Kaiser Nero, Ur-Urenkel des Augustus und Neffe des verrückten Mörders Caligula, ist hinlänglich als Ungeheuer bekannt. In etlichen Filmen spielt er die Rolle des Schurken. Er ließ seine Mutter umbringen und brach die erste Christenverfolgung vom Zaune. Außerdem brachte er die Schriftsteller Seneca, Lucanus und Petronius um. Er hat auch einige prominente Senatoren auf dem Gewissen ... und angeblich Rom niederbrennen lassen. Es ist leicht, den Stab über ihn zu brechen. Das aktuelle Buch von Meinhard-Wilhelm Schulz vermeidet es tunlichst, auf diesen ausgetretenen Pfaden zu wandeln. Unvoreingenommen und geduldig nimmt er sich die Quellen vor. Genau hier müsste man stutzig werden: Wir verdanken unser ,Wissen' in Wirklichkeit nur drei Historikern, die erklärte Feinde dieses Herrschers sind, ohne ihn persönlich erlebt zu haben: Die Überlieferung war bereits vergiftet. Sie beschreiben seine Herrschaft aus der Froschperspektive der Stadt Rom, und das unvollständig. Im Blick haben sie nur ein paar Prominente. Dass aber in Rom die meisten gerne mit dem Kaiser feierten und den Frieden genossen, geht unter. Die aufblühenden Provinzen sind den Autoren nicht der Erwähnung wert. Sie träumen von der Republik. Wenn sie von ,Freiheit' reden, meinen sie die ihrer Klasse. Sie sind keine Demokraten. Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nero ihnen gegenüber ein fast krankhaft misstrauischer Tyrann war, dem etliche zum Opfer fielen. Meinhard-Wilhelm Schulz schafft es in seinem Buch nachvollziehbare Erklärungen zu finden, die uns zum Teil einen ganz anderen Nero offerieren ...
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