Das 1784 erschienene und uraufgeführte Drama "Kabale und Liebe" (ursprünglich unter dem Titel "Luise Millerin" geplant) von Friedrich Schiller beschließt, in Anlehnung an Gotthold Ephraim Lessings "Emilia Galotti"? die Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels im 18. Jahrhundert - eine literarische Form, die mit der klassizistischen Auffassung und Tragödie bricht und Probleme des häuslich-privaten Bereichs und den Konflikt der Stände zum Gegenstand der tragischen Handlung macht. In sehr direkter Weise wird in Schillers "Kabale und Liebe" mit seinem auf Spannung angelegten klaren Aufbau Kritik an den politischen Zuständen in der Fürstentümern geübt: Willkür, Mätressenwirtschaft, Verkauf von Landeskindern. Das bürgerliche Trauerspiel kontrastiert die verrottete Moral des Hofes mit der Tugend des Bürgertums. Im Mittelpunkt des Sturm-und-Drang-Stücks steht die tragische Liebesbeziehung zwischen Angehörigen verschiedener Stände: zwischen dem Adligen Ferdinand und der Musikertochter Luise Miller. "Kabale und Liebe" eroberte rasch die Bühne und gehört zu den großen Klassikern des deutschen Dramas. Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe.
"Wer wissen will, was Demokratie und Freiheit wert sind, muss nur Schillers 'Kabale und Liebe' lesen. Es gibt wenige Stücke, die so frisch und empörend geblieben sind. Die Geschichte des Adligen und des Bürgermädchens, deren Liebe von einer boshaften Intrige (damals auch Kabale genannt) unterbunden wird, weil es nicht erlaubt war, die Standesgrenzen zu überschreiten, hat noch heute die Kraft, bei Lesern wie Zuschauern echten Hass und echte Verzweiflung auszulösen. ... Doch wäre Schiller nicht Schiller, wenn er sich im Realismus erschöpfte. Ein wenig philosophische Konstruktion hat er doch untergebracht, und sie sorgt dafür, dass sich der heutige Zuschauer nicht ohne weiteres von dem Stück als einer Geschichte historischer, überwundener Leiden distanzieren kann. Denn es geht nicht einfach nur um eine Liebe, die an den Standesgrenzen des 18. Jahrhunderts scheitert, so wie es Fontane für das 19. und Schnitzler sogar noch für das frühe 20. Jahrhundert geschildert haben. Es geht überhaupt um individuelles Glück und individuelle Selbstbestimmung, die an den Regeln der Gesellschaft scheitern." -- Jens Jessen, DIE ZEIT-Schülerbibliothek
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Jens Jessen bespricht für die Zeit-Schülerbibliothek Schillers Werk "Kabale und Liebe", mit dem er bewiesen sieht, dass Schiller nicht nur rein philosophische, sondern durchaus auch "realistische" Stücke mit philosophischer Note schreiben konnte. Realistisch findet er vor allem "Charaktere und Milieu" des Dramas. Jede Figur habe ihre Redeweise, man lerne bürgerliche und adlige Umgangssprache kennen, die Flüche des Hofes und der Dienstboten". Prinzipiell findet der Rezensent das Werk nach wie vor brandaktuell, ginge es doch letztendlich "um individuelles Glück und individuelle Selbstbestimmung, die an den Regeln der Gesellschaft scheiterten", und "solche Regeln hätte ja nun mal jede Gesellschaft, auch unsere". Als Vergleich zu Schillers beschriebenem Szenario zieht er die Ex-DDR heran, deren Stasi ja auch "Ehen durch Intrigen auseinander" zu bringen versucht habe. Und um wirklich ermessen zu können, was "Demokratie und Freiheit" wirklich "wert seien", brauche man nur Schillers "frisches und empörendes" Stück zu lesen, meint der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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