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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
In Rebecca Millers Roman wird ein Mann als Fliege wiedergeboren
Wer als Kind mit Märchen versorgt wurde, anfangs vielleicht von der Großmutter, später durch erste Bücher, die es zu Geburtstagen oder zu Weihnachten gab, der weiß, dass diese Geschichten viele Pforten öffnen, Wege zur Literatur bahnen, aber auch Erkenntnisse über menschliches Leben vermitteln können. Es ist also kein Wunder, wenn Märchen vorder- oder hintergründig immer wieder schriftstellerische Einfälle beflügeln, so wie jetzt die Phantasie der Amerikanerin Rebecca Miller, der Autorin des Romans "Jacobs wundersame Wiederkehr".
Im Original heißt das Buch "Jacob's Folly", also Jacobs Torheit, was den Leser eher an eine kritische Handlung denken lässt als an einen Traumflug durchs Märchenland. In der Tat verdient dieser Jacob durchaus eine Portion Kritik, allerdings nicht mehr als die übrigen Personen im Romangeschehen. Alle sind fehlbar, eben unvollkommene Menschen. Wer aber die übliche Darstellung erwartet, die gewohnte Einordnung von Figuren in Drama, Tragödie, hier und da vielleicht auch Komödie, der sieht sich getäuscht. Dass solche Sortierung nicht möglich ist, liegt zum einen an der Menge von Personen, die der Roman vorführt. Immerhin liefert uns die Autorin Geschichtchen aus mehr als zwei Jahrhunderten und füllt diese mit so vielen Individuen, dass es schwer fällt, alle in Erinnerung zu behalten und wiederzuerkennen, wenn sie nach erzählerischen Ausflügen in andere historische Szenerien abermals auftauchen. Zum anderen geht es in diesem Roman nicht um grundsätzliche Auseinandersetzungen mit menschlichen Fehlleistungen und deren Folgen. Vielmehr werden Vergangenheit und Gegenwart in Massen anmutiger kleiner Bildchen eingefangen, in denen die Autorin die jeweils aktiven Bewohner der Geschichtsabschnitte für ihre Einfälle posieren lässt.
Der titelgebende Jacob entstammt einem jüdischen Elternhaus in Osteuropa und wandert nach Frankreich aus. Im Paris des achtzehnten Jahrhunderts macht er Karriere, wird vom Straßenhändler zum Kammerdiener eines Grafen, zum Theaterspieler, schließlich zum reichen Mann. Auf dem Weg nach oben wirft er sein Judentum fort und lässt sich taufen. Dies freilich nicht aus Überzeugung, sondern weil sein gräflicher Förderer auf diese Taufe eine Wette abgeschlossen hat und der Täufling einen Teil des Wettgewinns kassieren kann. Nach seinem Tod ersteht Jacob neu, und zwar als Fliege besonderer Art, das Köpfchen gefüllt mit allem, was ihm je widerfuhr und was er damals wie später erstrebt hat. Er flattert nun in New York, ist vernarrt in Mascha, eine junge Jüdin, die ihre religiöse Prägung sehr ernst nimmt, im übrigen aber ähnliche Sehnsüchte verspürt wie einst der junge Jacob in Paris: Sie wünscht sich Erfolg im Theatermilieu.
Am Ende wird das Fliegenwesen Zeuge eines Ereignisses, das alles durcheinander schüttelt: Riwkah, die Schwester von Maschas Mutter Pearl, bringt einen Familienstammbaum ins Haus. Aus ihm geht hervor, dass die gesamte Sippschaft, verbreitet über Europa und Amerika, von jenen Osteuropäern abstammt, deren Sohn Jacob einst war. Er und sein missachteter Sprössling sind die Vorfahren von Mascha. Und während Jacob noch erkennen muss, welchen grotesken Irrweg seine Liebe nahm, ist es Pearls Hand, unter deren Schlag die verwirrte Fliege ein weiteres Mal stirbt.
SABINE BRANDT.
Rebecca Miller: "Jacobs wundersame Wiederkehr." Roman.
Aus dem Amerikanischen von Reinhild Böhnke. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 430 S., geb., 22,99 [Euro].
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