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Der "Umgang" mit dem Holocaust in Deutschland und in Israel
Alfred Wittstock (Herausgeber): Israel in Nahost - Deutschland in Europa: Nahtstellen. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001. 261 Seiten, 32,- Euro.
Die - eigentlich zukunftsträchtige - Frage in diesem Buch lautet: Wie geht man mit der Vergangenheit um? Und was ist vom Vorwurf ihrer Instrumentalisierung zu halten? Kaum ein politischer Schlagabtausch machte das Dilemma so deutlich wie die Debatte im Frühjahr 1999 um den Bundeswehreinsatz im Kosovo: Die eine Seite suchte mit dem Argument "Nie wieder Auschwitz" den militärischen Einsatz zu legitimieren; die andere Seite konterte mit dem hehren Grundsatz "Nie wieder Krieg". Deutlicher lagen die Versuche zur Instrumentalisierung wohl in der Goldhagen-Debatte, im Streit um die Wehrmachtausstellung oder um Walsers Friedenspreisrede. In Israel hingegen wurde der Holocaust eindeutig für politische Zwecke vereinnahmt, am schlimmsten vielleicht in den Plakaten von Hardlinern, die 1993 Ministerpräsident Rabin in SS-Uniform darstellten.
Die Frage nach Berührungspunkten und Gemeinsamkeiten ist verständlich. Doch macht es wissenschaftlich Sinn, nach derartigen "Nahtstellen" zu fahnden in geradezu konträr angelegten Gesellschaften, wo - wie in Deutschland - mittlerweile die dritte Generation der Nachfahren der Täter und der Opfer lebt beziehungsweise - wie in Israel und Palästina - der Eindringlinge und der Vertriebenen? Ein Symposion, das im Juni 2000 in Mainz stattfand, hat den Versuch unter Beteiligung namhafter Politiker, Diplomaten, Wissenschaftler und Journalisten unternommen. Der ehemalige israelische Diplomat Avi Primor oder sein palästinensisches Pendant Muhammad Nazzal, der israelische Fernsehjournalist David Witzthum und die Palästinenserin Farhat Naser oder Wissenschaftler wie Micha Brumlik und Dan Diner debattieren über Friede, Nachbarschaft sowie den Zustand der jeweiligen Gesellschaft, respektive den Wandel etwa im Selbstverständnis, bis hin zu den bekannten Friedensvisionen.
Mancher hatte spürbar Mühe, angesichts der dramatischen Eskalation der Lage um den Tempelberg/Haram al-Sharif seit dem Scheitern von Camp David II im Juli 2000, sich für eine gedruckte Fassung zu entscheiden. Witzthum etwa oder der Historiker Moshe Zuckermann analysieren den gewaltigen Prozeß einer Gesellschaft, die von spartanisch-sozialistischen Pionieren begründet wurde, die heute eine kriegsunwillige, mindestens ebenso amüsierwütige Love-Parade-Generation wie in Mailand oder San Francisco zu befriedigen hat. Demgegenüber hat die von dem Archäologen Nasmi Al Jubeh thematisierte "palästinensische Zivilgesellschaft" noch mehr als einen weiten Weg vor sich. Der ehemalige Botschafter Niels Hansen macht anhand des Luxemburger Schuldenabkommens (1952) deutlich, daß Moral und Staatsräson in der deutschen Nahostpolitik keine konträren Pole blieben.
Das "Gedenken an die Vergangenheit und die Schwierigkeit, mit ihr zurechtzukommen" bilden gleichzeitig "das Gemeinsame des jüdischen und des deutschen Volkes", bekundet Primor. Doch könne bei allen Parallelen "von einem gemeinsamen Gedenken an den Holocaust in Deutschland und Israel kaum die Rede sein" - so formuliert es die "Arbeitsgemeinschaft Israel" der Mainzer Universität. Von "zweierlei Holocaust" spricht Zuckermann.
Das Buch bricht im Grunde auseinander angesichts der Überfülle an Themen, die das "Land der Täter und das der Opfer" sowie das der "Opfer zweiten Grades", Palästina, seit Jahrzehnten in unterschiedlicher Vergangenheitsbewältigung umtreiben: Hier die deutsche Debatte über Schuld und Sühne angesichts der nationalsozialistischen Greuel, dort die nackte Existenzsicherung für die überlebenden Juden, permanenter Stachel im arabischen Fleisch, sowie die Vertreibung der Palästinenser.
KONRAD W. WATRIN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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