Travel stories in geschliffenem Plauderton - mehr Blog als Roman
Ich gebe diesem Buch gute drei Sterne, denn es „liest sich gut weg“ mit seinem geschliffenen Plauderton, den funkelnden kulturhistorischen Einsprengseln und der Erkenntnis, dass man sich erst auf Reisen und in der Begegnung mit
dem Fremden, dem Anderen wirklich selbst begreift. Nicht ohne Grund spielt Teju Cole an einer Stelle…mehrTravel stories in geschliffenem Plauderton - mehr Blog als Roman
Ich gebe diesem Buch gute drei Sterne, denn es „liest sich gut weg“ mit seinem geschliffenen Plauderton, den funkelnden kulturhistorischen Einsprengseln und der Erkenntnis, dass man sich erst auf Reisen und in der Begegnung mit dem Fremden, dem Anderen wirklich selbst begreift. Nicht ohne Grund spielt Teju Cole an einer Stelle auf „Gullivers Reisen“ an.
Dieses fremde Land, dieses dunkle, auslaugende, heiße und verwirrende Nigeria, in das der Protagonist nach 15 Jahren nun erstmals als Erwachsener reist, hat er stets als sein Heimatland betrachtet und doch kann er es nun nur durch die Augen des westlich Sozialisierten ansehen, aber nicht begreifen: Warum zerstört Nigeria sich selbst durch die akzeptierte allgegenwärtige Korruption, warum ist der Schein wichtiger als das Sein, woher kommt die allgegenwärtige Gewalt, wo bleibt das historische und politische Bewusstsein?
Ich gebe diesem Buch aber auch nur drei Sterne, da es im Grunde „nur“ Stories, wenn auch gut beobachtete Stories, aus einem Reiseblog sind, die aus 2007 stammen. Und es ist bei weitem nicht der großartige zweite Roman, als den ihn manche Rezensenten bejubeln. Ich gönne Cole seinen Erfolg. Aber mal ketzerisch gefragt: Wäre dieses Büchlein acht Jahre nach seinem Erscheinen in einem kleinen nigerianischen Verlag auch dann in Deutschland und den großen englischsprachigen Ländern erschienen, wenn Nigeria nicht sowieso grade ein großes Nachrichtenthema und die Literatur junger schwarzer Stimmen nicht gerade so en vogue wären? Wenn nicht die Gräueltaten von Boko Haram uns erschüttern und die miesen Ölgeschäfte die Welt noch immer bewegen würden?
Der nigerianische Autor Ben Okri hat erst kürzlich in einem Artikel im „Freitag“ von einer „Tyrannei der Inhalte“ gesprochen und damit gemeint, dass afrikanischer Schriftsteller eher wegen ihrer Themen als wegen ihrer Sprache gelesen würden, mehr wegen ihrer Geschichte als wegen ihrer Geschichten.