Der französische Gelehrte Isaac La Peyrère (1596-1676) galt schon seinen Zeitgenossen als ,Enfant terrible'. Bis in die jüngste Forschung haben seine skandalumwitterten Schriften zu polarisierenden Deutungen geführt, die ihn entweder als Kryptojuden oder als frühen Atheisten ausweisen. Erstmals untersucht die vorliegende Studie ihn und sein Werk nicht nur theologiegeschichtlich, sondern auch im spezifischen Kontext der sozialen Praktiken der europäischen Gelehrtenrepublik des 17. Jahrhunderts. In diesem Spannungsfeld erweisen sich klare Zuordnungen dann als unzulässige Vereindeutigungen: La Peyrères Bibelkritik und sein auffälliges Interesse an den Juden erklären sich sowohl vor dem Hintergrund seiner Patronagebeziehung zum Prinzen Condé wie durch seine spiritualistische Pauluslektüre. Sein ,Du Rappel des Juifs' kann damit in den Rahmen zeitgenössischer Diskurse religiöser Ambiguität eingeordnet werden. Insgesamt versteht sich die Studie auch als Beitrag zum Umgang mit problematischen biographischen Materialien der Frühen Neuzeit wie zur Reflexion moderner Wahrnehmungskategorien zu Wissen, Wissenschaft und Identität.
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