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Waren die Brüder Schlagintweit dick oder groß? Wer von den dreien war schweigsam, wer gesprächig? Stritten sie auf ihren Reisen? Von alldem erfährt man im Buch nichts. Ja, es geht um eine Expedition in den Himalaja und nicht um eine Biographie. Aber so bleiben die Münchner blass, und die Distanz der Lesenden zu den Abenteurern ist groß. Rudi Palla hat die Geschichte der Forscher ausgegraben, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Asien reisten. Zwar beginnt er anschaulich mit dem Besuch der Brüder bei Alexander von Humboldt in Berlin. Aber aus der Szene entwickelt sich nichts. Und anstatt loszulegen mit den forschenden Brüdern, folgen Namen auf Namen. De Saussure wird vorgestellt, der Züricher Naturforscher Johann Gottfried Ebel zitiert, es geht um Kant und Hacquet. Falsch dabei ist die Behauptung, bis zur Besteigung des Montblancs im Jahr 1786 sei "kein Mensch" über das Mittelgebirge, "über die Grenze des ewigen Schnees" hinausgekommen. Doch wie war das mit dem Ötzi, den Walsern, die den Alpenraum über hohe Pässe besiedelten, und in den Anden liegen Mumien auf fünftausend Metern. Palla stellt zeitliche Hintergründe, die beginnende Industrialisierung, die Geschichte der East India Company vor; das ist hilfreich für die Zusammenhänge, aber so ist ein Drittel des Buches vorbei, bevor die Brüder endlich aufbrechen. Im Himalaja erleben sie Abenteuerliches, stehen als erste Europäer am Fuße des Nanga Parbat, gelangen als erste Menschen in eine Höhe von 6785 Metern, dringen verkleidet als Einheimische in verbotene Gebiete vor. Während man lesend allmählich mit den Schlagintweits mitfiebert, schreibt Palla aus dem Nichts den lapidaren Satz, Adolfs Höhenmessungen konnten dessen Brüder "durch seinen frühen Tod" nicht auswerten. Hermann und Robert Schlagintweit bringen 14777 Exponate in 510 Holzkisten mit zurück. Sie schaffen es nicht, das auszuwerten, der wissenschaftliche Wert ihrer Expedition bleibt fraglich. Palla hat umfassend Quellen durchforstet. Schade, dass er der Expeditionsbeschreibung so wenig Leben einhauchen konnte. Am Ende gesteht er selbst, er hätte gerne mehr Persönliches erfahren.
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"In Schnee und Eis. Die Himalaja-Expedition der Brüder Schlagintweit" von Rudi Palla. Galiani Verlag, Berlin 2019. 192 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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