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Erdogan hin, Erdogan her - Istanbul leuchtet. Das zeigen die Begegnungen und Gespräche, mit denen die langjährige Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, ihr Porträt der uralten Weltstadt zeichnet: von der Gezi-Park-Aktivistin bis zum Gourmetkoch, von der Frau eines Imams bis zum Arzt mit Deutschland-Sehnsucht, von den bunten Vögeln der Nacht bis zu den Nachfahren von Griechen, Juden und Armeniern, die hier noch leben. Anhand der Menschen in dieser moderne Megacity erzählt Christiane Schlötzer von den Spaltungen der türkischen Gesellschaft, aber auch von Mut, Widerstandskraft und Kreativität, aus denen die Stadt am Bosporus ihre Lebendigkeit schöpft.…mehr

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Produktbeschreibung
Erdogan hin, Erdogan her - Istanbul leuchtet. Das zeigen die Begegnungen und Gespräche, mit denen die langjährige Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, ihr Porträt der uralten Weltstadt zeichnet: von der Gezi-Park-Aktivistin bis zum Gourmetkoch, von der Frau eines Imams bis zum Arzt mit Deutschland-Sehnsucht, von den bunten Vögeln der Nacht bis zu den Nachfahren von Griechen, Juden und Armeniern, die hier noch leben. Anhand der Menschen in dieser moderne Megacity erzählt Christiane Schlötzer von den Spaltungen der türkischen Gesellschaft, aber auch von Mut, Widerstandskraft und Kreativität, aus denen die Stadt am Bosporus ihre Lebendigkeit schöpft.

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Autorenporträt
Christiane Schlötzer, geboren 1954 in München, lebte zwischen 2001 bis 2021 fast zwölf Jahre in Istanbul, als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung und des Zürcher Tages-Anzeigers, und zuletzt als Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya. Sie ist Mitgründerin des Vereins Journalisten helfen Journalisten, der verfolgte Journalistinnen und Journalisten unterstützt. 2016 erschien ihre "Lesereise Türkei. Jenseits von Galata, im Übermorgenland" (Picus).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2021

Leben in einer zerrissenen Stadt

Dieses Land ist viel mehr als sein Präsident: Christiane Schlötzer porträtiert Menschen aus Istanbul und erörtert dabei Ereignisse der türkischen Geschichte.

Aus Istanbuls sechzehn Millionen Einwohnern hat Christiane Schlötzer vierundzwanzig herausgegriffen und mit ihren Lebensgeschichten ein Porträt der Metropole am Bosporus gezeichnet. Jede Person steht für eine Stunde des Tages. So ist ein Stundenbuch einer Stadt entstanden, von der es heißt, dass sie niemals schläft.

Die Autorin ist eine gute Beobachterin und eine ebenso gute Zuhörerin. In jedem der vierundzwanzig Stücke beschreibt sie den Alltag der porträtierten Person, lässt sie ihre Lebensgeschichte erzählen und führt die Leser damit immer tiefer in die Stadt hinein. Man erfährt, wie zerrissen die Stadt und die türkische Gesellschaft sind. Die einen trifft die Autorin vor der zauberhaften Landschaft des Bosporus, andere führen sie nach Silivri mit dem Hochsicherheitsgefängnis vor den Toren der Stadt, das vor allem für die vielen politischen Gefangenen gebaut wurde.

Zu Wort kommen einfache Istanbuler, etwa die Frau eines Imams aus der Nachbarschaft, und mächtige wie ein Berater von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die helle Seite des Istanbuler Lebensgefühls zeigen ein Architekt und ein kreativer Koch, auch ein Nachkomme der osmanischen Aristokratie, die dunkle Seite ein Menschenrechtsanwalt, der gegen die Ungerechtigkeit kämpft, ein Psychotherapeut, der die Doppelmoral in der Gesellschaft offenlegt, und politische Opfer wie Osman Kavala.

Der Frustration eines Arztes, der die Türkei verlassen will, steht die Energie einer jungen Gezi-Aktivistin entgegen. Mehrere Porträts führen in die lebendige Kunstszene. Biographien von Nachkommen der einst zahlreichen nichtmuslimischen Minderheiten sind so atemraubend, wie sie nur das Leben geschrieben haben kann. Das gilt ebenso für verzweifelte Jugendliche, die für individuelle Selbstbestimmung kämpfen.

Schlötzer führt die Leser in das Istanbuler Universitätsviertel, wo sich ein erfolgreicher Unternehmer noch Jahrzehnte nach dem Studium mit Kommilitonen und Freunden in einem einfachen Studentencafé auf Plastikstühlen zu einem wöchentlichen Lese- und Diskussionskreis trifft. Dabei erfährt man viel über die türkische Gesellschaft. Tief in das kurdische Anatolien führt die Geschichte einer jungen Frau, die die Tochter einer Zweitfrau ist und erzählt, wie sie es geschafft hat, aus der Enge des in jeder Hinsicht rückständigen kurdischen Dorfes zu entkommen.

Wie kosmopolitisch Istanbul einst war, lässt Ethel Rizo erahnen, die über ihre Familie sagt: "Ich hatte eine Mutter, die Deutsch sprach, einen Vater, der mit meiner Mutter Französisch sprach, eine Großmutter, die Italienisch, und einen Großvater, der mit mir Griechisch sprach." Und wenig später: "Ich bin deutsch, griechisch, italienisch, jüdisch, aber ich fühle mich als Istanbulerin. Ich liebe diese Stadt. Es gibt Plätze am Bosporus, wenn ich die sehe, habe ich immer wieder Tränen in den Augen."

Die Autorin hat viele ihrer Heldinnen und Helden während der zehn Jahre kennengelernt, in denen sie als Korrespondentin der "Süddeutschen Zeitung" in Istanbul gearbeitet hat. Geschrieben hat sie das Buch aber in ihrer Zeit als Stipendiatin der Kulturakademie in Tarabya. Die Kulturakademie bietet in den historischen Gebäuden der Residenz des deutschen Botschafters in Istanbul Künstlern und Schriftstellern die Gelegenheit, vier bis acht Monate an Projekten zu arbeiten, die einen Bezug zur Türkei haben. Die Akademie untersteht der deutschen Botschaft, die kuratorische Verantwortung liegt beim Goethe-Institut.

Die Leser erfahren viel mehr als bloß einzelne Schicksale. Jedes Porträt erläutert aus einer individuellen Mikroperspektive heraus auch die großen Entwicklungen der Türkei. Mehrere rote Fäden ziehen sich durch das Buch. Ein Faden ist die gesellschaftliche Entwicklung, die die Landflucht nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat und die Istanbul erst zu einer Stadt dieser Größe hat anwachsen lassen. Die meisten Einwohner Istanbuls haben eine innertürkische Migrationsgeschichte, bei der sie die Armut des anatolischen Dorfes hinter sich gelassen haben.

Jedes Porträt schildert aus der Perspektive von Betroffenen zudem wichtige Ereignisse der Türkei, etwa den Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland 1923, die Ausschreitungen gegen die in Istanbul lebenden Griechen 1955 und 1964, den Beginn der Herrschaft von Erdogans AKP 2002, die Gezi-Proteste von 2013, den gescheiterten Putschversuch von 2016 und die Kommunalwahl von 2019. Ein weiterer roter Faden ist der Bezug vieler der Porträtierten zu Deutschland. Daran erkennt man, wie wichtig Deutschland für die Türkei ist.

Die Porträts fügen sich zu einem türkischen Kelim zusammen, dessen Buntheit nicht zuletzt die Augen dafür öffnet, dass die Türkei mehr ist als die Fixierung auf ihren Präsidenten. Christiane Schlötzer hat mehrere lesenswerte Bücher über die Türkei und Istanbul geschrieben, dieses ist vielleicht das schönste. Wer künftig nach Istanbul reist, sollte es im Gepäck haben. RAINER HERMANN

Christiane Schlötzer: "Istanbul - ein Tag und eine Nacht". Ein Porträt der Stadt in 24 Begegnungen.

Berenberg Verlag, Berlin 2021. 280 S., br., 16,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Rainer Hermann ergötzt sich an dem bunten Wandteppich, den ihm Christiane Schlötzer knüpft mit ihren Porträts von Einwohnern Istanbuls. Die breite Auswahl von einfachen Istanbulern bis zum Berater Erdogans ist für Hermann entscheidend. Mit den, wie er findet, sorgfältig beobachteten und komponierten Stücken lässt sich für ihn das Istanbuler Lebensgefühl nachvollziehen, aber ebenso die Kunstszene erleben, die bewegte Geschichte der Stadt und des Landes erfahren und die Gesellschaft kennenlernen. Thematische Linien wie die gesellschaftliche Entwicklung ziehen sich durch das Buch wie ein Muster, erkennt Hermann.

© Perlentaucher Medien GmbH