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Rupert Neudeck, als Kind aus Danzig geflohen, hat sich ein Leben lang für seine Mitmenschen eingesetzt. Nur wenige haben so viel Erfahrung mit Flüchtlingen sammeln können wie der Gründer von Cap Anamur, der seit 1979 die vietnamesischen "Boat People" aus dem südchinesischen Meer fischte. Überall auf der Welt hat er geholfen, seit 2012 auch in Syrien. In seinem letzten Buch beschreibt er anhand eigener Erlebnisse, was es heißt, auf der Flucht zu sein und erinnert uns daran, dass jeder von uns zum Flüchtling werden kann. Er erzählt von denen, die schon unterwegs sind, sowie von denen, die noch…mehr

Produktbeschreibung
Rupert Neudeck, als Kind aus Danzig geflohen, hat sich ein Leben lang für seine Mitmenschen eingesetzt. Nur wenige haben so viel Erfahrung mit Flüchtlingen sammeln können wie der Gründer von Cap Anamur, der seit 1979 die vietnamesischen "Boat People" aus dem südchinesischen Meer fischte. Überall auf der Welt hat er geholfen, seit 2012 auch in Syrien. In seinem letzten Buch beschreibt er anhand eigener Erlebnisse, was es heißt, auf der Flucht zu sein und erinnert uns daran, dass jeder von uns zum Flüchtling werden kann. Er erzählt von denen, die schon unterwegs sind, sowie von denen, die noch kommen werden. Er verteidigt Deutschlands offene Flüchtlingspolitik und er macht Vorschläge, wie die Integration gelingen kann. Eine berührende Bilanz dieses Lebens für Flüchtlinge und eine inspirierende Lektüre für alle, die nicht wegschauen, wenn andere in Not sind.
Autorenporträt
Rupert Neudeck (1939-2016) gründete 1979 das Komitee Ein Schiff für Vietnam e.V. (seit 1982 Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e.V.), das seitdem als humanitäre „Feuerwehr” auf der ganzen Welt im Einsatz ist. 2003 gründete er gemeinsam mit Ayman Mazyek die Hilfsorganisation „Grünhelme”, die als eine der ersten in Syrien humanitäre Hilfe leistete. Im April 2016 erhielten Christel und Rupert Neudeck den Erich-Fromm-Preis für ihr Leben für Flüchtlinge.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit einer sehr persönlichen Besprechung würdigt Lamya Kaddor Rupert Neudecks letztes Buch, in dem sie noch einmal dem Mann begegnet, der nicht nur über die moralische Verpflichtung zum Helfen sprach, sondern auch entsprechend handelte. Sie liest hier Neudecks eigene Lebensgeschichte nach, der als im Jahre 1945 selbst aus Danzig floh, bei der Rettung vietnamesischer Flüchtlinge im südchinesischen Meer im Jahre 1979 half und nicht nur die Hilfsorganisation Cap Anamur gründete, sondern auch die Grünhelme, die für einen christlich-islamischen Dialog eintreten. Hoch rechnet die Kritikerin Neudeck auch das Vermögen an, die "richtigen falschen Fragen" zu stellen, etwa jene nach "guten und bösen Flüchtlingen", berechtigten Asylbewerbern und Armutsflüchtlingen, um Generalisierungen dieser Art dann doch zurückzuweisen. Ein "Gutmensch im besten Sinne des Wortes", urteilt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2016

Sich selbst den anderen geben
Erinnerung an einen Großen: Rupert Neudecks letztes Buch

Rupert Neudeck und ich trafen uns vor einigen Jahren nach der Leipziger Buchmesse am Flughafen. Gemeinsam warteten wir auf den Rückflug, das Gespräch kam auf Gott und die Welt. Kurz darauf schrieb er mir eine E-Mail in der Hoffnung "auf gemeinsame Taten". Warum auch immer, es kam nicht dazu . Doch sollte er mir später einen großen Dienst erweisen.

Rupert Neudeck starb im Mai dieses Jahres, nun liegt sein literarisches Vermächtnis vor. Unser eigentliches Problem und gleichzeitig unsere zentrale Herausforderung für das künftige Zusammenleben, schreibt er darin, sei der Mangel an Menschlichkeit. Er belegt es an seinem Lebensthema: "In uns allen steckt ein Flüchtling". Und so nimmt der gebürtige Westpreuße uns mit auf eine kurze Reise durch sein Leben.

Der Leser erlebt mit, wie Neudeck als Kind 1945 aus Danzig fliehen muss. Die Flucht hat Neudecks Leben geprägt. Seine Erfahrungen wurden ihm zum Lebenskompass und Maßstab fürs Helfen. Zu größter Wirkung kam diese Hilfe bei der Rettung vietnamesischer Flüchtlinge im Südchinesischen Meer 1979, woraus die Gründung der Hilfsorganisation Cap Anamur resultierte. 2003 gründete er zusammen mit Aiman Mazyek, dem heutigen Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, eine zweite Hilfsorganisation: die Grünhelme - die sich zugleich dem christlich-islamischen Dialog verschrieben haben.

Ein Interview war Auslöser für Neudecks Einsatz für die Boatpeople. Der "Deutschlandfunk"-Redakteur führte es Anfang 1979 mit dem Philosophen Jean-Paul Sartre. "Wir alle sind entfremdet von den Institutionen, entfremdet vom Staat, entfremdet von den Menschen, die wiederum sich selbst entfremdet sind", dozierte Sartre damals: "Diese Entfremdungsverhältnisse muss man brechen. Man muss versuchen, für sich selbst und für die anderen zu leben. Man muss sich selbst verwirklichen, indem man sich den anderen gibt." Für Neudeck wurden diese Worte eine moralische Verpflichtung zum Handeln.

Und Neudeck folgte diesem Imperativ fortan wie wenig andere, suchte zeit seines Lebens Verbündete und fand Schriftsteller wie Heinrich Böll oder Günter Grass, die ihn unterstützten und Öffentlichkeit schufen. Sein "Vermächtnis" bewegt, weil er die richtigen falschen Fragen stellt: Gibt es gute und böse Flüchtlinge? Wer ist politischer und wer wirtschaftlicher Flüchtling? Wer ist ein berechtigter Asylbewerber, wer ein "Asylerschleicher"? Seine Antworten weisen alle diese Generalisierungen zurück, um dafür zu plädieren, in den Flüchtlingen die einzelnen Menschen zu sehen. Neudeck lenkt die Aufmerksamkeit auch auf jene, die helfen wollen, doch in den Mühlen staatlicher Bürokraten zermahlt zu werden drohen. Eine schöne Episode ist, wie ihn ausgerechnet einer "seiner" geretteten Vietnamesen später als Kardiologe operiert. Das Buch endet so persönlich, wie es beginnt: Ein junger Mann tritt ins Leben der Familie Neudeck. Sie nimmt einen afghanischen Flüchtling auf.

Manche werden dieses Bauch als Zeugnis eines unverbesserlichen Gutmenschen ansehen. Neudeck war genau das, im besten Sinn des Worts. Reden und Schreiben reichten ihm nicht aus, er musste handeln. Ich konnte das selbst erfahren. Meine Familie ist syrischer Herkunft. 2015 wurde mein vierundsiebzigjähriger Vater, auf Heimatbesuch im vergleichsweise ruhigen Teil Nordsyriens, bei einem Luftangriff lebensgefährlich verletzt. Plötzlich stellte sich für uns als Familie, die Bomben bislang nur vom Hörensagen kannten, die Frage, wie holt man einen schwerverletzten Rentner aus einem Kriegsgebiet. In meiner Verzweiflung erinnerte ich mich an das Gespräch mit Neudeck. Ich kontaktierte ihn, er gab mir Tipps und vor allem - er hörte mir zu. Ich finde, wir sollten ihm zuhören. Nicht jeder kann und soll sein wie er. Aber es schadet nicht, sich ein wenig darauf einzulassen, über ein Leben wie seines nachzudenken.

LAMYA KADDOR

Rupert Neudeck: "In uns allen steckt ein Flüchtling".

Ein Vermächtnis.

Verlag C. H. Beck, München 2016.

169 S., br., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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