Der zweite Roman der aspekte-Preisträgerin. Lustvoll, abenteuerlich und temporeich geht es um Kunst und Leben. Mach gute Kunst! Nichts Geringeres haben Johnny und Jean im Sinn, als sie sich nach dem Sommer in der Kunsthochschule wieder begegnen. Ein Sprung ins kalte Wasser steht am Beginn dieser Geschichte, und hundert Schritte sind noch zu tun für eine Weltkarriere in New York und Paris. Was dabei hilft: die Einflüsterungen der Alten Meister, gut gespitzte Buntstifte und eine Flasche Pastis. Und manchmal hilft das alles überhaupt nicht. Was, wenn man beim Anblick von Blumen an Geschlechtsteile denkt? Was, wenn einen beim Baden die Polizei verhaften will? Was, wenn die Pin-up-Girls den Magazinen davonlaufen? Wenn Europa in Flammen steht? Wenn einen der Wärter aus dem Museum wirft? Wenn der eigene Vater ein riesiger Zwerg ist? Wenn man Frauen mit französischen Vornamen liebt? Wenn man sich einen Goldzahn im Munde wünscht? Wenn die Kunst zu viele Katzen hat? Wenn der Teufel selbst unter Burn out leidet? Wenn man ohne Geld nach Zürich will? Wenn man Björk heiraten möchte? In zahlreichen Episoden erfindet Teresa Präauer das abenteuerliche Leben zweier junger Männer, die sich in der Kunst und im Leben üben. Lustvoll und schlagfertig!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2014Sie zieht uns den Boden unter den Füßen weg
Teresa Präauer ist seit ihrem vor zwei Jahre erschienenen Debütroman eine große Hoffnung der deutschsprachigen Literatur. Nun ist ihr zweiter Roman da: "Johnny und Jean". Löst er die Erwartungen ein?
In einer Phantasiewelt, eng mit der Lüge verbandelt, spielt der neue Roman "Johnny und Jean" von Teresa Präauer. "Spielen" ist hier das richtige Wort, weil die österreichische Autorin, Künstlerin und Schriftstellerin, Jahrgang 1979, auf zweihundert Seiten ein literarisches Feuerwerk sprühen lässt, von dem man nie weiß, was daran wirklich ist, was erfunden und wie diese beiden Elemente einander in der Geschichte durchdringen. Eines ist in diesem Buch jedoch sicher: Alles ist Vorstellung, nichts Handlung.
Die Geschichte um "Johnny und Jean" beginnt mit dem Satz: "Ich stelle mir vor, wie ich als Bub auf dem Land lebe." Mit der Unsicherheit, die dieses "Ich stelle mir vor" vom üblichen Erzähltonfall unterscheidet, muss der Leser bis ans Ende gelangen. Und das gelingt tatsächlich spielend, weil die Geschichte aus vielen kleinen vertrauten Erinnerungen und Erfahrungen gewebt ist, die eben doch wahr sind, weil der Leser darin Eigenes wiedererkennt.
Schon der Titel weckt Assoziationen. Man denkt natürlich an "Jules und Jim" oder an "Thelma und Louise", an berühmte halsbrecherische Paare. Wir werden sofort in Johnnys Gedanken hineingezogen: Ein kleines Kaff, ein Schwimmbad, und alle Schüler sind beisammen. Wer kennt das nicht? Sie stehen kurz vor dem Schulabschluss, werden wegziehen oder auch nicht: "Dann ist der Sommer vorbei, und wir verlieren uns, wie man so sagt, in alle Richtungen."
Der Erzähler sieht sich selbst als Außenseiter, will übersehen werden - auch im Schwimmbad: "Ich köpfle und verliere vom Springen fast die Badehose, unter Wasser zieh ich sie schnell wieder hoch, tauche auf und schau, ob mich keiner gesehen hat." Es hat ihn niemand bemerkt, wie immer. In seinen Gedanken aber steht er mit allen in Kontakt, träumt sich zurecht, dass er ein guter Freund des coolsten Jungen ist: Jean, der auch nicht Jean heißt, aber sich so nennt. Oder nennt ihn nur Johnny so? Jean gelingt alles. Er ist ein Freistilkämpfer. Aber ist er auch ein Held? Oder ist er nur die bessere Hälfte? Oder die verkörperte Jugend selbst, die man verlieren wird?
Johnny sieht Jean erst wieder, als er mit seinen "Sachen unterm Arm in der Stadt" auftaucht. "Jean ist schon vor ihm da gewesen, er hat einfach einen früheren Zug genommen, und er kennt sich schon aus, er hat seine Sachen ausgebreitet und seine Schuhe unterm Tisch ausgezogen." Beide wollen Kunst studieren, stehen vor der Aufnahmeprüfung. Aber Jean ist immer schneller, immer beliebter, immer besser. Johnny kämpft sich hinter ihm her und lässt ihn nicht aus den Augen.
Teresa Präauer kleidet ihre Szenen in wundersam spärliche Sätze - hier bei der Aufnahmeprüfung: "Als ich aufgerufen werde, meine Mappe auf den Tisch lege und meine Studien vom kleinen Fisch im Wasserglas hervorziehe, merke ich, dass daran etwas nicht stimmt. Ich merke es exakt jetzt." Mit diesem Satz hätte Johnny seinen Traum unterbrechen können. Er hätte das Studium aufgeben und eine Banklehre beginnen können. Aber Johnny folgt Jean, träumt sich Begegnungen und durchzechte Nächte mit einer Flasche Pastis herbei.
Kein geläufiges Etikett der Sorte "Jugendbild", "Generationenroman", "Bekenntnis" passt zu diesem Buch. Es ist all dies, aber auch ein Zwiegespräch über die Kunstgeschichte aus Künstlersicht, ein Versuch in Kunst- und Kunstbetriebskritik, eine Meditation über Hoffnung und Enttäuschung - und darüber, dass man trotzdem immer weitermacht. Und dass die Imagination Notausgänge bietet, wo die Tatsachen zu eng sind. Nicht nur bei Jean. Johnny träumt von "Jennifer und Jessica": "Ich gehe nicht mehr zum Aktzeichnen, und deshalb schneide ich Jennifer und Jessica und all ihre verständnisvollen Freundinnen aus den Magazinen aus und klebe sie auf Zeichenblätter", und nun folgt in wenigen Präauer-Sätzen eine ganze Lustgeschichte (Johnny, ich will dich!, ruft Jessica) eines Übersehenen, die jäh unterbrochen wird, als die Mitbewohnerin eintritt und fragt: "Johnny? Was ist los mit dir?" Seifenblase geplatzt, doch gleich wird die nächste schillern.
Jean erträumt sich alles: Johnny, Jennifer und Jessica. Und doch kann man sich nie so ganz sicher sein. Gibt es Louise, mit der er schließlich seinen ersten Sex in einer Video-Blackbox bei Pipilotti Rist im Museum Humlebaek in Dänemark hat, vielleicht doch?
Teresa Präauers Romane weichen auch dem Spießigen nicht aus, bestehen nicht auf Coolness, wenn es um schlichte Erinnerungen geht: "Ich habe von allen Ritualen, fällt mir ein, das Einreiben der Hände mit Talkum beim Turnen am liebsten gemocht. Mitten in den weißen Haufen aus weißem Puder hab ich hineingegriffen, geklatscht und es stauben lassen." Schon im nächsten Satz öffnet sie den Blick auf Schicksalhaftes in der Beziehung der beiden Jungen zueinander: "Währenddessen hat sich Jean, da bin ich mir sicher, längst auf die Reckstange geschwungen gehabt und seinen Körper dort oben herumwirbeln lassen, die Pflicht erledigt, gefolgt von einer vierteiligen Kür."
Irgendwann stellt sich die Frage, ob es eigentlich Beweise für einen realen Kontakt zwischen den beiden jungen Männern gibt? Oder findet alles nur im Kopf von Johnny statt? Der Zweifel bleibt, auch nachdem Beweise vorgezeigt werden - "dann haben wir uns geprügelt wie Hunde".
Auch wenn in Teresa Präauers Debütroman "Für den Herrscher aus Übersee" die historischen Bezüge kunstvoller waren und dieses neue Buch manchmal wie ein Übergangsroman wirkt, weil man spürt, dass sich da zwischen den Zeilen etwas noch Größeres ausbreitet, schafft die fünfunddreißigjährige Österreicherin abermals etwas Wunderbares: keine Lektüre für Leute, die am Schnürchen durch ein Leben geführt werden wollen, sondern für Leute, die gern das Ruder abgeben, für die Lesen eine Seereise bei starkem Wellengang ist. Willkür herrscht hier dennoch nicht, Angst haben muss niemand - nicht vor Johnny oder Jean oder Jennifer oder Jessica. Furcht nicht, aber Lust wird wach - am Leben, der Liebe und der Lüge.
SWANTJE KARICH
Teresa Präauer: "Johnny und Jean". Roman. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 208 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Teresa Präauer ist seit ihrem vor zwei Jahre erschienenen Debütroman eine große Hoffnung der deutschsprachigen Literatur. Nun ist ihr zweiter Roman da: "Johnny und Jean". Löst er die Erwartungen ein?
In einer Phantasiewelt, eng mit der Lüge verbandelt, spielt der neue Roman "Johnny und Jean" von Teresa Präauer. "Spielen" ist hier das richtige Wort, weil die österreichische Autorin, Künstlerin und Schriftstellerin, Jahrgang 1979, auf zweihundert Seiten ein literarisches Feuerwerk sprühen lässt, von dem man nie weiß, was daran wirklich ist, was erfunden und wie diese beiden Elemente einander in der Geschichte durchdringen. Eines ist in diesem Buch jedoch sicher: Alles ist Vorstellung, nichts Handlung.
Die Geschichte um "Johnny und Jean" beginnt mit dem Satz: "Ich stelle mir vor, wie ich als Bub auf dem Land lebe." Mit der Unsicherheit, die dieses "Ich stelle mir vor" vom üblichen Erzähltonfall unterscheidet, muss der Leser bis ans Ende gelangen. Und das gelingt tatsächlich spielend, weil die Geschichte aus vielen kleinen vertrauten Erinnerungen und Erfahrungen gewebt ist, die eben doch wahr sind, weil der Leser darin Eigenes wiedererkennt.
Schon der Titel weckt Assoziationen. Man denkt natürlich an "Jules und Jim" oder an "Thelma und Louise", an berühmte halsbrecherische Paare. Wir werden sofort in Johnnys Gedanken hineingezogen: Ein kleines Kaff, ein Schwimmbad, und alle Schüler sind beisammen. Wer kennt das nicht? Sie stehen kurz vor dem Schulabschluss, werden wegziehen oder auch nicht: "Dann ist der Sommer vorbei, und wir verlieren uns, wie man so sagt, in alle Richtungen."
Der Erzähler sieht sich selbst als Außenseiter, will übersehen werden - auch im Schwimmbad: "Ich köpfle und verliere vom Springen fast die Badehose, unter Wasser zieh ich sie schnell wieder hoch, tauche auf und schau, ob mich keiner gesehen hat." Es hat ihn niemand bemerkt, wie immer. In seinen Gedanken aber steht er mit allen in Kontakt, träumt sich zurecht, dass er ein guter Freund des coolsten Jungen ist: Jean, der auch nicht Jean heißt, aber sich so nennt. Oder nennt ihn nur Johnny so? Jean gelingt alles. Er ist ein Freistilkämpfer. Aber ist er auch ein Held? Oder ist er nur die bessere Hälfte? Oder die verkörperte Jugend selbst, die man verlieren wird?
Johnny sieht Jean erst wieder, als er mit seinen "Sachen unterm Arm in der Stadt" auftaucht. "Jean ist schon vor ihm da gewesen, er hat einfach einen früheren Zug genommen, und er kennt sich schon aus, er hat seine Sachen ausgebreitet und seine Schuhe unterm Tisch ausgezogen." Beide wollen Kunst studieren, stehen vor der Aufnahmeprüfung. Aber Jean ist immer schneller, immer beliebter, immer besser. Johnny kämpft sich hinter ihm her und lässt ihn nicht aus den Augen.
Teresa Präauer kleidet ihre Szenen in wundersam spärliche Sätze - hier bei der Aufnahmeprüfung: "Als ich aufgerufen werde, meine Mappe auf den Tisch lege und meine Studien vom kleinen Fisch im Wasserglas hervorziehe, merke ich, dass daran etwas nicht stimmt. Ich merke es exakt jetzt." Mit diesem Satz hätte Johnny seinen Traum unterbrechen können. Er hätte das Studium aufgeben und eine Banklehre beginnen können. Aber Johnny folgt Jean, träumt sich Begegnungen und durchzechte Nächte mit einer Flasche Pastis herbei.
Kein geläufiges Etikett der Sorte "Jugendbild", "Generationenroman", "Bekenntnis" passt zu diesem Buch. Es ist all dies, aber auch ein Zwiegespräch über die Kunstgeschichte aus Künstlersicht, ein Versuch in Kunst- und Kunstbetriebskritik, eine Meditation über Hoffnung und Enttäuschung - und darüber, dass man trotzdem immer weitermacht. Und dass die Imagination Notausgänge bietet, wo die Tatsachen zu eng sind. Nicht nur bei Jean. Johnny träumt von "Jennifer und Jessica": "Ich gehe nicht mehr zum Aktzeichnen, und deshalb schneide ich Jennifer und Jessica und all ihre verständnisvollen Freundinnen aus den Magazinen aus und klebe sie auf Zeichenblätter", und nun folgt in wenigen Präauer-Sätzen eine ganze Lustgeschichte (Johnny, ich will dich!, ruft Jessica) eines Übersehenen, die jäh unterbrochen wird, als die Mitbewohnerin eintritt und fragt: "Johnny? Was ist los mit dir?" Seifenblase geplatzt, doch gleich wird die nächste schillern.
Jean erträumt sich alles: Johnny, Jennifer und Jessica. Und doch kann man sich nie so ganz sicher sein. Gibt es Louise, mit der er schließlich seinen ersten Sex in einer Video-Blackbox bei Pipilotti Rist im Museum Humlebaek in Dänemark hat, vielleicht doch?
Teresa Präauers Romane weichen auch dem Spießigen nicht aus, bestehen nicht auf Coolness, wenn es um schlichte Erinnerungen geht: "Ich habe von allen Ritualen, fällt mir ein, das Einreiben der Hände mit Talkum beim Turnen am liebsten gemocht. Mitten in den weißen Haufen aus weißem Puder hab ich hineingegriffen, geklatscht und es stauben lassen." Schon im nächsten Satz öffnet sie den Blick auf Schicksalhaftes in der Beziehung der beiden Jungen zueinander: "Währenddessen hat sich Jean, da bin ich mir sicher, längst auf die Reckstange geschwungen gehabt und seinen Körper dort oben herumwirbeln lassen, die Pflicht erledigt, gefolgt von einer vierteiligen Kür."
Irgendwann stellt sich die Frage, ob es eigentlich Beweise für einen realen Kontakt zwischen den beiden jungen Männern gibt? Oder findet alles nur im Kopf von Johnny statt? Der Zweifel bleibt, auch nachdem Beweise vorgezeigt werden - "dann haben wir uns geprügelt wie Hunde".
Auch wenn in Teresa Präauers Debütroman "Für den Herrscher aus Übersee" die historischen Bezüge kunstvoller waren und dieses neue Buch manchmal wie ein Übergangsroman wirkt, weil man spürt, dass sich da zwischen den Zeilen etwas noch Größeres ausbreitet, schafft die fünfunddreißigjährige Österreicherin abermals etwas Wunderbares: keine Lektüre für Leute, die am Schnürchen durch ein Leben geführt werden wollen, sondern für Leute, die gern das Ruder abgeben, für die Lesen eine Seereise bei starkem Wellengang ist. Willkür herrscht hier dennoch nicht, Angst haben muss niemand - nicht vor Johnny oder Jean oder Jennifer oder Jessica. Furcht nicht, aber Lust wird wach - am Leben, der Liebe und der Lüge.
SWANTJE KARICH
Teresa Präauer: "Johnny und Jean". Roman. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 208 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Judith von Sternburg ist ein bisschen enttäuscht von Teresa Präauers Künstlerroman. Was für die Rezensentin so vielversprechend mit dem Entwurf einer Verbindung zwischen zwei jungen Männern aus dem Nichts, also aus der reinen Fantasie, beginnt, erhält im Verlauf des Romans keine Steigerung oder Wendung, klagt Sternburg. Dass die junge Autorin witzig und treffend im Künstlersprech über Kunst und das Akademiemilieu erzählen kann, steht für die Rezensentin außer Frage. Nur dass Präauer die Ebene des Amüsanten und nur Unterhaltsamen nicht verlässt, keine tragischen, existenziellen Verwicklungen sich ergeben, wie Sternburg immer erwartet, lässt die Rezensentin letztlich unbefriedigt zurück.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.08.2014Ein bisschen Selbstfindung
Teresa Präauer erzählt von jungen Künstlern in „Johnny und Jean“. Ihr Treibstoff ist der Pastis
So heißt natürlich keiner: Johnny und Jean, ausgerechnet die beiden. Aber sie sind ja auch noch lange keine Freunde, am Anfang dieses Buchs von Teresa Präauer, die auch das Motiv des Titels selbst aquarelliert hat; es zeigt eine schmale Gestalt mit Norwegermütze. Womit der Verlag darauf hinweist, dass sich die Autorin auskennt mit der Kunst, hat sie doch selbst an Akademien studiert. Wie ihre Protagonisten, die sich gleichzeitig, aber nicht gemeinsam an einer Kunstschule bewerben. Der Erzähler, Johnny, wird mit seinen Fischbildern allerdings erst einmal wieder heimgeschickt, der Altersgenosse, den er seit Jugendtagen kennt, hat neben einer guten Mappe auch noch alles andere, was einen Künstler im 21. Jahrhundert ausmacht: das richtige Auftreten, Geschäftssinn, die Ausstrahlung, das Selbstbewusstsein, Frauen. Johnny wird sich erst mal in eine Freundschaft hineinträumen, in der man sich gegenseitig mit internationalen Vornamen und Aufmerksamkeit beschenkt.
Die Ausgangslage deutet einen Entwicklungsroman an, tatsächlich bewegt sich in dem Buch wenig. Es gibt neben den Hauptfiguren ungeheuer viele junge Künstler, doch alle bleiben emblematisch und unverbunden: Sophie, die in der Aktklasse sitzt und – „sie hat einen analytischen Zugang zu den Dingen“ – nur Dreiecke und Tangenten und gezirkelte Kreise sieht. Franz tippt Konzepte in seinen Laptop, und Catherine verwendet Rötel wie Michelangelo, drapiert Stoffe, schraffiert und schattiert. Während Marie, weil sie „einen Nähkorb vererbt bekommen“ hat, vor dem nackten Modell „Geschlechtsteile aus Plüsch und Perlen“ näht. „Das klingt seltsam, aber so ist es.“
Vor etwa zehn Jahren, als Kunst überraschend teuer wurde und sich Städte wie Berlin als Kunststadt erfanden, war der Beruf „Künstler“ auf Platz eins der Wunschliste von Schulabgängern. Ungefähr dieser Generation muss Präauer angehören: Kunst, das ist ein bisschen Selbstfindung. Das ist das, was im Atelier hergestellt und verkauft wird, und das ist eine gemäßigte Bohème. „Wenn wir alt und berühmt sein werden, sage ich, werde ich unsere Memoiren schreiben: Unser Treibstoff war der Pastis. Jean und Johnny“, schreibt Teresa Präauer, die von der Kunst in die Literatur wechselte.
Aber warum der schüchterne Johnny irgendwann doch mit einer Frau schläft (in einem abgedunkelten Video-Saal des Louisiana-Museums) oder nach vielen Hemmungen zu malen beginnt (er bleibt bei den Fischen), wird nicht erzählt. Die mager formulierten Reisen und Begegnungen können nicht erklären, warum, und noch viel weniger die auf fast jeder Seite eingestreuten Anekdoten: Kunst kommt von Kunst? Aber sicher nicht von Nachwuchs-Künstlern, die sich über Doerners Materialkunde unterhalten oder kundig ihre Vorlieben bei Andy Warhol zu formulieren wissen. Denen zu Cranach ein bisschen einfällt und zu Alex Katz, zu Hockney, Koons, Lassnig, Beuys, die alle ungefähr genauso originelle, irre und unerklärliche Dinge gemacht haben wie Sophie, Franz, Catherine und Marie. Und der Rest der Wohngemeinschaft.
CATRIN LORCH
Teresa Präauer: Johnny und Jean. Roman. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 208 Seiten, 19,90 Euro, E-Book 15,99 Euro.
Irgendwann schläft der
schüchterne Johnny doch mit
einer Frau. Im Louisiana-Museum
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Teresa Präauer erzählt von jungen Künstlern in „Johnny und Jean“. Ihr Treibstoff ist der Pastis
So heißt natürlich keiner: Johnny und Jean, ausgerechnet die beiden. Aber sie sind ja auch noch lange keine Freunde, am Anfang dieses Buchs von Teresa Präauer, die auch das Motiv des Titels selbst aquarelliert hat; es zeigt eine schmale Gestalt mit Norwegermütze. Womit der Verlag darauf hinweist, dass sich die Autorin auskennt mit der Kunst, hat sie doch selbst an Akademien studiert. Wie ihre Protagonisten, die sich gleichzeitig, aber nicht gemeinsam an einer Kunstschule bewerben. Der Erzähler, Johnny, wird mit seinen Fischbildern allerdings erst einmal wieder heimgeschickt, der Altersgenosse, den er seit Jugendtagen kennt, hat neben einer guten Mappe auch noch alles andere, was einen Künstler im 21. Jahrhundert ausmacht: das richtige Auftreten, Geschäftssinn, die Ausstrahlung, das Selbstbewusstsein, Frauen. Johnny wird sich erst mal in eine Freundschaft hineinträumen, in der man sich gegenseitig mit internationalen Vornamen und Aufmerksamkeit beschenkt.
Die Ausgangslage deutet einen Entwicklungsroman an, tatsächlich bewegt sich in dem Buch wenig. Es gibt neben den Hauptfiguren ungeheuer viele junge Künstler, doch alle bleiben emblematisch und unverbunden: Sophie, die in der Aktklasse sitzt und – „sie hat einen analytischen Zugang zu den Dingen“ – nur Dreiecke und Tangenten und gezirkelte Kreise sieht. Franz tippt Konzepte in seinen Laptop, und Catherine verwendet Rötel wie Michelangelo, drapiert Stoffe, schraffiert und schattiert. Während Marie, weil sie „einen Nähkorb vererbt bekommen“ hat, vor dem nackten Modell „Geschlechtsteile aus Plüsch und Perlen“ näht. „Das klingt seltsam, aber so ist es.“
Vor etwa zehn Jahren, als Kunst überraschend teuer wurde und sich Städte wie Berlin als Kunststadt erfanden, war der Beruf „Künstler“ auf Platz eins der Wunschliste von Schulabgängern. Ungefähr dieser Generation muss Präauer angehören: Kunst, das ist ein bisschen Selbstfindung. Das ist das, was im Atelier hergestellt und verkauft wird, und das ist eine gemäßigte Bohème. „Wenn wir alt und berühmt sein werden, sage ich, werde ich unsere Memoiren schreiben: Unser Treibstoff war der Pastis. Jean und Johnny“, schreibt Teresa Präauer, die von der Kunst in die Literatur wechselte.
Aber warum der schüchterne Johnny irgendwann doch mit einer Frau schläft (in einem abgedunkelten Video-Saal des Louisiana-Museums) oder nach vielen Hemmungen zu malen beginnt (er bleibt bei den Fischen), wird nicht erzählt. Die mager formulierten Reisen und Begegnungen können nicht erklären, warum, und noch viel weniger die auf fast jeder Seite eingestreuten Anekdoten: Kunst kommt von Kunst? Aber sicher nicht von Nachwuchs-Künstlern, die sich über Doerners Materialkunde unterhalten oder kundig ihre Vorlieben bei Andy Warhol zu formulieren wissen. Denen zu Cranach ein bisschen einfällt und zu Alex Katz, zu Hockney, Koons, Lassnig, Beuys, die alle ungefähr genauso originelle, irre und unerklärliche Dinge gemacht haben wie Sophie, Franz, Catherine und Marie. Und der Rest der Wohngemeinschaft.
CATRIN LORCH
Teresa Präauer: Johnny und Jean. Roman. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 208 Seiten, 19,90 Euro, E-Book 15,99 Euro.
Irgendwann schläft der
schüchterne Johnny doch mit
einer Frau. Im Louisiana-Museum
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»ein hinreißender Roman« (Ina Hartwig, die tageszeitung, 31.01.2015) »ein bilderreiches und sprachspielerisches Meisterwerk« (Christa Gürtler, Der Standard, 20.09.2014) »auf zweihundert Seiten ein literarisches Feuerwerk« (Swantje Karich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.2014) »ein rasanter Künstlerroman, der mit viel Humor und Esprit daherkommt« (Thomas Geldner, Berichte und Rezensionen aus den Büchereien Wien, Winter/Frühjahr 2016) »Spannend!« (Hagen Haas, General-Anzeiger Bonn, 07.06.2016) »eine mit Verve und Witz konstruierte und lustvoll servierte literarische Kost« (Heimo Mürzl, Bücherschau 3/2017)