Der frühe Abend war wolkenverhangen und düster. Er unterstützte Marleens Stimmung, die in ungewohnt hochhackigen Schuhen mißmutig vor sich hin schimpfte. Mit kleinen Tippelschritten versuchte die hübsche Blondine innerhalb einer Grünphase die andere Straßenseite zu erreichen, was ein übermütiger Autofahrer mit einem anerkennenden Hupen belohnte und sich dafür einen bösen Blick von ihr einfing. Ein lautes Klicken hinter Marleen ließ sie trotz ihres engen Kleides beschleunigen. Doch ein weiteres Klicken bewies ihr, daß tatsächlich sie gemeint war und verfolgt wurde. Mühsam versuchte sie den aufsteigenden Fluchtinstinkt zu unterdrücken und hastete weiter. Sie haßte Fotos und verabscheute ihre seltenen öffentliche Auftritte, die immer mit einem pseudo-wissenschaftlichen Frage-und-Antwort-Spiel einhergingen. Das Klicken der Kamera kam näher und erschien ihr ohrenbetäubend laut, trotz des Straßenlärms und der Menschen. Fluchtartig beschleunigte Marleen ihre Schritte. Sie konnte fühlen, wie das Blut in ihren Ohren rauschte, versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen, doch die Anwesenheit des Störenfriedes hinter sich und die Gewißheit, daß er eine Kamera auf sie gerichtet hielt, um jede ihrer Reaktionen festzuhalten, brachte sie auf. Vor langer Zeit hatte Marleen gelernt, Kameras zu mißtrauen und sie als ihre natürlichen Feinde zu betrachten. Schönheit und Gefühle für die Ewigkeit gebannt, immer wieder abrufbar und eine Realität vortäuschend, die es schon lange nicht mehr gab. - Nur vage konnte sich die junge Frau daran erinnern, daß sie auch einmal anders empfunden hatte. Damals, als ihre Mutter noch der Liebling aller Medien gewesen war. - Und lebendig.
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