Ferdinand von Schirachs neues Buch »Kaffee und Zigaretten« verwebt autobiographische Erzählungen, Aperçus, Notizen und Beobachtungen zu einem erzählerischen Ganzen, in dem sich Privates und Allgemeines berühren, verzahnen und wechselseitig spiegeln. Es geht um prägende Erlebnisse und Begegnungen des Erzählers, um flüchtige Momente des Glücks, um Einsamkeit und Melancholie, um Entwurzelung und die Sehnsucht nach Heimat, um Kunst und Gesellschaft ebenso wie um die großen Lebensthemen Ferdinand von Schirachs, um merkwürdige Rechtsfälle und Begebenheiten, um die Idee des Rechts und die Würde des Menschen, um die Errungenschaften und das Erbe der Aufklärung, das es zu bewahren gilt, und um das, was den Menschen erst eigentlich zum Menschen macht. In dieser Vielschichtigkeit und Bandbreite der erzählerischen Annäherungen und Themen ist »Kaffee und Zigaretten« das persönlichste Buch Ferdinand von Schirachs.
»Wir müssen verstehen, wie wir wurden, wer wir sind. Und was wir wieder verlieren können. Als sich unser Bewusstsein entwickelte, sprach ja nichts dafür, dass wir einmal nach anderen Prinzipien handeln würden, als unsere Vorfahren. Aber wir gaben uns selbst Gesetze, wir erschufen eine Ethik, die nicht den Stärkeren bevorzugt, sondern den Schwächeren schützt. Das ist es, was uns im höchsten Sinn menschlich macht: die Achtung vor unserem Nebenmenschen.«
»Wir müssen verstehen, wie wir wurden, wer wir sind. Und was wir wieder verlieren können. Als sich unser Bewusstsein entwickelte, sprach ja nichts dafür, dass wir einmal nach anderen Prinzipien handeln würden, als unsere Vorfahren. Aber wir gaben uns selbst Gesetze, wir erschufen eine Ethik, die nicht den Stärkeren bevorzugt, sondern den Schwächeren schützt. Das ist es, was uns im höchsten Sinn menschlich macht: die Achtung vor unserem Nebenmenschen.«
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2020NEUE TASCHENBÜCHER
Von unserem Tod
wissen
„Bei unserer Geburt wird ein Pfeil auf uns abgeschossen, der uns in dem Moment unseres Todes erreicht.“ So kafkaesk kann der Jurist und Dramatiker Ferdinand von Schirach unser Dasein etikettieren – diesmal in einem narrativen Kaleidoskop aus achtundvierzig lapidar durchnummerierten Miniaturen. Nicht „Verbrechen“ und „Schuld“ sind die Elemente, Schirach verwandelt reflektierte Beobachtungen in unverblümte „Feuilletons“ – in kritische, melancholische oder spöttische Aufzeichnungen, Glossen, Kurzreportagen über Künstler, Juristen, moderne Normalmenschen. Erfahrungen im Alltagsleben, seltsame Rechtsfälle, Menschen in den Verwerfungen der Gesellschaft stehen obenan. Privates wird im Allgemeinen verortet und umgekehrt. Vulkanausbrüche, bizarre Mordfälle, Kunstraubkrimis. Es gibt Höhepunkte. Vielleicht: Helmut Schmidt und seine Zigaretten. Oder der Film über Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler. Oder die Story, die im unerreichbaren Imperativ des Orakels von Delphi „Erkenne dich selbst!“ gipfelt. Schirach misterioso: „Wir wissen vom Tod, und das ist schon alles, das ist unsere ganze Geschichte“. WOLFGANG SCHREIBER
Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten. btb/ Random House, München 2020, 191 Seiten, 11 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Von unserem Tod
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„Bei unserer Geburt wird ein Pfeil auf uns abgeschossen, der uns in dem Moment unseres Todes erreicht.“ So kafkaesk kann der Jurist und Dramatiker Ferdinand von Schirach unser Dasein etikettieren – diesmal in einem narrativen Kaleidoskop aus achtundvierzig lapidar durchnummerierten Miniaturen. Nicht „Verbrechen“ und „Schuld“ sind die Elemente, Schirach verwandelt reflektierte Beobachtungen in unverblümte „Feuilletons“ – in kritische, melancholische oder spöttische Aufzeichnungen, Glossen, Kurzreportagen über Künstler, Juristen, moderne Normalmenschen. Erfahrungen im Alltagsleben, seltsame Rechtsfälle, Menschen in den Verwerfungen der Gesellschaft stehen obenan. Privates wird im Allgemeinen verortet und umgekehrt. Vulkanausbrüche, bizarre Mordfälle, Kunstraubkrimis. Es gibt Höhepunkte. Vielleicht: Helmut Schmidt und seine Zigaretten. Oder der Film über Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler. Oder die Story, die im unerreichbaren Imperativ des Orakels von Delphi „Erkenne dich selbst!“ gipfelt. Schirach misterioso: „Wir wissen vom Tod, und das ist schon alles, das ist unsere ganze Geschichte“. WOLFGANG SCHREIBER
Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten. btb/ Random House, München 2020, 191 Seiten, 11 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Laut Hubert Winkels nähert sich Ferdinand von Schirach mit seinen Erzählungen moderner Erbauungsliteratur, philosophisch belehrend, verkappte Weisheiten anbietend, wenngleich der Gestus der mal als Essay, mal als Krimi oder Statistik bzw. Sentenz daherkommenden Texte doch der der Beiläufigkeit ist und der Autor partout erzählen möchte, wie Winkels feststellt. Für den Rezensenten unterscheiden sich diese Texte jedoch in einem wichtigen Punkt von Schirachs juristischen Fallgeschichten: Sie ziehen den Leser jeweils in eine existenzielle Situation aus dem Leben des Autors hinein, durchaus witzig und bescheiden, so Winkels, doch stets auf Möglichkeiten der Lebensbewältigung verweisend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die große Stimme der deutschen Literatur« Andreas Wunn / ZDF Mittagsmagazin