»Die Kindheit ist eine Fotografie, die aufgehört hat, eine Fotografie zu sein, da auf ihr beinahe nichts mehr zu sehen ist, die Farben sind verblasst... die Flecken, die durch die Oxidation entstanden sind, sollte man durch eine Erzählung ersetzen, die vielleicht erfunden ist. «
In »Jeder
Aufbruch ist ein kleiner Tod« strömen die Gedanken eines innerlich und äußerlich exilierten Mannes. Er…mehr»Die Kindheit ist eine Fotografie, die aufgehört hat, eine Fotografie zu sein, da auf ihr beinahe nichts mehr zu sehen ist, die Farben sind verblasst... die Flecken, die durch die Oxidation entstanden sind, sollte man durch eine Erzählung ersetzen, die vielleicht erfunden ist. «
In »Jeder Aufbruch ist ein kleiner Tod« strömen die Gedanken eines innerlich und äußerlich exilierten Mannes. Er wurde geboren »ohne es vielleicht zu wollen, um eine Frau unglücklich zu machen, ihre besten Jahre zu ruinieren«, um dann aufzubrechen, bevor sie es ausspricht, ihm sagt, dass alles ein Fehler war. Über mehrere Seiten fließen seine Gedanken, entfremdete Sätze, denn der Mann, er fühlt sich nicht, er sucht sich und flieht vor sich zur gleichen Zeit, ohne einen Absatz, ohne eine Rast, ohne einen Punkt, ohne eine Pause, folgen Gedanken auf Gedanken, bruchstückhaft, nebeneinander, zusammen, getrennt, er fährt mit dem Zug von Kroatien nach Deutschland, denn seine Frau, die liebt ihn nicht, seine Mama ist gestorben, er verlor den Kontakt, so wie sie den Kontakt verloren, als sie einst als Gastarbeiterin nach Deutschland aufbrach, ihn und seinen Bruder bei der Oma ließ und für den Urlaub kam sie dreimal im Jahr, denkt er, der Bruder, wie war er noch, lange ist der aufgebrochen, weggegangen, er war in falschen Kreisen, wie war es noch, er versucht es sich zu erzählen, der Vater, er hat getrunken, die Mama hat ihn geliebt, auch wenn er sie schlug, wie kann es anders gewesen sein, ihn hat er nie umarmt, doch dann, dann nahm sie die Kinder und ging, dann fuhr sie weiter nach Deutschland, mit dem Zug, sie kam wieder zurück und jetzt ist sie nicht mehr, eine Kiste mit Bildern hat er zugeschickt bekommen, den Rest hat er räumen lassen, aus der Ferne, er wagt es noch nicht, die Kiste zu öffnen.
Der Mann möchte ein Buch schreiben, unbedingt, über die Grenzen, die heutigen Geflüchteten, die brutalen Pushbacks an den Außengrenzen von Europa, doch damit scheitert er, muss er scheitern, da er die Verbindungen zu sich und zu seiner eigenen Geschichte stark und lose empfindet, die Teile noch nicht zusammenführen kann. Die Figur bleibt über lange Strecken stecken und dann entwickelt sie sich doch.
Sprachlich vermag Sajko die leise, aber starke Spannung und Rastlosigkeit des Mannes poetisch einzufangen, die Intensität zu variieren, schließlich ihn und uns zu schmerzhaften und befreienden Erinnerungen zu führen. Sajko thematisiert eine Seite von Gastarbeiter:innenbiografien, die sich nicht eignet für schöne Geschichten und die stumm macht. Ich weiß nicht, ob es ankommt, dieser Roman hat mich angeschossen, auf eine schmerzhafte und positive Art, doch Worte dafür zu finden, die nicht das Innerste nach außen kehren, das ist schwer.