Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Brückenbauten und Flussbegradigungen in Schlamm versteckt kleinformatige Zeichen aus Blei-Zinn entdeckt wurden, stießen die unscheinbaren Funde ein unerwartetes Fenster in die private Bilderwelt des Spätmittelalters auf. Pilgerzeichen und religiöse Devotionalien stellten den größten Teil dieses Fundmaterials dar. Zu ihnen gesellten sich aber auch zahlreiche profane Abzeichen mit politischen, ständischen oder auch erotischen Konnotationen. Bis zum Ersten Weltkrieg erfreuten sich diese überwiegend aus Frankreich stammenden Stücke bei Sammlern und kunstgewerblichen Museen eines gewissen Interesses, so dass damals zahlreiche Sammlungen entstanden, von denen viele inzwischen untergingen oder zerstreut wurden. Als Stücke von fragwürdigem Kunstwert und spezifischer Lokalisierung sind die Pilgerzeichen seit der Zwischenkriegszeit bei Kunsthistorikern, Archäologen und Historikern lange Zeit außer Kurs geraten. Die kulturhistorischen Aussagemöglichkeiten dieser seriell hergestellten Massenbildmedien sind erst in den letzten Jahren wieder in den Blick geraten. Vor diesem Hintergrund ist das Erscheinen dieses Katalogs ein Glücksfall, denn er präsentiert erstmals eine Sammlung von etwa 500 französischen Zeichen, die 1891 von dem Mäzen Adalbert von Lanna für das Prager Kunstgewerbemuseum erworben wurde und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges teilweise in das Prager Nationalmuseum gelangte. Diese Sammlung ist neben der des Pariser Musée national du Moyen Âge - thermes et hôtel de Cluny die weltweit größte französischer Zeichen. Eine gemeinsame Neubearbeitung dieser beiden Sammlungsteile, die bisher weder insgesamt ausgestellt noch publiziert worden waren, wurde durch ein von der Gerda Henkel-Stiftung unterstütztes Forschungsprojekt im Jahr 2010 ermöglicht, an dem sich der Kirchenhistoriker Hartmut Kühne, die Theologin und Archäologin Carina Brumme und die Kunsthistorikerin Helena Koenigsmarková beteiligten. Der Katalog stellt alle Objekte der beiden Sammlungsteile in thematisch geordneten Gruppen vor. Eine Einleitung führt in die Geschichte der Sammlung und den Kontext der Pilgerzeichenforschung um 1900 ein. Der Band wird von einem Geleitwort des Mediävisten Jean-Claude Schmitt eröffnet.
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