Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Universität Karlsruhe (TH), Veranstaltung: Hauptseminar Grund und Boden: Goethes Lyrik als Gelegenheitsdichtung, Sprache: Deutsch, Abstract: „Alle meine Gedichte sind Gelegenheitsgedichte, sie sind durch die Wirklichkeit angeregt und haben darin Grund und Boden.“ teilt Goethe im September 1823 seinem Privatsekretär Eckermann mit. Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit einem solchen Gelegenheitsgedicht, welches unter dem Titel „Willkomm und Abschied“ bekannt ist. Grundlage ist die 1775 in der Zeitschrift Iris erschienene Fassung, die nach der ersten Gedichtzeile „Mir schlug das Herz“ benannt ist. Im Blickpunkt steht die Entstehung des Gedichts, seine Interpretation, sowie der Vergleich mit der späteren, den Titel „Willkomm und Abschied“ tragenden Fassung von 1789. Es handelt sich dabei nicht nur um eines der berühmtesten Gedichte Goethes, sondern der deutschen Literatur überhaupt. Es repräsentiert den Beginn der Erlebnislyrik und ist Inbegriff des Liebesgedichts. Erst in diesem Gedicht erscheinen die Gefühle voll entfesselt zu leidenschaftlicher Liebeshingabe. Das Bild echter Männlichkeit und echter Weiblichkeit leuchtet jetzt auf. Davor hat die Taktik das Liebesverhältnis der Geschlechter beherrscht, wobei der eine männliche Teil in der Offensive und der weibliche sich in der Defensive verhalten hat. Eine neuartige Goethsche Gestaltungsweise des hiermit beginnenden Sturm und Drangs löst die Rokokogestaltung ab. Denn um 1770 erfährt die Literatur und Lebenswelt eine Veränderung. Eine Mode dieser Jahre ist die Empfindsamkeit, die aus der Zärtlichkeit, einer moralischen Tugendempfindung stammt. Goethe trägt dazu bei, die Literatur empfindsam zu machen. Zusammen mit Herder und anderen kritisiert er die Gegenwartsliteratur. Daraus entsteht dann ein neues und provozierendes literarisches Programm in Theorie und Praxis: Der Sturm und Drang. Auch das lyrische Ich macht eine Wandlung durch. Es beschäftigt sich nicht mehr nur mit sich selbst, sondern beherrscht die Rolle so sicher, dass Kapazitäten für andere Aufgaben frei werden. Neben dem Ich-Ich-Verhältnis finden sich eine Auseinandersetzung mit der Natur und eine Darstellung eines Ich-Du-Verhältnisses. Goethe erschafft erstmals ein reflektierendes Ich. [...]