Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Politik - Region: Naher Osten, Vorderer Orient, Note: 2,0, Universität Potsdam, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] Die "Zeugen Jehovas" sind Fundamentalisten in diesem Sinne, so wie evangelische oder katholische "Kreationisten". Fundamentalismus gibt es in allen Religionen, die sich auf ein offenbartes Buch berufen - im Christentum und Judentum ebenso wie im Islam. Spricht man gegenwärtig von Fundamentalismus, so meint man häufig den islamischen und lässt dabei ebenso häufig außer Acht, dass es sich bei der Erscheinung des Fundamentalismus im religiösen Sinne ursprünglich um eine christlich-innerkirchliche Bewegung innerhalb des amerikanischen Protestantismus handelte. Entgegen der verbreiteten Annahme ist er auch keineswegs auf den Orient beschränkt. Seit Ende der siebziger Jahre ist er auch in westlichen Industriegesellschaften zu beobachten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, wo sich fundamentalistische Fernsehprediger mit rechtskonservativen Politikern zusammenschließen. In Israel repräsentiert die Siedlungsbewegung Gush Emunim eine militante Spielart des jüdischen Fundamentalismus. Traditionalismus und Integrismus bilden eine starke Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche. Der Fundamentalismus unter den Sikhs in Indien oder buddhistischen Singhalesen in Sri Lanka schließlich zeigt, dass offenbar keine Religion und kein Kulturkreis immun ist gegen diese Mischung aus Heilsversprechen und politischer Aktion. Doch es bedarf nicht einer Religion, um fundamentalistische Strukturen zu entwickeln. Indem er den Fundamentalismus generell als soziales Phänomen charakterisierte, schrieb der schweizerische Psychiater Berthold Rothschild: „Im Fundamentalismus bleibt der konservierende Ursprung fest, undiskutabel, ist er nicht etwas menschlich Gewordenes, sondern etwas rückwärtig Utopisches: Es gilt, das göttliche Wort zu erfüllen.“2 Thomas Meyer kennzeichnet beim Fundamentalismus drei unterschiedliche Ausprägungen: Anfangs war Fundamentalismus eine Reaktion von Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft, die sich gegen jegliche Art von Modernisierung „ihrer“ Religion richtete. Wieder aufgetaucht sei das Phänomen in den siebziger Jahren in den islamisch geprägten Gebieten und schließlich sei das Thema Fundamentalismus mit dem Aufkommen der grünen alternativen Bewegung und der Frage der Zivilisationskritik wieder verstärkt in den Mittelpunkt gerückt.3 2 Jäggi/Krieger, Fundamentalismus – Ein Phänomen der Gegenwart, Zürich, Wiesbaden 1991, S. 16 3 vgl. Jäggi/Krieger, a.a.O., S. 21