Alles im grünen Bereich? Von wegen! Deutschland ist Vize-Exportweltmeister, in Europa übernehmen wir die Schulden der Nachbarländer, und die Bundeskanzlerin gilt als die mächtigste Frau der Welt. Nur die Energiewende will nicht so richtig in Gang kommen. Denn Atomausstieg allein reicht nicht. Und der Umstieg auf erneuerbare Energien ist kompliziert. Seit Angela Merkel mit der "Energiewende" den Turbo ein- und die Atomkraftwerke ausschaltete, herrscht in puncto Energieversorgung das blanke Chaos. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll erst abgeschafft werden, dann wieder doch nicht, Offshore-Windparks werden mit viel Wind gestartet, dann gestoppt. Stromnetze werden geplant, aber nicht gebaut. Plötzlich weiß niemand mehr, wo es eigentlich langgeht. Stattdessen beherrschen Lobbyisten unterschiedlichster Herkunft die Diskussion, drehen die Politiker mal in die eine, dann in die andere Windrichtung, und das Volk sehnt sich nach alten Zeiten zurück, als der Strom einfach nur aus der Steckdose kam – und am Ende sollen die Menschen für das ganze Durcheinander auch noch die Zeche zahlen. Claudia Kemfert erklärt uns allen – Bürgern, Politikern und der Wirtschaft – die Energiewende. Jetzt ist die Zeit zum Handeln. Denn die Energiewende hat gerade erst begonnen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Lesen, lesen!, ruft Peter Becker. Wer wissen will, welche Lobby er mit seinem Strompreis subventioniert, was es mit der Verschleppung der Energiewende auf sich hat, wer hier bremst und warum, und was Philipp Rösler damit zu schaffen hat, dem empfiehlt Becker das Buch der am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung tätigen Claudia Kemfert. Dass Kemfert bescheiden, alltagsnah schreibt, aber kein Blatt vor den Mund nimmt, findet er gut. Ein Literaturverzeichnis im Buch hätte er auch gut gefunden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2013Ein Kampf um Strom
Claudia Kemfert gibt die Missionarin für grüne Energie
Claudia Kemfert war mit 32 Jahren die erste deutsche Juniorprofessorin, mit 36 ordentliche Professorin für Umweltökonomie an der Berliner Humboldt-Universität. Heute lehrt die 44 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftlerin Energieökonomik an der privaten Hertie School of Governance und leitet die Abteilung für Energie, Verkehr und Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, wo sie mit quantitativen Modellen die ökonomische Seite von Energie- und Klimaschutzpolitik bewertet.
Ihre Internetseite verrät, dass sie Unternehmen und Politik bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso berät, im Club of Rome sitzt und im jahre 2006 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als eine von elf jungen Hoffnungen der Spitzenforschung präsentiert wurde.
Ihr aktuelles Buch, soeben in Berlin vom ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer vorgestellt, weckt deshalb große Erwartungen. "Kampf um Strom" verspricht kämpferisch, mit "Öko-Mythen" und "Energie-Irrtümern" aufzuräumen und die Debatte zu versachlichen. Die aus zahlreichen Interviews und Fernsehauftritten bekannte Autorin plädiert darin sendungsbewusst für den Umbau des Energiesystems in eine CO2-freie Versorgungslandschaft, die durch Ökostrom und starke Stadtwerke gekennzeichnet sein soll.
Auf schnell und leicht zu lesenden 140 Seiten ohne Zahlenwerk wendet sich Kemfert scharf gegen diejenigen, die diesem Ziel im Weg stehen. "Energiewende-Blockierer" sind in ihren Augen alle Befürworter fossiler Energien, selbst solche, die nur noch eine Übergangsphase dafür tolerieren wollen: "Die großen Konzerne und die Kohlekraftlobby werden die Energiewende nicht mehr aufhalten können. Aber sie fügen uns großen Schaden zu. Denn sie blockieren mit ihren Attacken Kräfte, die für einen erfolgreichen Umbau an anderer Stelle unbedingt benötigt werden."
Kemfert neigt nicht dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Wie sie nebenher erzählt, dass sich neulich einer der fünf Wirtschaftsweisen bei ihr telefonisch über die Praxis der Energiewirtschaft kundig gemacht habe, so zitiert sie auch "den aus meiner Sicht bemerkenswerten Satz" ihres Laudators Klaus Töpfer anlässlich der Verleihung der Urania-Medaille, "dass insbesondere der Pragmatismus und die Unaufgeregtheit, mit der ich beharrlich für die Energiewende eintrete, wichtig seien". Aus diesem Grunde habe sie sich entschlossen, dieses Buch zu schreiben. Ihre "argumentative Auseinandersetzung mit den Mythen und Schlachtparolen der Gegenseite" gerät dabei polemisch und selbstbewusst.
Parolen wie "Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen", "Die erneuerbaren Energien brauchen ein Tempolimit" oder "Es droht ein Kosten-Tsunami" dienen etwas holprig als Kapitelüberschriften. In den Texten dazu werden solche und ähnliche Sentenzen als interessengesteuerte Verleumdungstricks abgehandelt.
Nur "grüner Strom" aus Sonne und Wind sei zukunftsträchtig, weil nachhaltig, sagt Kempfert, und die verbreitete Behauptung, Ökostrom sei teuer und Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken billig, schlicht eine Unwahrheit von Staat und Unternehmern. Ihr Motto lautet: "Wer zehnmal lügt, dem glaubt man schon."
In Wahrheit seien an den steigenden Strompreisen der vergangenen Jahre vor allem höhere Gas- und Kohlepreise sowie fehlender Wettbewerb zwischen den Großkonzernen schuld und nicht etwa die Energiewende, wie die Stromproduzenten fälschlich behaupteten. Die Kostenanteile, die durch den Verkauf von technologisch neuem, umweltfreundlich produziertem Strom nicht gedeckt und auf den Strompreis umgelegt würden, erhöhten Verbraucherrechnungen nur in geringem Maße.
Bei fossilen Brennstoffen allerdings sei es die öffentliche Hand, die Kosten übernehme, die der Stromanbieter nicht selbst trage - so für die Entsorgung von Atommüll, die Endlagersuche oder die Steinkohle-Subventionierung: "Für den Ökostrom zahlt der Verbraucher, für Strom aus fossilen Energien fließen Steuergelder in die Taschen der Stromkonzerne." Würden alle Folgekosten auf den Strompreis umgelegt, müsste diese Umlage für Atom- und Kohlestrom doppelt so hoch ausfallen wie bei den erneuerbaren Energien, heißt es weiter.
Kemfert wird nicht müde, den Umbau der Stromversorgung zu grünen Energien als Wachstums- und Konjunkturmotor zu preisen. Die Energiewende mit dem Bau von Solaranlagen, Klimaschutztechnologien und anderen Komponenten stärke nicht nur große Unternehmen wie Siemens, sondern auch den unternehmerischen Mittelstand mit weltweitem Export.
Als Exportschlager könne im Übrigen auch das erfolgreiche staatliche Förderungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gelten. Es sei degressiv angelegt und investiere nicht wie das mengenorientierte, von FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler zum Schutz der etablierten Stromanbieter favorisierte Quotenmodell ohne Blick auf die Zukunft in die aktuell günstigste Energieform.
Kemferts Fazit lautet: "Die Frage, ob wir eine grüne Energieversorgung haben werden, ist längst entschieden. Jetzt geht es darum, wie diese konkret aussehen wird und wie schnell wir uns von fossilen Energieträgern, insbesondere den so umweltschädlichen Kohlekraftwerken, verabschieden wollen."
Doch es fehle auf höchster Regierungsebene an einer verantwortlichen Instanz. Deshalb müsse ein Energieministerium her. Tatsächlich wollte CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen im Jahre 2012 ein solches in Nordrhein-Westfalen einrichten. Er berief Claudia Kemfert in sein Schattenkabinett. Es dürfte nicht die letzte Offerte dieser Art für die Missionarin grünen Stroms gewesen sein.
ULLA FÖLSING.
Claudia Kemfert: "Kampf um Strom." Mythen, Macht und Monopole.
Murmann Verlag, Hamburg 2013, 142 Seiten, 14,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Claudia Kemfert gibt die Missionarin für grüne Energie
Claudia Kemfert war mit 32 Jahren die erste deutsche Juniorprofessorin, mit 36 ordentliche Professorin für Umweltökonomie an der Berliner Humboldt-Universität. Heute lehrt die 44 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftlerin Energieökonomik an der privaten Hertie School of Governance und leitet die Abteilung für Energie, Verkehr und Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, wo sie mit quantitativen Modellen die ökonomische Seite von Energie- und Klimaschutzpolitik bewertet.
Ihre Internetseite verrät, dass sie Unternehmen und Politik bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso berät, im Club of Rome sitzt und im jahre 2006 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als eine von elf jungen Hoffnungen der Spitzenforschung präsentiert wurde.
Ihr aktuelles Buch, soeben in Berlin vom ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer vorgestellt, weckt deshalb große Erwartungen. "Kampf um Strom" verspricht kämpferisch, mit "Öko-Mythen" und "Energie-Irrtümern" aufzuräumen und die Debatte zu versachlichen. Die aus zahlreichen Interviews und Fernsehauftritten bekannte Autorin plädiert darin sendungsbewusst für den Umbau des Energiesystems in eine CO2-freie Versorgungslandschaft, die durch Ökostrom und starke Stadtwerke gekennzeichnet sein soll.
Auf schnell und leicht zu lesenden 140 Seiten ohne Zahlenwerk wendet sich Kemfert scharf gegen diejenigen, die diesem Ziel im Weg stehen. "Energiewende-Blockierer" sind in ihren Augen alle Befürworter fossiler Energien, selbst solche, die nur noch eine Übergangsphase dafür tolerieren wollen: "Die großen Konzerne und die Kohlekraftlobby werden die Energiewende nicht mehr aufhalten können. Aber sie fügen uns großen Schaden zu. Denn sie blockieren mit ihren Attacken Kräfte, die für einen erfolgreichen Umbau an anderer Stelle unbedingt benötigt werden."
Kemfert neigt nicht dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Wie sie nebenher erzählt, dass sich neulich einer der fünf Wirtschaftsweisen bei ihr telefonisch über die Praxis der Energiewirtschaft kundig gemacht habe, so zitiert sie auch "den aus meiner Sicht bemerkenswerten Satz" ihres Laudators Klaus Töpfer anlässlich der Verleihung der Urania-Medaille, "dass insbesondere der Pragmatismus und die Unaufgeregtheit, mit der ich beharrlich für die Energiewende eintrete, wichtig seien". Aus diesem Grunde habe sie sich entschlossen, dieses Buch zu schreiben. Ihre "argumentative Auseinandersetzung mit den Mythen und Schlachtparolen der Gegenseite" gerät dabei polemisch und selbstbewusst.
Parolen wie "Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen", "Die erneuerbaren Energien brauchen ein Tempolimit" oder "Es droht ein Kosten-Tsunami" dienen etwas holprig als Kapitelüberschriften. In den Texten dazu werden solche und ähnliche Sentenzen als interessengesteuerte Verleumdungstricks abgehandelt.
Nur "grüner Strom" aus Sonne und Wind sei zukunftsträchtig, weil nachhaltig, sagt Kempfert, und die verbreitete Behauptung, Ökostrom sei teuer und Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken billig, schlicht eine Unwahrheit von Staat und Unternehmern. Ihr Motto lautet: "Wer zehnmal lügt, dem glaubt man schon."
In Wahrheit seien an den steigenden Strompreisen der vergangenen Jahre vor allem höhere Gas- und Kohlepreise sowie fehlender Wettbewerb zwischen den Großkonzernen schuld und nicht etwa die Energiewende, wie die Stromproduzenten fälschlich behaupteten. Die Kostenanteile, die durch den Verkauf von technologisch neuem, umweltfreundlich produziertem Strom nicht gedeckt und auf den Strompreis umgelegt würden, erhöhten Verbraucherrechnungen nur in geringem Maße.
Bei fossilen Brennstoffen allerdings sei es die öffentliche Hand, die Kosten übernehme, die der Stromanbieter nicht selbst trage - so für die Entsorgung von Atommüll, die Endlagersuche oder die Steinkohle-Subventionierung: "Für den Ökostrom zahlt der Verbraucher, für Strom aus fossilen Energien fließen Steuergelder in die Taschen der Stromkonzerne." Würden alle Folgekosten auf den Strompreis umgelegt, müsste diese Umlage für Atom- und Kohlestrom doppelt so hoch ausfallen wie bei den erneuerbaren Energien, heißt es weiter.
Kemfert wird nicht müde, den Umbau der Stromversorgung zu grünen Energien als Wachstums- und Konjunkturmotor zu preisen. Die Energiewende mit dem Bau von Solaranlagen, Klimaschutztechnologien und anderen Komponenten stärke nicht nur große Unternehmen wie Siemens, sondern auch den unternehmerischen Mittelstand mit weltweitem Export.
Als Exportschlager könne im Übrigen auch das erfolgreiche staatliche Förderungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gelten. Es sei degressiv angelegt und investiere nicht wie das mengenorientierte, von FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler zum Schutz der etablierten Stromanbieter favorisierte Quotenmodell ohne Blick auf die Zukunft in die aktuell günstigste Energieform.
Kemferts Fazit lautet: "Die Frage, ob wir eine grüne Energieversorgung haben werden, ist längst entschieden. Jetzt geht es darum, wie diese konkret aussehen wird und wie schnell wir uns von fossilen Energieträgern, insbesondere den so umweltschädlichen Kohlekraftwerken, verabschieden wollen."
Doch es fehle auf höchster Regierungsebene an einer verantwortlichen Instanz. Deshalb müsse ein Energieministerium her. Tatsächlich wollte CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen im Jahre 2012 ein solches in Nordrhein-Westfalen einrichten. Er berief Claudia Kemfert in sein Schattenkabinett. Es dürfte nicht die letzte Offerte dieser Art für die Missionarin grünen Stroms gewesen sein.
ULLA FÖLSING.
Claudia Kemfert: "Kampf um Strom." Mythen, Macht und Monopole.
Murmann Verlag, Hamburg 2013, 142 Seiten, 14,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2013„Die Sonne schickt
eben keine Rechnung“
Claudia Kemferts Plädoyer für erneuerbare Energien
Der Stromkunde scheint in großer Gefahr zu sein: Blackouts seien unvermeidlich, die Energiewende lasse die Strompreise explodieren, es drohe ein Kosten-Tsunami. Das sind die Schlagzeilen dieser Tage. „Die Energiewende ist gescheitert – nur keiner sagt es“ oder „Wahnsinn mit Methode“, wie die Tageszeitung mit dem klugen Kopf dahinter titelt. Und ein großes deutsches Nachrichtenmagazin zweifelt am Nutzen der Fotovoltaik.
Den Atomausstieg hat eine ganz große Koalition, inklusive SPD und Grünen, beschlossen, einschließlich des Gesetzespakets zur Energiewende. Was ist da nun los?
Wer Genaueres wissen will, greife zum neuen Buch von Claudia Kemfert. Sie ist Wissenschaftlerin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und eine begehrte Fernsehkommentatorin. Sie nimmt uns in ihrem Buch an die Hand. So kurz das Buch ist, so wichtig ist es.
Beispiel 1: Der Ausbau der erneuerbaren Energien, heißt es, müsse gebremst werden, weil der Netzausbau nicht mitkomme. Aber woran liegt das? „Der Ausbau der Netze“, schreibt Kemfert, „wird leider bereits seit mindestens zehn Jahren verschleppt. Es sind die Konzerne, die den Ausbau blockieren. Es bedürfte einer straffen Netzregulierung, für die (erst) 2005 die Bundesnetzagentur geschaffen wurde. Wenn man deren Berichte liest, weiß man, wer im Bremserhäuschen sitzt.“
Beispiel 2: Die Strompreissteigerungen, zu denen die Umlage beiträgt, die das Gesetz über erneuerbare Energien vorsieht, kommen überwiegend aus der fossilen Stromproduktion. Im Jahr 2000, als es Wettbewerb zwischen den Stromkonzernen gab, konnten sie nur 20 Euro pro Megawattstunde erzielen, 2006 waren es schon 60 Euro. Kemfert schreibt dazu: „Allein die drei Konzerne RWE, Eon und EnBW konnten ihre Gewinne zwischen 2002 und 2010 versiebenfachen und nahmen in diesem Zeitraum zusammen 100 Milliarden Euro ein. Dazu trug bei, dass die Konzerne die Preise für die CO2-Zertifikate, mit denen die EU die Energiewende voranzutreiben sucht, auf den Strompreis umlegen. Inzwischen erzielen die Zertifikate kaum noch Versteigerungserlöse. Dennoch versuchen die Konzerne, die Preise hoch zu halten.“
Ausgerechnet die erneuerbaren Energien, die an der Strombörse preissenkend wirken, heißt es, seien für die Preissteigerung verantwortlich. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), gefördert durch hochrangige RWE-Manager, rechnet uns vor, dass uns die bereits installierten Solaranlagen in den kommenden 30 Jahren 64 Milliarden Euro kosten. Kemfert dazu: „Wir bezahlen 90 Milliarden Euro im Jahr für Brennstoffe. Warum soll man dann nicht zwei Milliarden pro Jahr für Solarstrom investieren? Man müsste einmal die 90 Milliarden Brennstoffkosten auf 30 Jahre hochrechnen. [. . .] Dem 64 Milliarden Euro teuren Solarstrom stünden dann 270 Milliarden Euro Brennstoffkosten gegenüber.“ In der Tat: Die erneuerbaren Energien werden schon bald die Stromkosten sinken lassen. Um es mit Franz Alt zu sagen: „Die Sonne schickt eben keine Rechnung.“
Zum RWI sagt Kemfert noch: „Bisweilen lässt das RWI sich seine Studien von einem klimakritischen Institut in den USA finanzieren, dessen Verbindung zur Lobby der Kohle- und Ölproduzenten bekannt und berüchtigt ist.“ In einigen Studien hatte das RWI die gesetzlich vorgeschriebene Nennung der Geldgeber „vergessen“; der verantwortliche Mitarbeiter, Professor Manuel Frondel, war dann zu lesen, habe angeblich gar nicht gewusst, wer sich eigentlich hinter den Sponsoren verbirgt.
Wer sind die Hintermänner dieser Kampagne gegen die erneuerbaren Energien? Auch das findet man bei Kemfert. Dazu zählt das Institut für Neue Soziale Marktwirtschaft: Seine teuren Anzeigen erschienen genau dann, als die EEG-Umlage 2013 veröffentlicht wurde. Es wird vom Verband Gesamtmetall finanziert. Dazu zählt auch das Institut der Deutschen Wirtschaft. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie.
Der Hauptbremser ist die FDP mit Wirtschaftsminister Rösler. Er sorgte dafür, dass stromintensive Unternehmen bei den Netzentgelten entlastet – und die Haushaltskunden belastet – werden. Allein die Umverteilungen der EEG- und Netzkosten zugunsten der Industrie machen ein knappes Sechstel der EEG-Umlage aus. Der Staat subventionierte außerdem die Einführung der Atomverstromung und subventioniert nach wie vor die Steinkohleförderung. Würde man eine „Atom- und Kohleförderungs-Umlage“ berechnen, läge sie weit über der EE-Förderung. Der wirkliche Wahnsinn ist die staatliche Förderung der Klimakatastrophe.
Kemferts Buch kommt bescheiden daher, mit einer alltagsnahen Sprache. Es verzichtet auf Fachausdrücke und einen Anmerkungsapparat (allerdings auch auf ein Literaturverzeichnis, was schade ist). Es gehört eigentlich in jeden Haushalt, damit die Stromkunden wissen, wen sie in Wirklichkeit „subventionieren“. Dann könnte Röslers Industrieministerium gerne weiter seine Lobbyisten verwöhnen – aber es würde ihnen nichts mehr nützen, weil der Bürger Ross und Reiter kennt, dank Claudia Kemfert.
PETER BECKER
Claudia Kemfert : Kampf um Strom. Mythen, Macht und Monopole. Murmann, Hamburg 2013. 142 Seiten, 14,90 Euro.
Die Autorin ist Gründerin der größten deutschen Energierechtskanzlei BBH und Autorin von „Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne“ (2011).
Kemfert zeigt die Hintermänner
der Kampagne gegen
die erneuerbaren Energien
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
eben keine Rechnung“
Claudia Kemferts Plädoyer für erneuerbare Energien
Der Stromkunde scheint in großer Gefahr zu sein: Blackouts seien unvermeidlich, die Energiewende lasse die Strompreise explodieren, es drohe ein Kosten-Tsunami. Das sind die Schlagzeilen dieser Tage. „Die Energiewende ist gescheitert – nur keiner sagt es“ oder „Wahnsinn mit Methode“, wie die Tageszeitung mit dem klugen Kopf dahinter titelt. Und ein großes deutsches Nachrichtenmagazin zweifelt am Nutzen der Fotovoltaik.
Den Atomausstieg hat eine ganz große Koalition, inklusive SPD und Grünen, beschlossen, einschließlich des Gesetzespakets zur Energiewende. Was ist da nun los?
Wer Genaueres wissen will, greife zum neuen Buch von Claudia Kemfert. Sie ist Wissenschaftlerin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und eine begehrte Fernsehkommentatorin. Sie nimmt uns in ihrem Buch an die Hand. So kurz das Buch ist, so wichtig ist es.
Beispiel 1: Der Ausbau der erneuerbaren Energien, heißt es, müsse gebremst werden, weil der Netzausbau nicht mitkomme. Aber woran liegt das? „Der Ausbau der Netze“, schreibt Kemfert, „wird leider bereits seit mindestens zehn Jahren verschleppt. Es sind die Konzerne, die den Ausbau blockieren. Es bedürfte einer straffen Netzregulierung, für die (erst) 2005 die Bundesnetzagentur geschaffen wurde. Wenn man deren Berichte liest, weiß man, wer im Bremserhäuschen sitzt.“
Beispiel 2: Die Strompreissteigerungen, zu denen die Umlage beiträgt, die das Gesetz über erneuerbare Energien vorsieht, kommen überwiegend aus der fossilen Stromproduktion. Im Jahr 2000, als es Wettbewerb zwischen den Stromkonzernen gab, konnten sie nur 20 Euro pro Megawattstunde erzielen, 2006 waren es schon 60 Euro. Kemfert schreibt dazu: „Allein die drei Konzerne RWE, Eon und EnBW konnten ihre Gewinne zwischen 2002 und 2010 versiebenfachen und nahmen in diesem Zeitraum zusammen 100 Milliarden Euro ein. Dazu trug bei, dass die Konzerne die Preise für die CO2-Zertifikate, mit denen die EU die Energiewende voranzutreiben sucht, auf den Strompreis umlegen. Inzwischen erzielen die Zertifikate kaum noch Versteigerungserlöse. Dennoch versuchen die Konzerne, die Preise hoch zu halten.“
Ausgerechnet die erneuerbaren Energien, die an der Strombörse preissenkend wirken, heißt es, seien für die Preissteigerung verantwortlich. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), gefördert durch hochrangige RWE-Manager, rechnet uns vor, dass uns die bereits installierten Solaranlagen in den kommenden 30 Jahren 64 Milliarden Euro kosten. Kemfert dazu: „Wir bezahlen 90 Milliarden Euro im Jahr für Brennstoffe. Warum soll man dann nicht zwei Milliarden pro Jahr für Solarstrom investieren? Man müsste einmal die 90 Milliarden Brennstoffkosten auf 30 Jahre hochrechnen. [. . .] Dem 64 Milliarden Euro teuren Solarstrom stünden dann 270 Milliarden Euro Brennstoffkosten gegenüber.“ In der Tat: Die erneuerbaren Energien werden schon bald die Stromkosten sinken lassen. Um es mit Franz Alt zu sagen: „Die Sonne schickt eben keine Rechnung.“
Zum RWI sagt Kemfert noch: „Bisweilen lässt das RWI sich seine Studien von einem klimakritischen Institut in den USA finanzieren, dessen Verbindung zur Lobby der Kohle- und Ölproduzenten bekannt und berüchtigt ist.“ In einigen Studien hatte das RWI die gesetzlich vorgeschriebene Nennung der Geldgeber „vergessen“; der verantwortliche Mitarbeiter, Professor Manuel Frondel, war dann zu lesen, habe angeblich gar nicht gewusst, wer sich eigentlich hinter den Sponsoren verbirgt.
Wer sind die Hintermänner dieser Kampagne gegen die erneuerbaren Energien? Auch das findet man bei Kemfert. Dazu zählt das Institut für Neue Soziale Marktwirtschaft: Seine teuren Anzeigen erschienen genau dann, als die EEG-Umlage 2013 veröffentlicht wurde. Es wird vom Verband Gesamtmetall finanziert. Dazu zählt auch das Institut der Deutschen Wirtschaft. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie.
Der Hauptbremser ist die FDP mit Wirtschaftsminister Rösler. Er sorgte dafür, dass stromintensive Unternehmen bei den Netzentgelten entlastet – und die Haushaltskunden belastet – werden. Allein die Umverteilungen der EEG- und Netzkosten zugunsten der Industrie machen ein knappes Sechstel der EEG-Umlage aus. Der Staat subventionierte außerdem die Einführung der Atomverstromung und subventioniert nach wie vor die Steinkohleförderung. Würde man eine „Atom- und Kohleförderungs-Umlage“ berechnen, läge sie weit über der EE-Förderung. Der wirkliche Wahnsinn ist die staatliche Förderung der Klimakatastrophe.
Kemferts Buch kommt bescheiden daher, mit einer alltagsnahen Sprache. Es verzichtet auf Fachausdrücke und einen Anmerkungsapparat (allerdings auch auf ein Literaturverzeichnis, was schade ist). Es gehört eigentlich in jeden Haushalt, damit die Stromkunden wissen, wen sie in Wirklichkeit „subventionieren“. Dann könnte Röslers Industrieministerium gerne weiter seine Lobbyisten verwöhnen – aber es würde ihnen nichts mehr nützen, weil der Bürger Ross und Reiter kennt, dank Claudia Kemfert.
PETER BECKER
Claudia Kemfert : Kampf um Strom. Mythen, Macht und Monopole. Murmann, Hamburg 2013. 142 Seiten, 14,90 Euro.
Die Autorin ist Gründerin der größten deutschen Energierechtskanzlei BBH und Autorin von „Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne“ (2011).
Kemfert zeigt die Hintermänner
der Kampagne gegen
die erneuerbaren Energien
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