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Alles beginnt harmlos mit einem Jungenstreich: Die Studenten Paul und Magnus planen einen Anschlag auf den Medienzar Kudelka während dessen Auftritt an der Universität. Erstaunt, wie gut das gelingt, sind sie gleichzeitig enttäuscht, dass ihre Tat quasi ohne Folgen bleibt. Doch dann geschieht Unerwartetes: Ein Museum voller sprechender Objekte, ein Teelöffel Salz und eine Pizza lassen Pauls Leben komplett aus den Fugen geraten. Er findet sich als Gefangener in einer fremden Wohnung und erfährt, dass Kudelka entführt wurde - und dass er als Hauptverdächtiger gesucht wird. Nun beginnt eine…mehr

Produktbeschreibung
Alles beginnt harmlos mit einem Jungenstreich: Die Studenten Paul und Magnus planen einen Anschlag auf den Medienzar Kudelka während dessen Auftritt an der Universität. Erstaunt, wie gut das gelingt, sind sie gleichzeitig enttäuscht, dass ihre Tat quasi ohne Folgen bleibt. Doch dann geschieht Unerwartetes: Ein Museum voller sprechender Objekte, ein Teelöffel Salz und eine Pizza lassen Pauls Leben komplett aus den Fugen geraten. Er findet sich als Gefangener in einer fremden Wohnung und erfährt, dass Kudelka entführt wurde - und dass er als Hauptverdächtiger gesucht wird. Nun beginnt eine raffinierte und spannende Verfolgungsgeschichte nach Südfrankreich - mit überraschendem Ende. Jens Steiner überzeugt mit einer in leichtem Ton geschriebenen Geschichte, in der er ganz nebenbei die Fragen nach Familienbanden, Freiheit im Handeln, nach Selbst- und Fremdbestimmung stellt.
Autorenporträt
JENS STEINER, geboren 1975, studierte Germanistik, Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaft in Zürich und Genf. Sein erster Roman "Hasenleben" (2011) stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2011 und erhielt den Förderpreis der Schweizerischen Schillerstiftung. Jens Steiner wurde 2012 mit dem Preis "Das zweite Buch" der Marianne und Curt Dienemann-Stiftung ausgezeichnet. 2013 gewann er mit "Carambole" den Schweizer Buchpreis und stand erneut auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Gleichzeitig mit "Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit" erscheint im Christoph Merian-Verlag sein Hörspiel "Supermänner" als Hör-CD.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2015

Generation Hasenfuß
Charakterlumpen im Wunderland: Jens Steiners philosophische Satire

Die Philosophiestudenten Paul und Magnus gehören zur "Generation der Hasenfüße": Sie lesen in der Vorlesung aus stillem Protest gegen den Bildungsplan Perry Rhodan, räsonieren über Willensfreiheit und Verantwortung, Hoffnung und Weltverachtung und können sich doch selten zu einem präzisen Gedanken oder gar einer politischen Tat aufraffen. Während Magnus sich bei Amnesty International, Jungsozialisten und Fledermausschützern engagiert, hat der "fröhliche Charakterlump" Paul beschlossen, alle Sinngebungsversuche der Geistesgeschichte in sich aufzusaugen, um zu einer "großen Unsinnsgebung auszuholen". Eine Lizenz zum Blödeln, von der Jens Steiner reichlich Gebrauch macht: Schopenhauers Pudel und Loriot-Figuren treten auf, man albert, ein koboldhafter Homunkulus gibt kluge Ratschläge wie "Zurückwollen bringt nie nichts, immer vorwärts, fadengerade!" oder "Was ist, sei dein, was nicht, lass sein".

Der Auftritt des Medientycoons Doktor Kudelka an der Uni reißt die beiden Taugenichtse aus ihrer infantilen Lethargie und animiert sie zu einem "Spiel mit offenen Regeln" in der Tradition der Situationisten und Achtundsechziger. Die Aktion ist ein voller Erfolg: Kudelka wird durch technische Manipulationen als hohler Schwätzer entlarvt, die Störer werden vom Hausmeister abgeführt. Als der Unternehmer wenig später entführt wird, überschlagen sich die Ereignisse. Paul, laut Fernsehsteckbrief ein "junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit", gerät in Verdacht, Kudelka entführt zu haben; womöglich war es aber auch sein Nachbar Klöppel und die Entführung eigentlich eine Befreiung oder eine Familienzusammenführung. Wie auch immer: Getarnt mit falschem Bart, teebraunen Haaren und dem Pass eines gewissen Pablo Escobar, muss Paul von Zürich nach Marseille fliehen, verfolgt von dunklen Mächten und kuriosen Beschützern, darunter eine feurige Spanierin, sinistre Strategiespieler, der altkluge Homunkulus, Würmer, eine Pizza mit wechselnder Auflage und allerlei Schemen, die sich aus Pauls Albträumen oder Hoteltapetenmustern schälen. Identitäten werden verrückt, die Unsinnsgebung wird immer grotesker, aber das macht die Verfolgungsjagd nicht eben spannender. Vielleicht stand ja ein kafkaesker Verschwörungsthriller oder eine Art "Alice im Wunderland" auf Steiners Bildungsplan, aber für einen Krimi ist seine Verkleidungskomödie jedenfalls zu absurd, für eine philosophische Studie zu unseriös und für unschuldigen Nonsens zu verworren.

Das Happy End zieht Steiner wie ein weißes Kaninchen aus Kudelkas Zylinder: Der verhasste Medienzar ist eigentlich ein umgänglicher Mann, wenn nicht Pauls väterliches Über-Ich. Jedenfalls redet er seinem verlorenen Sohn und dessen Generation streng ins Gewissen: Moralisch schwach und "verkümmert", seien sie unfähig, ihre schönen Ideen vom guten, solidarischen Leben zu verwirklichen. Paul lässt sich das nicht zweimal sagen: Er schlägt Kudelka in sanfte Fußfesseln, löst sein Medienimperium auf und lebt in inzestuöser Liebe mit seiner Halbschwester auf Korsika. Von der großen Utopie bleibt nur ein Idyll mit Ziegen und Hühnern übrig; selbst der Vatermord ist für die Generation Hasenfuß ein Kinderspiel ohne Sieger und Verlierer. Aber wer wen indoktriniert, manipuliert und entführt, wie Kudelka, Klöppel und Paul miteinander verwandt sind, spielt letztlich auch keine Rolle mehr. Vielleicht, sinniert Paul am Ende, war die Entführung eigentlich Kudelkas Projekt und "unsere ganze verkümmerte Generation nichts als eine Idee seiner eigenen Generation".

Steiner gelingen immer wieder hübsche Bonmots und skurrile Bilder, aber alles in allem ist sein dritter Roman nur eine konfuse Kreuzung aus Kriminal-, Generationen- und Familienroman, angereichert mit philosophischen Brocken und Schweizer Mediensatire (wenn Kudelka Christoph Blocher ist, wäre sein vorwitziger Sohn Klöppel Roger Köppel). Der manchmal penetrant muntere, leichte Ton passt nicht so recht zum schweren Stoff, und die postmodernen Verkleidungs- und Vexierspiele ermüden bald. In seinem mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichneten Roman "Carambole" erzählte Steiner zuletzt zwölf Geschichten aus dem Alltag eines Dorfs. Das war zauberhaftes Taschenbillard, elegant über Bande gespielt mit pubertären Sehnsüchten und gescheiterten Hoffnungen: "Nichts passierte. Alles passierte." Der Roman "Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit" hingegen ist ein Spiel, in dem viel passiert, aber es erzählt nichts über die Welt und reißt keinen Hasenfuß aus seiner moralischen Lethargie.

MARTIN HALTER

Jens Steiner: "Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit". Roman.

Dörlemann Verlag, Zürich 2015. 238 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2015

Sojakeks mit
Schopenhauer
Jens Steiner entwirft ein
postmodernes Spiegelkabinett
Vielleicht lässt sich Jens Steiners Roman „Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit“ ja doch als Porträt einer Generation lesen. Obwohl es vordergründig um einen eher eigenbrötlerischen Philosophiestudenten geht. Die Gegenwart erscheint ihm „schäbig“ und „an allen Ecken und Enden etwas abgewetzt“, aber immerhin hat dieser Paul Kübler sich bestmöglich in den Kulissen des Alltags eingerichtet.
  Sein träumerisch-tristes Dasein wird mit Trivialliteratur, Sojakeksen, Vergangenheitsfantasien von Lotta, der Ex im roten Trenchcoat, und Philosophiererei mit dem einzigen Freund Magnus voll ausgefüllt. Dieser, ein ungelenk verstolperter „Quasimodo“ und politisch interessierter Kommilitone, stiftet ihn eines Tages dazu an, einen Gastvortrag des Medienmoguls Henri Kudelka zu sabotieren. Anstatt wegweisender Gedanken zur Zukunft der Printmedien gibt es nun via Tonband die wahren, kommerziellen Absichten des vermeintlichen Wohltäters zu hören. Von da an ist das Leben im Leerlauf vorbei: Kudelka wird entführt, Kübler als Täter verdächtigt und europaweit gesucht. Dazu kommen noch eine Femme fatale, die undurchschaubare Dolores, und der seltsam farblose Nachbar Klöppel, in dessen Wohnung sich Paul Kübler plötzlich wiederfindet und auf dessen Spuren er sich nach Südfrankreich begibt.
  Der Schweizer Autor Jens Steiner hat in den vergangenen vier Jahren drei Romane veröffentlicht. Darunter der von der Kritik gelobte Roman „Hasenleben“ und die 2013 mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnete Dorfgeschichte „Carambole“. Gemeinsamkeiten zu den Vorgängern, insbesondere zum Debüt, weist auch „Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit“ auf; etwa die Vaterlosigkeit des Protagonisten. Die Erzählperspektive wird diesmal zwar nicht gewechselt, dafür springt die Handlung vom Hotelzimmerversteck zurück an die Uni und wieder vor, zu den Stationen von Küblers Flucht. Dabei treten diverse surreale Gestalten wahlweise als Hindernis oder Helfer auf: Ein rätselstellender Türwächter, Pudelbesitzer, die ihre Tiere allesamt Butz Atman nennen, und manchmal spaziert der selbsteigene Homunkulus, ein im Gehirn hausender, die Welt vermittelnder Gnom, durchs Geschehen.
  Solche Szenen sind zu Beginn durchaus noch spaßig, die Handlung verflacht aber zunehmend und gleitet in einen grotesken Wachtraum ab. Als hätten sich Loriot, Haruki Murakami und Kafka im Text eingefunden und ein jeder seine eigene Spur hinterlassen, nur dass es irgendwann der Merkwürdigkeiten zu viele sind. Und so manches bleibt unerzählt stehen. Aus der Gewandtheit wird eine bloße Masche, hinter jeder Szene klappt eine weitere bereits bekannte auf.
  Die Sprache, die Steiner für seine Mischung aus Thriller, Entwicklungsroman und Satire findet, ist präzise, originell und amüsant – allerdings ist der leichtfüßige Ton angesichts des durchaus ernsten Sujets nicht immer angemessen trittfest. Denn letztlich kreist der Text doch um Ernsteres, als die stilistische Lockerheit vermuten lässt. „Wir gehören zu einer Generation von Hasenfüßen“, bekennt der Erzähler einmal und benennt damit den Anti-Idealismus gegenwärtiger westeuropäischer Mittzwanziger. Eine Generation, die geprägt ist von Konfliktscheu, Freiheitsangst und dem Rückzug in die passiv-privaten Eskapismusräume des Internets. Auch die Figur des Paul Kübler kann sich dem nicht vollständig entziehen, wird sie doch auf die Reise geschickt, ohne selbst eine Veränderung initiieren zu können. Dabei schwingt bei Steiner durchaus die Sehnsucht nach einem Ausbruch aus der digitalen Apathie, nach einem gänzlich anlogen Abenteuer mit. Dementsprechend ist der einzige Vertreter der digitalen Medienkultur, Kudelka, der Buhmann. Und als dem Protagonisten einmal ein Smartphone zufällig in die Hände fällt, befindet er es recht schnell für nutzlos und wirft es weg.
  Doch diese kulturkritischen Aspekte flackern nur gelegentlich auf, ähnlich wie Schopenhauers Gedankenwelt. Ein Zitat des Philosophen stellt Steiner dem Roman voran. Letztendlich aber kommt „Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit“ über ein postmodern-unterhaltliches Kaleidoskop nicht hinaus.
TOBIAS SEDLMAIER
Jens Steiner: Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit. Dörlemann Verlag, Zürich 2015. 240 Seiten, 20 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Loriot, Kafka und Murakami
geben sich in diesem surrealen
Roman ein Stelldichein
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»Eigentlich hört sich das alles nach einem Krimi an oder einem Roadmovie - aber das würde dem Buch nicht gerecht werden. Denn Steiner schafft es wunderbar leicht und mit großer sprachlichen Geschicklichkeit, die verschiedenen Genres zusammenzubringen, ohne dem Liebesgeschichtenhasser den Lesegenuss zu nehmen oder dem philosophisch Unbefleckten Fragezeichen aufs Gesicht zu zaubern - und so viele andere Bereiche mehr. - Ein lesenswertes Buch und darum gerne empfohlen.«
Jutta Weber, Buchprofile/Medienprofile

»Paul ist bemüht, das Leben und die Mechanismen der Gesellschaft zu verstehen, er wägt Freiheit und Unfreiheiten ab - und das alles in einem ziemlich verwickelten Roman, der den Leser manchmal genau so an der Nase herumführt wie den Helden.«
Petra Lohrmann, Gute Literatur - Meine Empfehlung

»Was Jens Steiner hier komponiert, ist ein philosophischer, fast kafkaesk anmutender Roman, in dem sich Protagonist und Leser gleichermaßen fragen, was Schein oder Sein ist.«
Regine Mitternacht, ekz.bibliotheksservice

»Der sprachbewusste Zürcher Autor hat ... ein Flair für realitätsnahe Anspielungen nicht nur im Bereich der Medienwelt und für unverhohlene Gewissheiten, die wohl kaum leicht(fertig) einzugestehen sind«
Roland Erne, Doppelpunkt

»... die Geschichte gerät zu einem literarischen Verwirrspiel, zur kafkaesken Verfolgungsjagd.«
Denise Bucher, Züritipp