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Einsamkeit und Musik, Spaghetti und Duschen. In "Kafka am Strand" zeigt er es wieder allen
Haruki Murakami macht eigentlich alles falsch: Seine Romane haben keinen Spannungsbogen, galoppieren nicht durch die Epochen, zeigen keine entlegenen sozialen Randgruppen und spielen nie im ewigen Eis, im Dschungel oder in New York. Im Literaturkurs eines Tom Wolfe käme der Mann also nicht weit. Seine neuen Bücher sind irgendwann einfach da, liegen in den Buchhandlungen herum, von einer begleitenden Medienkampagne kann man im Ernst nicht sprechen. Daß seine Bücher in Japan sogleich nach Veröffentlichung den ersten Platz der Bestsellerlisten erobern, kann man sich trotzdem grade noch so vorstellen - dort soll es ja in manchen Dingen anders zugehen als hier.
Wie es aber kommt, daß seine Bücher auch überall sonst auf der Welt so außerordentlich gut verkauft werden, daß sie außerdem so viel diskutiert, so heiß geliebt werden, das ist eine andere Frage, wie sie allerdings nur die stellen, die noch nie etwas von ihm gelesen haben. Es geht im Werk von Murakami weniger um einzelne Geschichten als vielmehr um eine spezielle Stimmung, eine Murakami-Mood, die sich so jazzmäßig in allen Büchern ausbreitet.
Wenn man allein den Plot seines neuesten Romans, "Kafka am Strand", betrachtet, verfehlt man jedenfalls den Kern der Sache. Die über sechshundert Seiten währende Suche des fünfzehnjährigen Kafka Tamura nach Liebe und Identität entlang der Ödipusgeschichte nimmt derart viele Abzweigungen und Windungen, daß man auch dreihundert Seiten mehr oder weniger mitgeht. Irgendwann gibt es eine wirklich ekelhaft grausame Szene, in der ein geistig behinderter älterer Herr, der mit Katzen sprechen kann, zusehen muß, wie Johnny Walker, der Mann aus der Werbung, einige Katzen quält und tötet, um aus ihren Seelen eine Flöte zu basteln. Das ist so schräg, daß man sich beim Lesen fragt, was man da eigentlich bitte gerade liest. Und es gibt, sehr zur Freude aller Rezensenten, die expliziten, dabei immer betont naiv daherkommenden Sexszenen. Zwischen solchen Spaziergängen zu den Extremen findet das Buch jedoch zurück zu den Murakami-Standardsituationen, schildert, wie ein einsamer Vormittag sich anfühlt, was einer macht, der eigentlich nichts macht. Murakami beschreibt alltägliche Handlungen wie Duschen und Spaghettikochen mit einer Intensität und Hingabe, die andere Schriftsteller nur bei Naturschilderungen aufbringen. Die andere große Liebe des Autors gehört Situationen, in denen zwei outcasts aufeinandertreffen. Nicht immer sind das Junge und Mädchen, manchmal auch Mann und Vogel oder Idiot und Katze, aber zu lesen, wie in diesen luziden und witzigen Dialogen auch zwischen den kompliziertesten Eigenbrötlern noch eine wirkliche Kommunikation möglich ist, eine Verständigung in welcher Sprache auch immer, zwischen Zeitsphären, selbst zwischen Gespenstern und Lkw-Fahrern, das ist die helle Freude an der Murakami-Lektüre. Zugleich eine romantische Darstellung einer nahezu autistischen Lebensführung in Einsamkeit und Musik geben zu können, wie auch den Ausgang daraus in der Liebe, damit macht Murakami süchtig.
Es stimmt schon - und er selbst weiß es wohl am besten -, daß er sein bestes Buch, es heißt "Naokos Lächeln", längst geschrieben hat und daß er seitdem die Motive daraus nur variiert. Aber auch zu allen späteren Büchern kann man nur, nein: muß man unbedingt sagen: Gut genug für uns.
mink
Haruki Murakami: Kafka am Strand. Roman DuMont. 637 Seiten. 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
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