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Beruhend auf einer wahren Geschichte stellt die erfolgreiche Theaterautorin Nino Haratischwili in ihrem ersten Roman die Frage nach Authentizität. Das Buch "Die Eiszeit" von Jeanne Saré wird in den Siebziger Jahren ein großer Verkaufserfolg, vor allem in feministischen Kreisen. Das hasserfüllte Buch der jugendlichen Selbstmörderin Saré animiert mehrere Leserinnen zum Suizid. Nun, in der Jetztzeit, machen sich in Paris einige Menschen auf die Suche nach Saré. Was hat der Verleger des Buches, ein grantiger älterer Herr mit Saré zu tun? Warum gibt es keine Zeugnisse? Und wie konnte das Buch…mehr

Produktbeschreibung
Beruhend auf einer wahren Geschichte stellt die erfolgreiche Theaterautorin Nino Haratischwili in ihrem ersten Roman die Frage nach Authentizität. Das Buch "Die Eiszeit" von Jeanne Saré wird in den Siebziger Jahren ein großer Verkaufserfolg, vor allem in feministischen Kreisen. Das hasserfüllte Buch der jugendlichen Selbstmörderin Saré animiert mehrere Leserinnen zum Suizid. Nun, in der Jetztzeit, machen sich in Paris einige Menschen auf die Suche nach Saré. Was hat der Verleger des Buches, ein grantiger älterer Herr mit Saré zu tun? Warum gibt es keine Zeugnisse? Und wie konnte das Buch derart wirken? Nino Haratischwili beschreibt auf schwindelerregende Weise, welche Bedeutung Geschichten für das Leben haben können.
Autorenporträt
Nino Haratischwili wurde 1983 in Tiflis, Georgien, geboren. Sie leitete von 1998 bis 2003 die freie zweisprachige Theatertruppe "Fliedertheater " und zeigte mit dieser mehrere Produktionen an georgischen Theatern sowie Gastspiele in Deutschland. Von 2000 bis 2003 studierte sie Filmregie an der Staatlichen Schule für Film und Theater in Tiflis. Bis 2007 folgte ein Regiestudium an der Theaterakademie Hamburg. Nino Haratischwili schreibt Prosatexte und Stücke in deutscher Sprache. 2009 gewann sie gemeinsam mit Philipp Löhle den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes. Sie lebt als freie Regisseurin und Autorin in Hamburg. 2001 erschien die Erzählung "Der Cousin und Bekina", 2009 erschien "Georgia / Liv Stein: Nino Haratischwili Zwei Stücke".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2010

Leiden mit Eiszeit
Nino Haratischwili erzählt von
Frauen, die sich das Leben nehmen
Wer ist Danielle Sarréra? Man weiß es nicht so genau. Der Mythos besagt, dass sich dahinter eine Ausreißerin verbirgt, die ihren Weltschmerz in Schulhefte notierte und sich 17-jährig am Pariser Nordbahnhof das Leben nahm. Vor allem in feministischen Kreisen wurde sie nach der posthumen Veröffentlichung ihrer Notizen zur Ikone stilisiert. Angeblich gab es Frauen, die ihr nach der Lektüre in den Tod folgten: das werthersche Phänomen. Viele behaupten, dass der französische Verleger Frédérick Tristan „Sarréra“ als Pseudonym benutzte, um seiner eigenen Kurzprosa Authentizität zu verleihen. Manche bezweifeln auch dies.
Und wer ist Jeanne Saré? Dieser Frage widmet sich Nino Haratischwili in ihrem Debütroman „Juja“, in dem sie den Sarréra-Mythos wiedererzählt. Auch hier nehmen sich Frauen das Leben in Verbindung mit einem Buch, das 1953 unter dem Titel „Die Eiszeit“ erschien und laut Klappentext in den siebziger Jahren Verkaufserfolge feierte. Auszüge daraus sind Teil von „Juja“. Hier kämpft die verzweifelte und der Welt schon halb entrückte Saré in den Straßen von Paris und in ihrer heruntergekommenen Wohnung ums Überleben; die sündige Eva, die wahnsinnige Ophelia, die vor Schmerz erstarrte Niobe und andere ihr seelisch verwandte Frauengestalten bevölkern ihren Geist.
„Alle sagen, sie hätte Probleme. Sie hat keine. Keine mehr. Ihre Probleme sind tot.“ Nino Haratischwili fängt jenen Moment im Leben ihrer Protagonistinnen ein, in dem sie sich ihrem Schicksal ergeben und auf den selbstquälerischen Kampf eine innere Leere folgt. In dem der Tod das letzte Glück verheißt. Ihre Einsamkeit und vergebliche Sinnsuche sehen sie in den Schriften Sarés gespiegelt, die sie dazu bringen, sich ihrem Unglück zu stellen und zu entscheiden, ob und wie das Leben weitergeht. Da ist Laura, die nach einer Fehlgeburt und der Trennung von ihrem Mann die Lebenslust verliert. Olga, die von Saré aus ihrem langweiligen Uni-Leben gerissen wird und sich erstmals die Sinnfrage stellt. Und Francesca, alkoholkrank und depressiv. Sie traf das Schicksal am härtesten: Ihr Ehemann tötete zunächst den gemeinsamen fünfjährigen Sohn und dann sich selbst.
Laura ist Kunstwissenschaftlerin und wird von dem Studenten Jan überredet, mit ihm in Paris nach Jeanne Saré zu forschen. Sie treffen auf Patrice, einen vereinsamten unglücklichen alten Mann, der wahrscheinlich der eigentliche Autor der Schriften ist. Ein zweiter Frédérick Tristan. Und auf Nadine Leavits, die den Nachdruck des Buches verbieten ließ, da ihre Freundin Olga nach der Lektüre den Freitod wählte. Jeanne Saré ist der Faden, mit dem Nino Haratischwili die Lebens- und Leidensgeschichten verwebt. Sie stellt dem Ganzen eine Ich-Erzählerin zur Seite, eine Autorin, die die Zweifel der anderen Figuren teilt: „Ich habe keine Orientierung, nie gehabt. Ich irre in fremden Geschichten umher, versuche die meine zu finden.“
Nino Haratischwili hat ihren Romanfiguren in den Kapitelüberschriften Rollen zugeordnet. So ist Patrice der Bruder, Jan der Freak, Francesca die Frau oder die Ich-Erzählerin. Doch verstecken sich hinter den Bezeichnungen keine Bühnencharaktere, die musterhaft unsere Gesellschaft verkörpern, sondern Individuen. Es ist ein Hinweis darauf, dass Haratischwili bislang vor allem als Autorin von Theaterstücken in Erscheinung getreten ist. In Georgien geboren, schreibt sie auf Deutsch und erhielt im März den Adelbert von Chamisso-Förderpreis.
In „Juja“ bemüht sie sich, das Leiden an der Welt facettenreich zu beleuchten. Dennoch birgt der Roman ein Problem, denn die Lebensumstände allein rechtfertigen keine Todessehnsucht. Und die Einblicke in die Gedankenwelten der Figuren, die uns Haratischwili gewährt, schaffen es ebenso wenig, die Verzweiflung zu transportieren. Zumal sie sich als Autorin mit dem Abdruck der fiktiven Eiszeit-Passagen einer zum Scheitern verurteilten Gefahr aussetzt: Dass der Leser die Wucht der Texte Sarés auf die Charaktere im Buch an sich selbst nachzuvollziehen sucht. „Wie konnte das Buch derart wirken?“, dieser Frage gehen nicht nur Laura, Jan und Francesca, sondern auch der Leser nach. „Juja“ kann sie letztlich nicht beantworten.
CARA WUCHOLD
NINO HARATISCHWILI: Juja. Roman. Verbrecher Verlag, Berlin 2010. 304 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Aha, ein Frauenbuch. Jedenfalls schicken rosa Einband, lila Schrift und allerhand unglückliche Frauenfiguren im Debütroman von Nino Haratischwili die Rezensentin auf diese Fährte. Tief im Innern des Buches aber geht es dann doch um so hartgesottene Fragen, findet Grete Götze heraus: Was ist ein Autor, was eine authentische Geschichte? Oder doch nicht ganz? Laut Götze spielt die junge Autorin nur mit diesen Fragen und schreibt ansonsten ein Buch über die Liebe, über Paris, das Cafe de Flore und den Montmartre und entwirft ein riesiges Panoptikum von Figuren mit je eigener Sprache. Der direkte Draht der Autorin zur Sprache überrascht die Rezensentin weniger, schließlich kommt Haratischwili vom Theater. Als intensive Melange aus kriminalistischen, autobiografischen und mythologischen Elementen überzeugt sie dieses Debüt auf jeden Fall.

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