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Ein Memoir voller „Herz, Humor und Intelligenz“ (Joshua Cohen) – Menachem Kaiser begibt sich auf Schatzsuche und findet sein Familienerbe.
Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; Versuche einer Restitution waren bisher gescheitert. Und plötzlich befindet man sich inmitten einer abenteuerlichen Ermittlung, begleitet den Erzähler zu skurrilen Schatzsuchern,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Memoir voller „Herz, Humor und Intelligenz“ (Joshua Cohen) – Menachem Kaiser begibt sich auf Schatzsuche und findet sein Familienerbe.

Die Geschichte seiner eigenen Familie hatte den in Toronto geborenen Menachem Kaiser nicht sonderlich interessiert, ehe er nach Polen aufbrach, ins ehemalige schlesische Industriegebiet. Dort besaßen seine Vorfahren einst ein Mietshaus, das von den Nazis enteignet wurde; Versuche einer Restitution waren bisher gescheitert.
Und plötzlich befindet man sich inmitten einer abenteuerlichen Ermittlung, begleitet den Erzähler zu skurrilen Schatzsuchern, durchforscht mit ihm Keller und Tunnel, läutet an fremden Türen, beauftragt eine mysteriöse Anwältin …
Vergangenheit und Gegenwart kommen einander in diesem ganz und gar außergewöhnlichen Erinnerungsbuch nahe. Was bedeutet es, ein Erbe anzunehmen, und gibt es überhaupt so etwas wie historische Gerechtigkeit?

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Autorenporträt
Menachem Kaiser wurde 1985 geboren, studierte kreatives Schreiben an der University of Michigan und arbeitet als Autor u. a. für den New Yorker, das Wall Street Journal und The Atlantic. Er lebt in Brooklyn, New York. Für Kajzer, sein erstes Buch, erhielt er 2022 den Sami-Rohr-Preis für jüdische Literatur.

Brigitte Hilzensauer, geboren 1950 in Niedernsill/Salzburg, Studium der Geschichte und Germanistik in Wien, arbeitete zuerst als Lektorin und Redakteurin und übersetzte unter anderem Timothy Snyder, Nick Thorpe, Tim Bonyhady, Kapka Kassabova und die Bücher von Edmund de Waal. Sie lebt in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2024

Abenteuer Restitution
Menachem Kaiser begibt sich auf eine erzählerisch starke Reise zu den alten Besitztümern seiner Familie

Menachem Kaiser bietet gleich zwei Optionen für den Anfang seiner Geschichte an. Nüchtern und sachlich betrachtet, möchte er den Restitutionsprozess weiterführen, den sein Großvater begonnen hat, aber nicht erfolgreich zu Ende führen konnte. Dabei geht es um ein Mietshaus im polnischen Teil Schlesiens, in Sosnowiec; Kaisers Opa hat eine Kopie des Hypothekenregisters von 1936, die ihn als Besitzer ausweist. Dieses Gebäude wurde von den Nationalsozialisten enteignet, der Großvater deportiert, doch er schaffte es, den Krieg zu überleben und floh über New York nach Toronto. So betrachtet ist es ein simpler Akt, ein später Versuch, wenigstens das bisschen mögliche Gerechtigkeit wiederherzustellen. Kaiser startet also das rechtliche Verfahren der Rückforderung des Gebäudes in Sosnowiec.

Dass Tausende Juden in die Städte ihrer Familienherkunft reisen, um Restitutionsprozesse in Gang zu setzen oder "eine Art Erinnerungs-Safari" zu betreiben, führt dazu, dass Kaisers Geschichte in dieser Hinsicht nicht außergewöhnlich ist. Das fasst der Autor selbst gekonnt in Worte. "Hier zeigt sich eine große, vibrierende Dissonanz: Einerseits hat dein Großvater jeden Einzelnen seiner Familienmitglieder verloren; andererseits ist seine Geschichte nichts Besonderes, beinahe klischeehaft."

Und doch sind Kaisers Aufzeichnungen zu seinem Familienerbe und dessen Restitution, die unter dem Titel "Kajzer" jetzt im Paul Zsolnay Verlag erschienen sind, durchaus besonders. Denn der Autor bietet von Beginn an auch eine zweite Möglichkeit, wie seine Geschichte einzuordnen ist, indem er die persönlich-emotionale Bedeutung des verlorenen Erbes schildert. Kaiser hat seinen Großvater, der vor seiner Geburt verstorben ist, nie kennengelernt und hofft, sich ihm durch den Prozess der Rückforderung des Mietshauses annähern zu können: "Vielleicht war das Gebäude das Mittel, Zugang zu einer Geschichte zu erhalten, zu einer Person, die ich immer für unzugänglich, unabänderlich verschlossen gehalten hatte."

Der Restitutionsprozess, den der Autor angestoßen hat, schlägt Wellen: Kaiser lernt die Absurdität des polnischen Rechtssystems ebenso kennen wie die ambivalenten Einstellungen, die in Polen zum Thema Rückforderung von ausländischen Juden vorherrschen. Überwiegend trifft er auf Menschen, die sein Anliegen gutheißen; Verständnis und Unterstützung erhält er insbesondere von "jenen, die in der Familie selbst ein Fluchtnarrativ hatten". Doch die Reaktionen auf seine Forderung nach Restitution fallen nicht durchweg positiv aus, skeptische Stimmen verbuchen sein Vorhaben als unrechtmäßige Aneignung. Kaiser betrachtet den eigenen Fall auch immer wieder im größeren politisch-gesellschaftlichen Kontext: "Ich war ein Jude, der zurückkam, um sich seinen Familienbesitz zu holen - eine regelrechte Trope in Polen. Seit den 1990er Jahren, seit Polen ein demokratischer Staat wurde und, zumindest prinzipiell, Ansprüche auf Privatbesitz zuließ, sind Rückforderungen ein heikles politisches und kulturelles Thema."

Schließlich entwickelt sich Kaisers Geschichte, seine Reise durch Polen, sogar noch zum Abenteuer, denn sein Familienerbe in Sosnowiec führt ihn auf die Spur der historischen Region Schlesien. Er entdeckt deren turbulente Vergangenheit, wodurch die schlesische Identität zu "einer Schichttorte aus Nationalitäten, Loyalitäten, Zugehörigkeitsgefühlen und Sprachen" wurde. Diese Zusammensetzung führt außerdem dazu, dass Mythenbildung eine lange Tradition in dieser Region hat, es eine regelrechte "schlesische Kultur des Mysteriums" gibt. Und eines davon hat es Kaiser besonders angetan: das Projekt Riese, ein unterirdisches Tunnelsystem im Eulengebirge, angelegt von den Nazis in den knapp letzten drei Jahren des Kriegs. Dieses größte aller schlesischen Mysterien entwickelt einen solchen Sog auf den Autor, dass er dessen Erforschung einen großen Teil seines Buchs widmet.

Kaiser gelangt in eine Community aus Schatzsuchern und Entdeckern, die rund um das Projekt Riese kleinen und großen Abenteuern nachjagen, auf der Suche nach Nazi-Gold und anderen im Erdreich verborgenen Artefakten, die irgendetwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun haben. Der Autor beschreibt diese Entdecker als eine "dreiste Mischung aus Amateur-Historikern, sehr amateurhaften Archäologen, Höhlenforschern und Verschwörungstheoretikern". Von hier an wird es dann richtig skurril, die Verworrenheit des polnischen Rechtssystems war dagegen noch harmlos. Kaiser begleitet die Schatzjäger in die Höhlen, schaut sich ihre Sammlungen aus NS-Artefakten an, die ganze Wohnhäuser füllen, und lässt sich auch ein Saufgelage im Wald nicht entgehen.

Obwohl man sich "bedrängt und niedergeknüppelt fühlt von der Absurdität" der Schatzsucher, folgt aus der Begegnung mit ihnen eine historisch reflektierende Passage, die das bedeutsamste Kapitel des Buchs ausmacht. Der Autor führt darin aus, warum es unverantwortlich sei, die Verschwörungstheorien rund ums Projekt Riese nur zu belächeln. "Denn unter den durchgeknallten Behauptungen lauert ein hinterhältiger Anspruch: dass deine Vorstellung vom Krieg falsch ist. Die Verschwörungstheorie beharrt darauf, das Narrativ umzugestalten. Sie überbetont auf radikale Weise die Nazi-Agenda und unterbetont auf radikale Weise die Toten. Der Genozid wird zu etwas Zufälligem gemacht. Solche Theorien zu dulden, auch im Spott, bedeutet, ihnen Macht zu verleihen. Man muss bezahlen dafür, über etwas zu lachen, was verurteilt werden sollte."

Diese Überlegungen verleihen Kaisers Buch eine dringliche Aktualität und markieren einen wichtigen Standpunkt in der Debatte um Erinnerungspolitik. Trotzdem ist "Kajzer" kein reines Sachbuch: In der erwähnten Dualität aus sachlich-nüchternem und emotional-persönlichem Zugang liegt eine weitere Stärke. Denn Kaiser erzählt sein Memoir nicht nur als Abenteuergeschichte, er lässt auch teilhaben an den Emotionen, die ihn begleiten, und er reflektiert seine Position in dem Restitutionsprozess im Spezifischen ebenso wie in der Geschichte im Allgemeinen. Noch dazu verleiht auch seine Sprache dem Buch eine erzählerische Note; die Übersetzung von Brigitte Hilzensauer konnte seine Metaphorik und den Humor gut ins Deutsche transportieren. Menachem Kaiser hat mit seinem ersten Buch bewiesen, dass die Aufarbeitung des familiären Erbes sich gelohnt hat. EMILIA KRÖGER

Menachem Kaiser:

"Kajzer". Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung.

Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2023. 336 S., geb., 28,- Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Emilia Kröger bekommt mit Menachem Kaisers Buch viel mehr als ein Memoir, das sich der Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte widmet. Indem der Autor nicht nur den Restitutionsprozess des großväterlichen Eigentums betreibt und dokumentiert, sondern dabei auch Exkurse zu schlesischen Mythen, zu den Absurditäten der polnischen Justiz oder den Nazischatz-Suchern und Verschwörungstheoretikern rund um das "Projekt Riese" unternimmt, verleiht er seiner Arbeit laut Kröger Aktualität. Der Mix aus nüchternen und emotionalen Passagen und Kaisers Humor, den Brigitte Hilzensauer für Kröger überzeugend ins Deutsche übersetzt hat, stehen dem Buch zudem gut, findet die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Interessante Charaktere, überraschende Wendungen, spannende Momente, ein offenes Ende, dazu noch Sprachwitz und Erzählkunst." René Schlott, Cicero, März 2024

"Kurzweilig, pointiert und mit viel Sinn für Humor erzählt ... eine große, lesenswerte und erhellende Reportage." Michael Schleicher, Münchner Merkur, 14.11.23

"Das Echo einer großen Geschichte. Spannend, lebendig und sehr persönlich erzählt." New York Times

"Was 'Kajzer' von anderen ähnlichen Berichten unterscheidet, ist sein hinterfragender, satirischer Ton, der einige der moralischen Gewissheiten des Genres ins Wanken bringt und dessen Klischees auf den Kopf stellt." London Review of Books

"Dieses Buch ist hervorragend geschrieben und liest sich wie ein packender Abenteuerroman." Publishers Weekly

"Eines Thrillers würdig ... Ein beispielhafter Beitrag zur neueren Literatur über die bewegte Geschichte der Shoah." Kirkus Reviews