In "Jonglieren" treffen zahlreiche Personen aus komplizierten Familienverhältnissen aufeinander - neudeutsch: Kinder aus Patchwork-Familien. Christina ist die leibliche Tochter von Alice. Ihre ältere Schwester Pam wurde als Neugeborenes von Alice und Joe adoptiert, nachdem das Drama um den Tod von
Pams Mutter das Paar an deren Sterbebett überhaupt erst zusammengeführt hatte. Joe ist der Verleger…mehrIn "Jonglieren" treffen zahlreiche Personen aus komplizierten Familienverhältnissen aufeinander - neudeutsch: Kinder aus Patchwork-Familien. Christina ist die leibliche Tochter von Alice. Ihre ältere Schwester Pam wurde als Neugeborenes von Alice und Joe adoptiert, nachdem das Drama um den Tod von Pams Mutter das Paar an deren Sterbebett überhaupt erst zusammengeführt hatte. Joe ist der Verleger der Verstorbenen. Die Geschichte der ungewöhnlichen Familiengründung erzählt Mutter Alice ihren Töchtern wie ein Märchen. Die Mädchen sind im Alter weniger als ein Jahr auseinander und Christinas Eifersucht auf die Erstgeborene ist nur zu verständlich. Schon früh wird Christinas Drang deutlich, Gleichaltrige zu dominieren und aus der Enge ihrer Familie auszubrechen. Pietro, der Jongleur, dem sie so gern nacheifern würde und den sie zum Beinahe-Vater ehrenhalber ernennt, wartet mit einer ähnlich komplizierten Herkunft auf. Als Kind kennt Christina die Verbindung zwischen Alice und einem Mann namens Roland Dent noch nicht, die durch Pietros Herkunft bis nach Frankreich reicht. Durch eine Begegnung mit Internatsschülern entschliesst sich Joe spontan, seine Töchter auf das englische Internat dieser Jungen schicken. Die Schule nimmt noch nicht lange Mädchen auf, ihre Strukturen sind stark durch männliche Rituale geprägt. Christina findet im Internat ihr aus "Der Herr der Fliegen" bekannte Gruppen-Beziehungen vor. Herrscher und Meinungsführer der Schüler ist Jago Rutherford, dessen Kontakt zum eigenen Zwillingsbruder durch die Trennung seiner Eltern abriss und der unbewusst auf der Suche nach seiner verlorenen schwächeren Hälfte zu sein scheint. Der Neuanfang im Internat ermöglicht Joe und Alice ein Leben ohne Kinder; die Mädchen können sich endlich mit Gleichaltrigen messen, nicht wie bisher nur mit der eigenen Schwester. Die Beziehung zwischen der allgemein bewunderten Christina und Jago könnte die Verletzungen des wilden, unglücklichen Jungen heilen, würde bei Jagos Ersatzzwilling Peter jedoch neue Wunden reißen. In einer Halloween-Nacht kommt es zu einer Gewalttat unter den Internatsschülern. Mehrere Personen wollen - mit besten Absichten - dem Opfer helfen, in eigener Hilflosigkeit verschlimmern sie die Sache jedoch. Was gut gemeint war, sprengt die ohnehin komplizierten Beziehungen.
In Rückblenden in die Kindheit werden die Familienbeziehungen gleich zu Beginn der Handlung aufgefächert, so dass man ähnlich wie in einer Krimihandlung Details sammeln kann, die zu einer Lösung führen könnten. Das Thema Herkunft läuft wie eine zweite Spur neben der Handlung. Wie die eigene Entwicklung von der Nationalität der Eltern beeinflusst wird, das Wissen über die leiblichen Eltern, wie auch die Situation von Stief- und Halbgeschwistern laufen wie ein roter Faden durch die Handlung.
Die bis dahin so spannende Handlung hebt leider im letzten Drittel des Buches ab, sie zerfasert an dem Punkt, an dem ich lieber wissen wollte, wie es dem Opfer der Gewalttat inzwischen geht. Chrissie, vom Kinderbuch "Madeline" und von "Herr der Fliegen" geprägt, arbeitet inzwischen als Studentin über Shakespeare - Barbara Trapido schwelgt deutlich in literarischen Bezügen. Durch die Beziehungen zwischen sehr vielen Personen, sowie die intertextuellen Bezüge war "Jonglieren" für mich ein mit feinem bis drastischem Humor beobachteter, sehr fordernder Familien-Roman, der sicher bei der zweiten Lektüre weitere Seiten von sich preisgeben wird.