Eine atemberaubende Abenteuergeschichte um drei von Humboldt geförderte Bergsteigerbrüder, die sich im Rennen um unerforschte Regionen und die Vermessung der Welt immer wieder in Lebensgefahr begaben - und die heute dennoch beinahe vergessen sind. Sie waren Entdeckungsreisende, Bergbezwinger, Sammler, Wissenschaftler und Abenteurer. Und sie hatten einen verdammt schlechten Ruf: die Brüder Schlagintweit. Mitte des 19. Jahrhunderts unternehmen die drei Münchner jene Reise, die Humboldt immer machen wollte: tief hinein in den Himalaja, um dort wissenschaftliche Daten zu erheben, die höchsten Pässe der Welt zu erklimmen - und Ruhm zu erlangen. Dafür setzen sie sogar ihr Leben aufs Spiel.Nachdem die leidenschaftlichen Alpinisten noch knapp an der Erstbesteigung des höchsten Schweizer Gipfels gescheitert waren, werden sie zu Protegés Alexander von Humboldts und leiten eine Himalaja-Expedition der East India Company. Als erste Europäer stehen sie am Fuße des Nanga Parbat, erklimmen als erste Menschen überhaupt eine Höhe von 6.785 Metern und vermessen Land - und auch Menschen - mit großer Akribie. Dabei geraten sie in eine gefährliche Gemengelage aus geopolitischen und ökonomischen Interessen, Geltungssucht und Abenteuerlust. Verkleidet als Einheimische dringen sie in Gebiete vor, deren Betreten unter Todesstrafe steht - einer der Brüder bezahlt dafür mit dem Leben.Was sie von der Expedition zurückbringen, ist beeindruckend: 14.777 Exponate in 510 Holzkisten, so viel Material, dass sie es nicht schaffen werden, es zu Lebzeiten auszuwerten. Ihre Forschungsergebnisse lösen in Fachkreisen allerdings kaum Begeisterung aus. Neidische Briten überziehen sie mit Spott und sprechen ihnen eines Fehlers wegen jegliche wissenschaftliche Seriosität ab. Und doch machen die Brüder weiter: Fast bis zum letzten Atemzug beschäftigen sie sich mit der Auswertung und Aufarbeitung des größten Abenteuers ihres Lebens. »Unter allen Dingen, zu denen ich mitgewirkt, ist Ihre Expedition nun eine der wichtigsten geblieben. Es wird mich dieselbe noch im Sterben erfreuen.« Alexander von Humboldt vor dem Aufbruch der Brüder Schlagintweit »Mit Dankbarkeit lese ich die Schlagintweit-Story. Rudi Palla hat wieder Figuren eingerahmt, die es sich verdienen, erinnert zu bleiben.« Reinhold Messner
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2019Verkleidet im Himalaja
Waren die Brüder Schlagintweit dick oder groß? Wer von den dreien war schweigsam, wer gesprächig? Stritten sie auf ihren Reisen? Von alldem erfährt man im Buch nichts. Ja, es geht um eine Expedition in den Himalaja und nicht um eine Biographie. Aber so bleiben die Münchner blass, und die Distanz der Lesenden zu den Abenteurern ist groß. Rudi Palla hat die Geschichte der Forscher ausgegraben, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Asien reisten. Zwar beginnt er anschaulich mit dem Besuch der Brüder bei Alexander von Humboldt in Berlin. Aber aus der Szene entwickelt sich nichts. Und anstatt loszulegen mit den forschenden Brüdern, folgen Namen auf Namen. De Saussure wird vorgestellt, der Züricher Naturforscher Johann Gottfried Ebel zitiert, es geht um Kant und Hacquet. Falsch dabei ist die Behauptung, bis zur Besteigung des Montblancs im Jahr 1786 sei "kein Mensch" über das Mittelgebirge, "über die Grenze des ewigen Schnees" hinausgekommen. Doch wie war das mit dem Ötzi, den Walsern, die den Alpenraum über hohe Pässe besiedelten, und in den Anden liegen Mumien auf fünftausend Metern. Palla stellt zeitliche Hintergründe, die beginnende Industrialisierung, die Geschichte der East India Company vor; das ist hilfreich für die Zusammenhänge, aber so ist ein Drittel des Buches vorbei, bevor die Brüder endlich aufbrechen. Im Himalaja erleben sie Abenteuerliches, stehen als erste Europäer am Fuße des Nanga Parbat, gelangen als erste Menschen in eine Höhe von 6785 Metern, dringen verkleidet als Einheimische in verbotene Gebiete vor. Während man lesend allmählich mit den Schlagintweits mitfiebert, schreibt Palla aus dem Nichts den lapidaren Satz, Adolfs Höhenmessungen konnten dessen Brüder "durch seinen frühen Tod" nicht auswerten. Hermann und Robert Schlagintweit bringen 14777 Exponate in 510 Holzkisten mit zurück. Sie schaffen es nicht, das auszuwerten, der wissenschaftliche Wert ihrer Expedition bleibt fraglich. Palla hat umfassend Quellen durchforstet. Schade, dass er der Expeditionsbeschreibung so wenig Leben einhauchen konnte. Am Ende gesteht er selbst, er hätte gerne mehr Persönliches erfahren.
bär
"In Schnee und Eis. Die Himalaja-Expedition der Brüder Schlagintweit" von Rudi Palla. Galiani Verlag, Berlin 2019. 192 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Waren die Brüder Schlagintweit dick oder groß? Wer von den dreien war schweigsam, wer gesprächig? Stritten sie auf ihren Reisen? Von alldem erfährt man im Buch nichts. Ja, es geht um eine Expedition in den Himalaja und nicht um eine Biographie. Aber so bleiben die Münchner blass, und die Distanz der Lesenden zu den Abenteurern ist groß. Rudi Palla hat die Geschichte der Forscher ausgegraben, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Asien reisten. Zwar beginnt er anschaulich mit dem Besuch der Brüder bei Alexander von Humboldt in Berlin. Aber aus der Szene entwickelt sich nichts. Und anstatt loszulegen mit den forschenden Brüdern, folgen Namen auf Namen. De Saussure wird vorgestellt, der Züricher Naturforscher Johann Gottfried Ebel zitiert, es geht um Kant und Hacquet. Falsch dabei ist die Behauptung, bis zur Besteigung des Montblancs im Jahr 1786 sei "kein Mensch" über das Mittelgebirge, "über die Grenze des ewigen Schnees" hinausgekommen. Doch wie war das mit dem Ötzi, den Walsern, die den Alpenraum über hohe Pässe besiedelten, und in den Anden liegen Mumien auf fünftausend Metern. Palla stellt zeitliche Hintergründe, die beginnende Industrialisierung, die Geschichte der East India Company vor; das ist hilfreich für die Zusammenhänge, aber so ist ein Drittel des Buches vorbei, bevor die Brüder endlich aufbrechen. Im Himalaja erleben sie Abenteuerliches, stehen als erste Europäer am Fuße des Nanga Parbat, gelangen als erste Menschen in eine Höhe von 6785 Metern, dringen verkleidet als Einheimische in verbotene Gebiete vor. Während man lesend allmählich mit den Schlagintweits mitfiebert, schreibt Palla aus dem Nichts den lapidaren Satz, Adolfs Höhenmessungen konnten dessen Brüder "durch seinen frühen Tod" nicht auswerten. Hermann und Robert Schlagintweit bringen 14777 Exponate in 510 Holzkisten mit zurück. Sie schaffen es nicht, das auszuwerten, der wissenschaftliche Wert ihrer Expedition bleibt fraglich. Palla hat umfassend Quellen durchforstet. Schade, dass er der Expeditionsbeschreibung so wenig Leben einhauchen konnte. Am Ende gesteht er selbst, er hätte gerne mehr Persönliches erfahren.
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"In Schnee und Eis. Die Himalaja-Expedition der Brüder Schlagintweit" von Rudi Palla. Galiani Verlag, Berlin 2019. 192 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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Deutsche im Himalaja, das hat was von Karl May; aber hier ist es Non-Fiction, und viel besser geschrieben. Michael Freund Der Standard 20200110