Die Debatte um Raubkunst und Restitution wird seit einiger Zeit mit großer Vehemenz geführt. Eine Schlüsselfigur dabei ist die in Berlin und Paris lehrende französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy. Gemeinsam mit dem senegalesischen Sozialwissenschaftler Felwine Sarr erstellte sie im Auftrag von Emmanuel Macron einen »Bericht« über die Möglichkeiten einer Rückgabe afrikanischer Kulturgüter, die sich in französischen Museen befinden. Die Wirkung dieses Berichts entfaltete allerdings in Deutschland eine ungleich größere Wirkung: Mit der Eigentumsübertragung des Komplettbestands der Benin-Bronzen wurde hierzulande ein Präzedenzfall geschaffen. Das Prinzip der Unveräußerlichkeit des öffentlichen Kulturbesitzes ist zurückgetreten hinter der Maxime »Im Zweifel für die Restitution«. Patrick Bahners erörtert anhand von Savoys Texten den Mechanismus, der die öffentliche Debatte mittlerweile antreibt. Kunst gerät (wieder) zum Gegenstand eines quasi-religiösen moralischen Enthusiasmus, und Wissenschaft wirkt im Namen des Expertentums über medialen Druck auf die Politik ein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2024Patrick Bahners, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, hat ein Buch zum Streit um das Museumsgut kolonialer Herkunft geschrieben. Es untersucht die Rolle der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy als Beispiel für die Wirkungsmöglichkeiten von Experten. Obwohl sie als Sachverständige im Auftrag des französischen Staatspräsidenten prominent wurde, waren es deutsche Kulturpolitiker, die ihre Ratschläge eilfertig in Selbstverpflichtungen umsetzten. Mit wachsender Resonanz hat sich Savoys Einstellung radikalisiert. So illustriert ihr Wirken eine Verschiebung des Interesses am Museum: Die Neugier auf Kultur als Inbegriff des Überraschenden und Spannungsreichen wird abgelöst vom Bedürfnis moralischer Selbstvergewisserung. (Patrick Bahners: "Kampagne in Deutschland". Bénédicte Savoy und der Streit um die Raubkunst. Zu Klampen Verlag, Springe 2023. 264 S., geb., 24,- Euro.) F.A.Z.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Harry Nutt ist beeindruckt von Patrick Bahners' "kleiner Streitschrift", mit der er eine Revision des bis dato gefeierten wissenschaftlichen Engagements von Bénédicte Savoy vornimmt. Die zum akademischen Star avancierte französische Kunsthistorikerin, einstiges Beiratsmitglied des Humboldt-Forums, habe sich spätestens mit ihrem von Macron in Auftrag gegebenen Bericht zur Restitution afrikanischen Kulturerbes zur "Koryphäe" beim Thema Raubkunst entwickelt und diesen Ruf aber - darauf wolle Bahners' Essay hinaus - durchaus politisch kalkulierend, mit immer mehr "moralischer Zuspitzung" und immer weniger historischer Genauigkeit vorangetrieben, gibt Nutt wieder. So lege der FAZ-Redakteur Bahners "unerbittlich genau" und "scharfzüngig" dar, wie Savoy etwa einst noch die Legalität der in Berlin ausgestellten Büste der Nofretete verteidigte, nur um das Thema Legalität später kurzerhand im Ganzen über Bord zu werfen - ganz abgesehen von ihrem Fauxpas in einem Interview mit der SZ, in dem sie das Humboldt-Forum mit Tschernobyl verglich. Bahners Büchlein ist eine "süffisante Polemik", die der Postkolonialismusdebatte wohl nicht "den Wind aus den Segeln" nehme dürfte, aber die Leserschaft vielleicht dazu bringt, nochmal einen Schritt zurückzutreten, hofft der angeregte Kritiker.
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