Jill is Philip Larkin's first novel, originally published in 1946. A subtle and moving account of a young English undergraduate from the provinces, this portrait of Oxford during the war is now regarded by many critics as a classic of its kind.
'The qualities one has learned to value in his poetry are there: control of emotion and language, keen observation, and in particular the very precise expression of half-success, anticipated failure or sadness.' New Statesman
'Jill is, in a sense, a kind of cryptic literary manifesto. It is a novel about writing, about discovering a literary personality, and about the sorts of consolation that art can provide.' Andrew Motion
'The qualities one has learned to value in his poetry are there: control of emotion and language, keen observation, and in particular the very precise expression of half-success, anticipated failure or sadness.' New Statesman
'Jill is, in a sense, a kind of cryptic literary manifesto. It is a novel about writing, about discovering a literary personality, and about the sorts of consolation that art can provide.' Andrew Motion
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010Das kommt davon, wenn man sich so betrinkt
Zwei große englische Romane, "Lucky Jim" von Kingsley Amis und "Jill" von Philip Larkin, haben in einer herrlichen deutschen Ausgabe spiegelbildlich zusammengefunden.
Von Joachim Kalka
Zu den berühmten Romanen der englischen Nachkriegszeit gehört der 1954 erschienene "Lucky Jim" von Kingsley Amis, bisher nur in einer unzulänglichen und rasch in Vergessenheit geratenen deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1957 vorliegend. Eine gelungene Neuübersetzung dieses Meisterwerks britischer Gesellschaftskomik, eines Höhepunkts jener opulenten Tradition, die Evelyn Waugh und Henry Green, P. G. Wodehouse und Anthony Powell, Barbara Pym und Muriel Spark einschließt, ist an sich schon eine willkommene Nachricht; dass von Verlag und Übersetzer gleichzeitig Philip Larkins "Jill" (1946) danebengestellt wird, ist großartig. Diese beiden Romane, die vieles verbindet und noch mehr unterscheidet, gehören schon deshalb zusammen, weil sie Zeugnisse einer der großen Autorenfreundschaften des letzten Jahrhunderts sind, einer Freundschaft voll geheimer Rivalität. Ihre Schicksale waren sehr verschieden. "Lucky Jim" erregte großes Aufsehen, Begeisterung und auch viel Kritik wegen der hier vorgeführten aggressiven Verachtung aller Schöngeistigkeit ("filthy Mozart"). Über das Erscheinen von "Jill" schrieb Larkin später lakonisch: "Eine öffentliche Reaktion gab es nicht."
Die Handlungsumrisse sind rasch skizziert. "Lucky Jim": Jim Dixon, ein junger Assistent für Geschichtswissenschaft an einer der neuen Red-Brick-Universitäten Englands, führt einen scheinbar aussichtslosen Existenzkampf gegen seinen grotesken Professor und dessen arrogant geschmäcklerische Familie; er scheitert an der Uni grandios kraft seiner unüberwindlichen Verachtung für den absurden Lehrbetrieb, bekommt jedoch eine ungleich attraktivere Stellung zugespielt und spannt dem Professorensohn, einem angeberisch unbegabten Maler, die schöne, zunächst unsympathisch auftretende, dann durch die Liebe zu Dixon umgewandelte Freundin aus. Larkin hängt mit diesem Roman von Amis auf verschiedenste Weise zusammen. Er war der Berater, der das Manuskript von überflüssigen Figuren und Exkursen befreite, er war eine Art Vorbild für Jim Dixon (vor allem in der unnachgiebigen Verachtung für alles "Kulturelle"). Und er war jener Freund des Autors, der so gerne selbst ein Romancier geworden wäre und nicht den Erfolg von Amis hatte.
"Jill": John Kemp, Anfänger an einer Traditionsuniversiät, die er als begabter Stipendiat aus ganz kleinen Verhältnissen bezieht, scheitert vollkommen an seinem Literaturstudium. Es ist ihm nicht möglich, sein Talent in einer Atmosphäre zu entfalten, die von jener fremden Upper-Class-Welt durchdrungen ist, deren unbekümmert gemeine und sich ganz und gar souverän durchs Leben bewegende Sprößlinge hier den Ton angeben. Diese Souveränität fasziniert und vernichtet den Protagonisten. Aber er fällt auch der eigenen verträumten Indolenz zum Opfer und versinkt in seinen Phantasien von einem idealen Mädchen, einer Schwester. Ob er auch gescheitert wäre, wenn ihm nun in Oxford nicht ein Mädchen aus diesem von unüberwindlichen Klassenschranken umgebenen Milieu, die reale Schwester eines anderen Studenten, unwillentlich "den Kopf verdreht" und die Grenze zwischen Phantasterei und Wirklichkeit verwischt hätte, wissen wir nicht, doch kommt es dem Leser höchst wahrscheinlich vor.
Diese Jill ist so etwas wie eine unschuldigere Form der schwül-erotisierten Schoolgirl-Phantasien, mit denen Larkin privat (und publik in einem glänzenden Pastiche der englischen Mädchenschulgeschichte, "Trouble at Willow Gables") am Rande des Pornographischen gespielt hat. Jill ist die schimmernde, verheißungsvolle Leerstelle der Tagträumerei eines einsamen jungen Mannes, an dem man oft Ähnlichkeiten mit seinem Schöpfer festgestellt hat; Christine in "Lucky Jim", eine Schönheit mit herzhaft misstönendem Gelächter, ist die begehrenswerte Wirklichkeit (geschildert von einem amourös aktiven Autor). Der träumende John Kemp ist ein Scheiternder.
Larkin hat einmal gesagt, die Herkunft von Kemp, das Unterschichtstigma, sei nur eine beliebige Form von Handicap, wie sein eigenes Stottern als Kind und junger Mann. Ob das stimmt? Die beklemmende Tradition des "ragging" (der demütigenden brachialen Streiche, die man den Schwächeren spielt) hatte an den englischen Traditionsuniversitäten eine ehrwürdige Geschichte (man vergleiche das denkwürdige Einleitungskapitel von Evelyn Waughs Roman "Decline and Fall", 1928), und diese Tradition bildet den ominösen Hintergrund von John Kemps Universitätserfahrungen.
Man erkennt, dass diese Romane spiegelsymmetrisch sind: Amis hat ein optimistisches Szenarium. Der hektisch grimassierende Jim Dixon ist deshalb "Lucky Jim", weil er eben über die beneidenswerte Fähigkeit verfügt, Glück zu haben (das Motto des Romans zitiert den "old song": "O, lucky Jim, / How I envy him, / O, lucky Jim, / How I envy him.") Larkins Handlungskonzept ist pessimistisch-melancholisch. Bei ihm ist der Protagonist Opfer der verächtlichen Sturheit der alten Verhältnisse und seiner eigenen Tagträumerei; bei Amis bleibt "Lucky Jim" zwar lange das Opfer der Inkompetenz, welche die (scheinbar neuen) Verhältnisse kennzeichnet, und muss sich vieles bieten lassen - aber alles ändert sich schließlich, und die Liebenden werden nach mancherlei Missverständnissen und Komplikationen vereint, den Regeln der uralten "Neuen Komödie" folgend. Während bei Larkin alles so bleibt. Der Sieg der alten, die glücklich opportunistische Überwindung der neuen Verhältnisse - was beide Narrationen verbindet, ist weniger der Umstand, dass beides ikonische "campus novels" sind, als die ebenbürtige Fähigkeit der beiden Autoren zur Gestaltung eines jeweils ganz anderen komischen Stils.
Bei Amis gibt es die ausführlichen Prunkstücke komischer Beschreibung wie etwa Dixons verkatertes Erwachen: "Versonnen stand er neben dem Bett. Sein Gesicht war so schwer, als ob jemand mittels einer schmerzlosen Operation kleine Sandsäckchen darin eingenäht hätte . . . Plötzlich ging es ihm schlechter, und er stieß schaudernd einen schweren Seufzer aus. Jemand schien behende hinter ihn gesprungen zu sein und ihm eine Art Taucheranzug aus unsichtbarer Watte übergeworfen zu haben."
Fast noch charakteristischer als diese Kleinepen sind die endlosen Varianten komischer Mikrologie, etwa bei der Schilderung von Professor Welchs begriffsstutzigem oder kunstvoll jeglicher Diskussion ausweichendem Mienenspiel: "Er sah aus wie ein afrikanischer Wilder, dem man einen einfachen Zaubertrick gezeigt hat." Spiel der logischen Variation: Dixon wartet nervös auf Christine. "(Er) blickte verzweifelt den Korridor hinab. Zwei Personen erschienen beinahe gleichzeitig an der Biegung. Die erste Person war nicht Christine, sondern ein betrunkener Mann, der wie besessen mit seinem Feuerzeug klickte. Die zweite Person andererseits war sie."
Ein typisches Beispiel für Larkins Komik wäre etwa der Anfang mit der Zugfahrt John Kemps nach Oxford, während der er trotz seines Hungers nicht wagt, die mitgebrachten Vesperbrote zu essen, da er befürchtet, dass man "das nicht macht" - die anderen Fahrgäste im Abteil (zwei alte Damen, ein hübsches Mädchen, ein Geistlicher, der ein Buch annotiert) könnten Anstoß nehmen. So geht er auf die Toilette, schließt sich ein und würgt hastig seine Brote hinunter. "Seine Rückkehr hätte ein zuvor vereinbartes Zeichen sein können. Die kleinere und dickere der beiden Damen sagte munter: ,Na dann!' . . ." - und alles holt Sandwiches, Obst, Brötchen, Kekse hervor und beginnt zu essen. Dieses Bild - der unsichere, nichts falsch machen wollende junge Mann auf dem Eisenbahnklo, der, während ein anderer indigniert an der Tür rüttelt, heimlich und panisch die Brote der Mutter verzehrt, ist ein Emblem des folgenden Romans und ein Beispiel für dessen wesentlich schärfere (leidvollere) Komik.
Diese Romane, außerhalb des Modernismus, sind in mehr oder weniger traditioneller Manier erzählt (das winzige "postmoderne" Einsprengsel in Amis' Fiktionen ist hier noch nicht evident - der beharrlich wiederkehrende Auftritt des schwindulösen Professors L. S. Caton, der Jim Dixons Aufsatz über den Schiffbau in der frühen Neuzeit plagiiert, auf einen Lehrstuhl in Argentinien verschwindet und dann in rätselhaften winzigen Vignetten durch vier weitere Romane Amis' irrlichtert, bis ihn in "The Anti-Death-League" ein seltsamer Tod ereilt. Aber das Erzählen hat eine wunderbare Sicherheit des Tonfalls und der treffenden Wendung.
"Lucky Jim" und "Jill" stammen aus der Lebenszeit jugendlicher, jazzbegeisterter, sich systematisch betrinkender Energie. Beide, Amis und Larkin, sollten später zu legendären Reaktionären, zu Adoranten von Mrs. Thatcher werden, was vor allem auch der umfangreiche Briefwechsel dokumentiert. Zu Zeiten dieses Erstlingsromans tritt Amis noch für Labour ein und hält vor der sozialdemokratischen "Fabian Society" den wohlwollenden Vortrag "Lucky Jim's Politics". Er blieb einer der großen Romanciers gesellschaftlicher Komik, später dann zusehends misstrauischer gegenüber jeglicher Sozialreform und gegenüber allem, was er als bloß modisches Engagement empfand. Trotz schwankender Qualität seiner Romane bleibt das Niveau insgesamt sehr hoch - ich nenne nur "Ending Up", "The Old Devils" oder die Genre-Capriccios "The Riverside Villas Murder" (ein Detektivroman) und "The Green Man" (eine Gespenstergeschichte).
Larkin schrieb noch einen zweiten schönen Roman und brach einen dritten ab. Er, der von sich sagte: "Ich wollte mit einer Intensität ,ein Romancier sein', wie ich niemals ein Dichter sein wollte. Romane scheinen mir reicher, breiter, tiefer, erfreulicher als Gedichte", wurde schließlich der große Lyriker seiner Generation, ja, seiner Jahrhunderthälfte (die Gedichte von Amis sind nicht unbedeutend, der Vergleich zeigt jedoch der Abstand zwischen einem Talent und einem Meister). Larkins am Ende höhere Größe auch als Kritiker der Gesellschaft lag unter anderem in seinem bis zur Angewidertheit selbstkritischen Blick. Das schöne Gedicht "A Study of Reading Habits" beschreibt, wie man im Laufe des Lebens liest: Zuerst identifiziert man sich mit den Helden, dann mit den glamourösen Schurken, dann erkennt man, dass man im Tiefsten seiner selbst lediglich zur moralisch bedenklichen Statisterie gehört.
Die Idee, diese beiden glänzend geschriebenen, einander so nahen Romane aus der englischen Klassengesellschaft (Produktionen zweier sich naher und doch weit voneinander entfernter Autoren) zusammen zu veröffentlichen, als Doppelpack, als Oben und Unten ein und derselben Kippfigur, ist ingeniös. Dass dies dann auch noch so sorgfältig geschehen ist, dass die Bücher hübsch ausgestattet sind, mit Larkins Einleitung zu "Jill" von 1964, Kingsley Amis' Erinnerungen an Larkin und Martin Amis' Nachruf sowie David Lodges Vorwort zu "Lucky Jim" und unter Beifügung eines instruktiven Heftchens (mit Chronologie, Fotos und vor allem einem Auszug aus dem monumentalen Briefwechsel der beiden Freunde), das macht die Zweier-Edition zu einem schönen Ereignis. Alle Leser, die sich für die Dialektik von Sehnsucht und Komik (kurz: für das Leben) interessieren, hätten hier einen bedeutenden Gegenstand ihres Interesses.
Wie geht für uns heute der Wettstreit der beiden befreundeten Autoren aus? "Lucky Jim" ist der virtuosere, der komischere Roman, der fast sinnlich befriedigende - ein Stimulans, fröhlich und frech und voll der wunderbarsten Bemerkungen beiseite; "Jill" ist, so gut auch der Autor dieses Buches Komik zu inszenieren weiß, die melancholische, die konsequente, die sich unerbittlich unserem Sehnen verweigernde (vorweggenommene) Replik in diesem zufälliger- und doch logischerweise ausgetragenen Agon. Beide Bücher entsprechen Lebensstimmungen; die Tragikomödie von Larkin hat die Wahrheit der Enttäuschung. Er schrieb einmal: "Andere Leute sind die Hölle. (Ich habe nie begriffen, weshalb man Sartre für die Umkehrung und Verfälschung dieser Binsenweisheit bewundert.)"
Philip Larkins Statur als epochaler Lyriker ist hierzulande einigermaßen bekannt; vielleicht erhalten wir ja auch noch eine Übersetzung seines erwähnten zweiten Romans "A Girl in Winter" (1947). Womöglich könnte nun auch endlich eine verspätete Rezeption des umfangreichen OEuvres von Amis père einsetzen (was in mancher Hinsicht ein Schlaglicht auf die Texte des Sohnes Martin werfen würde). Als nächsten zu übersetzenden Roman schlüge der Rezensent das Meisterwerk "Take a Girl Like You" aus dem Jahre 1960 vor.
Kingsley Amis: "Jim im Glück". Philip Larkin: "Jill". Zwei Romane. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Berlin 2010. 416 S. u. 397 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei große englische Romane, "Lucky Jim" von Kingsley Amis und "Jill" von Philip Larkin, haben in einer herrlichen deutschen Ausgabe spiegelbildlich zusammengefunden.
Von Joachim Kalka
Zu den berühmten Romanen der englischen Nachkriegszeit gehört der 1954 erschienene "Lucky Jim" von Kingsley Amis, bisher nur in einer unzulänglichen und rasch in Vergessenheit geratenen deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1957 vorliegend. Eine gelungene Neuübersetzung dieses Meisterwerks britischer Gesellschaftskomik, eines Höhepunkts jener opulenten Tradition, die Evelyn Waugh und Henry Green, P. G. Wodehouse und Anthony Powell, Barbara Pym und Muriel Spark einschließt, ist an sich schon eine willkommene Nachricht; dass von Verlag und Übersetzer gleichzeitig Philip Larkins "Jill" (1946) danebengestellt wird, ist großartig. Diese beiden Romane, die vieles verbindet und noch mehr unterscheidet, gehören schon deshalb zusammen, weil sie Zeugnisse einer der großen Autorenfreundschaften des letzten Jahrhunderts sind, einer Freundschaft voll geheimer Rivalität. Ihre Schicksale waren sehr verschieden. "Lucky Jim" erregte großes Aufsehen, Begeisterung und auch viel Kritik wegen der hier vorgeführten aggressiven Verachtung aller Schöngeistigkeit ("filthy Mozart"). Über das Erscheinen von "Jill" schrieb Larkin später lakonisch: "Eine öffentliche Reaktion gab es nicht."
Die Handlungsumrisse sind rasch skizziert. "Lucky Jim": Jim Dixon, ein junger Assistent für Geschichtswissenschaft an einer der neuen Red-Brick-Universitäten Englands, führt einen scheinbar aussichtslosen Existenzkampf gegen seinen grotesken Professor und dessen arrogant geschmäcklerische Familie; er scheitert an der Uni grandios kraft seiner unüberwindlichen Verachtung für den absurden Lehrbetrieb, bekommt jedoch eine ungleich attraktivere Stellung zugespielt und spannt dem Professorensohn, einem angeberisch unbegabten Maler, die schöne, zunächst unsympathisch auftretende, dann durch die Liebe zu Dixon umgewandelte Freundin aus. Larkin hängt mit diesem Roman von Amis auf verschiedenste Weise zusammen. Er war der Berater, der das Manuskript von überflüssigen Figuren und Exkursen befreite, er war eine Art Vorbild für Jim Dixon (vor allem in der unnachgiebigen Verachtung für alles "Kulturelle"). Und er war jener Freund des Autors, der so gerne selbst ein Romancier geworden wäre und nicht den Erfolg von Amis hatte.
"Jill": John Kemp, Anfänger an einer Traditionsuniversiät, die er als begabter Stipendiat aus ganz kleinen Verhältnissen bezieht, scheitert vollkommen an seinem Literaturstudium. Es ist ihm nicht möglich, sein Talent in einer Atmosphäre zu entfalten, die von jener fremden Upper-Class-Welt durchdrungen ist, deren unbekümmert gemeine und sich ganz und gar souverän durchs Leben bewegende Sprößlinge hier den Ton angeben. Diese Souveränität fasziniert und vernichtet den Protagonisten. Aber er fällt auch der eigenen verträumten Indolenz zum Opfer und versinkt in seinen Phantasien von einem idealen Mädchen, einer Schwester. Ob er auch gescheitert wäre, wenn ihm nun in Oxford nicht ein Mädchen aus diesem von unüberwindlichen Klassenschranken umgebenen Milieu, die reale Schwester eines anderen Studenten, unwillentlich "den Kopf verdreht" und die Grenze zwischen Phantasterei und Wirklichkeit verwischt hätte, wissen wir nicht, doch kommt es dem Leser höchst wahrscheinlich vor.
Diese Jill ist so etwas wie eine unschuldigere Form der schwül-erotisierten Schoolgirl-Phantasien, mit denen Larkin privat (und publik in einem glänzenden Pastiche der englischen Mädchenschulgeschichte, "Trouble at Willow Gables") am Rande des Pornographischen gespielt hat. Jill ist die schimmernde, verheißungsvolle Leerstelle der Tagträumerei eines einsamen jungen Mannes, an dem man oft Ähnlichkeiten mit seinem Schöpfer festgestellt hat; Christine in "Lucky Jim", eine Schönheit mit herzhaft misstönendem Gelächter, ist die begehrenswerte Wirklichkeit (geschildert von einem amourös aktiven Autor). Der träumende John Kemp ist ein Scheiternder.
Larkin hat einmal gesagt, die Herkunft von Kemp, das Unterschichtstigma, sei nur eine beliebige Form von Handicap, wie sein eigenes Stottern als Kind und junger Mann. Ob das stimmt? Die beklemmende Tradition des "ragging" (der demütigenden brachialen Streiche, die man den Schwächeren spielt) hatte an den englischen Traditionsuniversitäten eine ehrwürdige Geschichte (man vergleiche das denkwürdige Einleitungskapitel von Evelyn Waughs Roman "Decline and Fall", 1928), und diese Tradition bildet den ominösen Hintergrund von John Kemps Universitätserfahrungen.
Man erkennt, dass diese Romane spiegelsymmetrisch sind: Amis hat ein optimistisches Szenarium. Der hektisch grimassierende Jim Dixon ist deshalb "Lucky Jim", weil er eben über die beneidenswerte Fähigkeit verfügt, Glück zu haben (das Motto des Romans zitiert den "old song": "O, lucky Jim, / How I envy him, / O, lucky Jim, / How I envy him.") Larkins Handlungskonzept ist pessimistisch-melancholisch. Bei ihm ist der Protagonist Opfer der verächtlichen Sturheit der alten Verhältnisse und seiner eigenen Tagträumerei; bei Amis bleibt "Lucky Jim" zwar lange das Opfer der Inkompetenz, welche die (scheinbar neuen) Verhältnisse kennzeichnet, und muss sich vieles bieten lassen - aber alles ändert sich schließlich, und die Liebenden werden nach mancherlei Missverständnissen und Komplikationen vereint, den Regeln der uralten "Neuen Komödie" folgend. Während bei Larkin alles so bleibt. Der Sieg der alten, die glücklich opportunistische Überwindung der neuen Verhältnisse - was beide Narrationen verbindet, ist weniger der Umstand, dass beides ikonische "campus novels" sind, als die ebenbürtige Fähigkeit der beiden Autoren zur Gestaltung eines jeweils ganz anderen komischen Stils.
Bei Amis gibt es die ausführlichen Prunkstücke komischer Beschreibung wie etwa Dixons verkatertes Erwachen: "Versonnen stand er neben dem Bett. Sein Gesicht war so schwer, als ob jemand mittels einer schmerzlosen Operation kleine Sandsäckchen darin eingenäht hätte . . . Plötzlich ging es ihm schlechter, und er stieß schaudernd einen schweren Seufzer aus. Jemand schien behende hinter ihn gesprungen zu sein und ihm eine Art Taucheranzug aus unsichtbarer Watte übergeworfen zu haben."
Fast noch charakteristischer als diese Kleinepen sind die endlosen Varianten komischer Mikrologie, etwa bei der Schilderung von Professor Welchs begriffsstutzigem oder kunstvoll jeglicher Diskussion ausweichendem Mienenspiel: "Er sah aus wie ein afrikanischer Wilder, dem man einen einfachen Zaubertrick gezeigt hat." Spiel der logischen Variation: Dixon wartet nervös auf Christine. "(Er) blickte verzweifelt den Korridor hinab. Zwei Personen erschienen beinahe gleichzeitig an der Biegung. Die erste Person war nicht Christine, sondern ein betrunkener Mann, der wie besessen mit seinem Feuerzeug klickte. Die zweite Person andererseits war sie."
Ein typisches Beispiel für Larkins Komik wäre etwa der Anfang mit der Zugfahrt John Kemps nach Oxford, während der er trotz seines Hungers nicht wagt, die mitgebrachten Vesperbrote zu essen, da er befürchtet, dass man "das nicht macht" - die anderen Fahrgäste im Abteil (zwei alte Damen, ein hübsches Mädchen, ein Geistlicher, der ein Buch annotiert) könnten Anstoß nehmen. So geht er auf die Toilette, schließt sich ein und würgt hastig seine Brote hinunter. "Seine Rückkehr hätte ein zuvor vereinbartes Zeichen sein können. Die kleinere und dickere der beiden Damen sagte munter: ,Na dann!' . . ." - und alles holt Sandwiches, Obst, Brötchen, Kekse hervor und beginnt zu essen. Dieses Bild - der unsichere, nichts falsch machen wollende junge Mann auf dem Eisenbahnklo, der, während ein anderer indigniert an der Tür rüttelt, heimlich und panisch die Brote der Mutter verzehrt, ist ein Emblem des folgenden Romans und ein Beispiel für dessen wesentlich schärfere (leidvollere) Komik.
Diese Romane, außerhalb des Modernismus, sind in mehr oder weniger traditioneller Manier erzählt (das winzige "postmoderne" Einsprengsel in Amis' Fiktionen ist hier noch nicht evident - der beharrlich wiederkehrende Auftritt des schwindulösen Professors L. S. Caton, der Jim Dixons Aufsatz über den Schiffbau in der frühen Neuzeit plagiiert, auf einen Lehrstuhl in Argentinien verschwindet und dann in rätselhaften winzigen Vignetten durch vier weitere Romane Amis' irrlichtert, bis ihn in "The Anti-Death-League" ein seltsamer Tod ereilt. Aber das Erzählen hat eine wunderbare Sicherheit des Tonfalls und der treffenden Wendung.
"Lucky Jim" und "Jill" stammen aus der Lebenszeit jugendlicher, jazzbegeisterter, sich systematisch betrinkender Energie. Beide, Amis und Larkin, sollten später zu legendären Reaktionären, zu Adoranten von Mrs. Thatcher werden, was vor allem auch der umfangreiche Briefwechsel dokumentiert. Zu Zeiten dieses Erstlingsromans tritt Amis noch für Labour ein und hält vor der sozialdemokratischen "Fabian Society" den wohlwollenden Vortrag "Lucky Jim's Politics". Er blieb einer der großen Romanciers gesellschaftlicher Komik, später dann zusehends misstrauischer gegenüber jeglicher Sozialreform und gegenüber allem, was er als bloß modisches Engagement empfand. Trotz schwankender Qualität seiner Romane bleibt das Niveau insgesamt sehr hoch - ich nenne nur "Ending Up", "The Old Devils" oder die Genre-Capriccios "The Riverside Villas Murder" (ein Detektivroman) und "The Green Man" (eine Gespenstergeschichte).
Larkin schrieb noch einen zweiten schönen Roman und brach einen dritten ab. Er, der von sich sagte: "Ich wollte mit einer Intensität ,ein Romancier sein', wie ich niemals ein Dichter sein wollte. Romane scheinen mir reicher, breiter, tiefer, erfreulicher als Gedichte", wurde schließlich der große Lyriker seiner Generation, ja, seiner Jahrhunderthälfte (die Gedichte von Amis sind nicht unbedeutend, der Vergleich zeigt jedoch der Abstand zwischen einem Talent und einem Meister). Larkins am Ende höhere Größe auch als Kritiker der Gesellschaft lag unter anderem in seinem bis zur Angewidertheit selbstkritischen Blick. Das schöne Gedicht "A Study of Reading Habits" beschreibt, wie man im Laufe des Lebens liest: Zuerst identifiziert man sich mit den Helden, dann mit den glamourösen Schurken, dann erkennt man, dass man im Tiefsten seiner selbst lediglich zur moralisch bedenklichen Statisterie gehört.
Die Idee, diese beiden glänzend geschriebenen, einander so nahen Romane aus der englischen Klassengesellschaft (Produktionen zweier sich naher und doch weit voneinander entfernter Autoren) zusammen zu veröffentlichen, als Doppelpack, als Oben und Unten ein und derselben Kippfigur, ist ingeniös. Dass dies dann auch noch so sorgfältig geschehen ist, dass die Bücher hübsch ausgestattet sind, mit Larkins Einleitung zu "Jill" von 1964, Kingsley Amis' Erinnerungen an Larkin und Martin Amis' Nachruf sowie David Lodges Vorwort zu "Lucky Jim" und unter Beifügung eines instruktiven Heftchens (mit Chronologie, Fotos und vor allem einem Auszug aus dem monumentalen Briefwechsel der beiden Freunde), das macht die Zweier-Edition zu einem schönen Ereignis. Alle Leser, die sich für die Dialektik von Sehnsucht und Komik (kurz: für das Leben) interessieren, hätten hier einen bedeutenden Gegenstand ihres Interesses.
Wie geht für uns heute der Wettstreit der beiden befreundeten Autoren aus? "Lucky Jim" ist der virtuosere, der komischere Roman, der fast sinnlich befriedigende - ein Stimulans, fröhlich und frech und voll der wunderbarsten Bemerkungen beiseite; "Jill" ist, so gut auch der Autor dieses Buches Komik zu inszenieren weiß, die melancholische, die konsequente, die sich unerbittlich unserem Sehnen verweigernde (vorweggenommene) Replik in diesem zufälliger- und doch logischerweise ausgetragenen Agon. Beide Bücher entsprechen Lebensstimmungen; die Tragikomödie von Larkin hat die Wahrheit der Enttäuschung. Er schrieb einmal: "Andere Leute sind die Hölle. (Ich habe nie begriffen, weshalb man Sartre für die Umkehrung und Verfälschung dieser Binsenweisheit bewundert.)"
Philip Larkins Statur als epochaler Lyriker ist hierzulande einigermaßen bekannt; vielleicht erhalten wir ja auch noch eine Übersetzung seines erwähnten zweiten Romans "A Girl in Winter" (1947). Womöglich könnte nun auch endlich eine verspätete Rezeption des umfangreichen OEuvres von Amis père einsetzen (was in mancher Hinsicht ein Schlaglicht auf die Texte des Sohnes Martin werfen würde). Als nächsten zu übersetzenden Roman schlüge der Rezensent das Meisterwerk "Take a Girl Like You" aus dem Jahre 1960 vor.
Kingsley Amis: "Jim im Glück". Philip Larkin: "Jill". Zwei Romane. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Berlin 2010. 416 S. u. 397 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main