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Im äußersten Südwesten Englands versinken die letzten Landmarken einer uralten Geschichte allmählich im Grün: Zwischen Farnen, Heidekraut und Ginster, auf Hochmooren und auf Klippen wird hier ein überwachsener Schornstein sichtbar, dort die allein stehende Wand eines Maschinenhauses. Der Rundbogen eines Fensters rahmt die Farben des Atlantiks wie eine Kulisse, die man vergessen hat, beiseite zu schieben. Die Ruinen mit ihrer eigenartigen Poesie sind Zeugnisse einer Zeit, die Cornwall veränderte wie kaum eine Epoche zuvor. Der cornische Erzbergbau ist Jahrtausende alt, doch erst im Verlauf der…mehr

Produktbeschreibung
Im äußersten Südwesten Englands versinken die letzten Landmarken einer uralten Geschichte allmählich im Grün: Zwischen Farnen, Heidekraut und Ginster, auf Hochmooren und auf Klippen wird hier ein überwachsener Schornstein sichtbar, dort die allein stehende Wand eines Maschinenhauses. Der Rundbogen eines Fensters rahmt die Farben des Atlantiks wie eine Kulisse, die man vergessen hat, beiseite zu schieben. Die Ruinen mit ihrer eigenartigen Poesie sind Zeugnisse einer Zeit, die Cornwall veränderte wie kaum eine Epoche zuvor. Der cornische Erzbergbau ist Jahrtausende alt, doch erst im Verlauf der Industriellen Revolution stieg die Grafschaft zum größten Kupfer- und Zinnproduzenten der Welt auf. Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten etwa 40.000 Menschen über und unter Tage: Männer, Frauen und Kinder. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts begann der Niedergang. Die Hinterlassenschaft dieses langwierigen Prozesses sind zerfallene Fabriken, überwachsene Schornsteine und stillgelegte Bahnstränge, prachtvolle Herrenhäuser und üppige Gärten, hohe Arbeitslosigkeit, Abwanderung und das Ende der alten Gemeinwesen. Zehn Jahre lang ist Laura Göbelsmann dieser Geschichte nachgegangen. Auf Wanderungen durch die ehemaligen Reviere, auf alten Transport- und Handelswegen, durch Landschaften von betörender Schönheit. Der Vergangenheit scheinbar entzogen, voll schillernder Farben und einem Licht wie feinste Gaze, fasziniert die Landschaft durch den Kontrast zwischen Geschautem und Geschehenem. Das ästhetische Erleben tritt neben den industriegeschichtlichen Diskurs.
Autorenporträt
Laura C. Göbelsmann, 1945 in Burscheid/NRW geboren und in Wuppertal aufgewachsen, war Fremdsprachen- und Wirtschaftskorrespondentin und hat mehrere Jahre in Toronto und London gearbeitet. Seit 1985 ist sie journalistisch tätig und hält sich regelmäßig in Cornwall, Yorkshire und Wales auf. Berichte zur britischen Industriegeschichte und Industriekultur sind u.a. in der Berliner "taz" erschienen. Die Autorin lebt in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2011

Kupfer statt Klischees

"Meine Studentinnen schwärmten für Cornwall", schreibt Laura C. Göbelsmann. Doch keine von ihnen ist jemals dort gewesen. Und anders als ihre Englischlehrerindachten die Mädchen an Landhäuser und Gärten, an blauen Himmel, Sandstrände und brausendes Meer - an das Cornwall aus einem Rosamunde-Pilcher-Film. Göbelsmann aber sucht die dunkle Seite der Grafschaft, die im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert zum größten Kupfer- und Zinnproduzenten der Welt aufgestiegen war. Vierzigtausend Menschen arbeiteten damals über und unter Tage. Teile Cornwalls glichen dem Bild des frühindustriellen Infernos, wie es sich die Welt von Manchester gemacht hat: rauchende Schlote, verpestete Flüsse, das Gehämmer der Pochwerke, elende Hütten, Kinderarbeit, Hunger, Tuberkulose. Die Spuren des Bergbaus sind noch überall gegenwärtig, Reste von Schachtanlagen und Viadukten, aufgelassene Eisenbahntrassen und die Ruinen der Maschinenhäuser für die Dampfungetüme, die wie Rapunzeltürme über die Heide ragen und deren Terrain eine überwältigende Natur langsam und still wieder unter sich begräbt. Es ist der Kontrast zwischen "Geschautem und Geschehenem", der die Autorin seit dreißig Jahren immer wieder nach Cornwall lockt. Sie hat offenbar alle Anlagen erwandert, oft im denkbar gröbsten Wetter und darüber ein kluges, in seiner vom Objekt besessenen Gründlichkeit sehr gewinnendes Buch geschrieben, dem der lakonische Witz stilistische Lichter aufsetzt. Ihre industriearchäologischen Recherchen haben Geschichten von Zinnbaronen und Erfindern zutage gefördert, von Wirtschaftskrisen, Auswanderung und Frauenarbeit im Bergbau, die dem kollektiven Gedächtnis zu entschwinden drohen. Da gab es die "Bale Maidens", die das ganze Jahr über im Freien schufteten, junge Frauen in langen Röcken und weißen Schürzen und nur mit einer Art Fingerhut als Handschutz. Ihr Arbeitsleben begann mit neun Jahren, und mit sechzehn schwangen sie schwere Hämmer und zerkleinerten jeden Tag drei, vier, fünf Tonnen Gestein. Aus dem Geschehenen hat sich aber auch das in den ehemaligen Bergbaugebieten Geschaute entwickelt, die heute zu den ärmsten Regionen Großbritanniens gehören. Zartgefühl erleuchtet die Begegnungen der Autorin mit Lokalhistorikern, traurigen Erbinnen und ebenso leidenschaftlichen Gräbern und Herumstreichern. Ach, ein paar Fotos wären schön gewesen!

letz

"Jenseits des Grüns - Cornwall und seine industrielle Vergangenheit" von Laura C. Göbelsmann. Promedia Verlag, Wien 2011. 230 Seiten. Broschiert, 17,90 Euro.

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