Dem Buch liegt die Prämisse zugrunde, dass der Ursprung aller gesellschaftlichen Prozesse in der Imagination, genauer: in der »radikalen Imagination« (C. Castoriadis) liege. Diese verbirgt sich sowohl im Buch Genesis – also in der Wiege des Mythos, des Logos und des Gesetzes, als auch in Kafkas Werk hinter dem Symbol der Schlange. Unter Bezugnahme auf Platons »dritte Gattung« und ›chôra‹ (Ort) im Timaios wird dargelegt, wie das Wissen um die schöpferische Kraft von ›phantasia‹ (Aristoteles), und damit um den »Grund des Seins« (B. Lesmian), im Laufe der soziokulturellen Entwicklung zum Instrument der Macht wurde. Dazu zählen u.a. die Schaffung einer »sekundären Wirklichkeit« (B. Lesmian), als deren mustergültiges Vorbild Platons Höhlengleichnis gelten kann, und die Rolle der Statistik in der »Regierungskunst« (E. Majorana), deren gesellschaftliche Tragweite Lesmian in seinen Essays luzide analysiert, und zwar bevor Ettore Majorana 1942 auf die damit zusammenhängenden Gefahren aufmerksam machte. Anhand von Kafkas Texten Vor dem Gesetz, Zur Frage der Gesetze und Beim Bau der Chinesischen Mauer und Lesmians Gedichten und Essays wird diese These untermauert. Was Kafka, Rilke und Lesmian miteinander verbindet, ist die Einung von Gegensätzen: bei Rilke am Beispiel seines Grabspruchs dargestellt, bei Kafka in der Vexierbild-Erzähltechnik seiner Romane Der Prozess und Das Schloss und bei Lesmian in seiner oxymorischen Schreibweise erkennbar.