaterial und zahlreichen Lexika. In einem knappen Essay erläutert Hans Wollschläger, dass der vermeintliche Skandal der nicht unternommenen Reisen gerade nicht einen Mangel, sondern die Stärke des Autors Karl May aufdeckt.

Statt, wie es der Volksmund will, eine Reise zu machen und davon zu erzählen, hat Karl May zunächst erzählt und ist erst dann gereist: ab März 1899 für sechzehn Monate in den Orient, im Jahre 1908 für knapp zwei Monate nach Nordamerika. Das waren seine einzigen außereuropäischen Reisen. Die Dokumente dazu, einschließlich der erhaltenen Reisetagebücher, findet man nun von kundiger Hand zusammengestellt und kommentiert. Wer mag, kann die Spuren verfolgen, die von den beiden Reisen ins Spätwerk führen, etwa zum "Winnetou IV" (1910), der später den Titel "Winnetous Erben" erhielt, oder zum zweiten Band von "Ardistan und Dschinnistan" (1909). Aber nicht diese philologische Spurenlese ist der eigentliche Reiz beim Blättern in diesem reich illustrierten Band. Sondern der frappierende Kontrast zwischen dem "Ich" der Romane Karl Mays und dem unauffälligen, in seinen Reiserouten und Wahrnehmungen so überaus konventionellen "Ich" dieser wirklichen Reisen. So verschieden sie sind, so eng gehören diese beiden zusammen: der Held der Kolportage und der Fernreisende im noch jungen Zeitalter des Massentourismus. In den wirklichen Reisen Karl Mays leben sie, aufeinander verweisend, in friedlicher Koexistenz nebeneinander.

Es wäre Unsinn, den Kontrast zwischen beiden mildern zu wollen. Das meinte vor allem Klara May, die zweite Frau des Schriftstellers, tun zu müssen, wenn sie in ihren Erinnerungen hier einen Abstecher erfand und dort eine kleine Dramatisierung einbaute, um in den konventionellen Reisenden Züge des Abenteurers hineinzuretouchieren. Zum Glück entgeht den aufmerksamen Herausgebern keine dieser kleinen Mogeleien. En detail zeigen sie, wie treu Karl May auf beiden Reisen den Empfehlungen des Baedekers folgte. Unmissverständlich betonen sie das immer weitere Auseinandertreten des Abenteurers und des Touristen: War die Orientreise von eineinhalb Jahren noch ein Großprojekt, auf dem sich Karl May der Welt Kara ben Nemsis vergewissern wollte, so war die Reise nach Nordamerika kaum mehr als eine Stippvisite weit diesseits der Mythologie des Wilden Westens, an deren Entfaltung die Romane um Old Shatterhand so großen Anteil gehabt hatten. Gegen alle Legendenbildung steht nun fest, dass diese nur knapp zwei Monate dauerte und dass ihr westlichster Punkt die Niagara-Fälle waren.

Was macht der moderne Tourist um 1900? Er verschickt Postkarten und er fotografiert. Darum wird er vor allem in den Illustrationen dieses Bandes kenntlich. Sie zeigen Karl May als Poseur vor Sehenswürdigkeiten und in den Standardsituationen des Geknipstwerdens fürs Fotoalbum. Ein Schwarm von Hotelaufklebern, Rechnungen, Passagierlisten und Reklamezetteln für Doppelschrauben-Schnelldampfer ist über die Seiten verstreut. Wer sich jedoch durch dieses Verschwinden des großen Erzählers der Abenteurer im Alltag des Touristen nicht abschrecken lässt, wird immer wieder mit kleinen Kostbarkeiten belohnt: so im Orient mit dem Schauder des christlichen Reisetagebuchschreibers angesichts der tanzenden Derwische oder mit den meditativen Stunden, die der Leser von "Onkel Toms Hütte" im Wohnhaus und am Grab von Harriet Beecher-Stowe verbringt.

Einmal, in Neu-England in der Nähe der alten Hafenstadt Newburypoint nördlich von Boston, machen Karl und Emma May gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar einen Ausflug an den Atlantikstrand. Auf dem obligaten Foto hat Karl May ein Ruder wie einen Segelmast auf den Boden des kleinen Holzbootes gesetzt. Das sieht aus wie der Aufbruch zu großer Fahrt. Aber das Boot steht auf dem Trockenen. Auch das wäre, wie die Station "Amerika" in Sachsen, früher ein hämisches Bild über den Reiseschriftsteller Karl May gewesen. In diesem Buch nicht mehr. Sein großer Vorzug ist, dass es den Allerweltstouristen Karl May ganz ohne die Absicht vorführt, dadurch den hinreißenden Reiseschriftsteller diskreditieren zu wollen.

LOTHAR MÜLLER

Lothar und Bernhard Schmid (Hrsg.): "In fernen Zonen. Karl Mays Weltreisen". Karl-May-Verlag, Bamberg und Radebeul 1999. 432 S., geb., 26,80 DM.

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