Im Ersten Weltkrieg kämpften jüdische Soldaten in den Armeen aller Kriegsparteien. Zugleich sahen sich auch die jüdischen Gemeinschaften in der ›Heimat‹ der beteiligten Nationen mit einer in diesem Ausmaß bisher ungekannten Herausforderung konfrontiert: Sie mussten ihre grenzüberschreitenden jüdischen Solidaritätsvorstellungen mit ihren staatsbürgerlichen Loyalitätsvorstellungen in Ausgleich bringen und (wenn notwendig) verteidigen. Verschärft wurde dieses Dilemma durch die humanitäre Lage der jüdischen Zivilbevölkerung in Osteuropa, durch deren Siedlungsgebiet die östliche Kriegsfront verlief – eine Konstellation, die wiederum selbst nicht ohne Rückwirkungen auf die Debatten der Juden in Europa und den USA blieb. Indem die Studie jüdische Kriegserfahrungen aus dem deutschsprachigen und dem angloamerikanischen Raum analysiert, kann sie die Deutungskämpfe über verschiedene Vorstellungen und Praktiken des Jüdischseins während des Krieges erstmals systematisch-vergleichend gegenüberstellen. Dabei gelingt es ihr insbesondere auch, die Dynamiken zwischen den jüdischen Akteuren und deren Handlungsspielräume in den Fokus zu rücken. Insgesamt leistet die Studie damit einen wichtigen Beitrag dazu, das Narrativ einer für das 20. Jahrhundert oft vereinfacht dargestellten jüdischen Untergangsgeschichte (Deutschland, Österreich) einerseits und einer jüdischen Erfolgsgeschichte (Großbritannien, USA) andererseits aufzubrechen und der historiografischen Sogwirkung der Erfahrungen des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs zu entziehen.