Kant ist immer wieder der Vorwurf gemacht worden, den seine kritische Philosophie fundierenden Stämmedualismus von Sinnlichkeit und Verstand nicht begründet, sondern bloß vorausgesetzt zu haben. Träfe der Vorwurf zu, stünde die gesamte Kantische Philosophie auf tönernen Füßen. Denn nicht nur die transzendentale Theorie der Erkenntnis und die Kritik der Metaphysik, auch die praktische Philosophie, Ästhetik und Teleologie hängen letztlich vom Dualismus der Erkenntnisstämme ab. Der Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Das Buch zeigt, dass Kant eine klare Vorstellung von der Begründung der Unterscheidung zwischen den Vermögen der Sinnlichkeit und des Verstandes als den einzigen Quellen menschlicher Erkenntnis hat. Diese Begründung wird rekonstruiert anhand der Detailanalyse der Theorie der Vorstellungsarten: Anschauung und Begriff, die Kant seit der Raumschrift von 1768 entwickelt und in seiner kritischen Philosophie vor allem in Auseinandersetzung mit der Leibniz-Wolffschen Theorie der Repräsentation entfaltet. Den Kern der Argumentation bildet die von Kant eingeführte neue Konzeption des Einzelnen und des Allgemeinen, der zufolge die Anschauung als einzelne Vorstellung und der Begriff als allgemeine Vorstellung irreduzible Vorstellungsarten sind. Die im erkennenden Subjekt verankerte Dualität der Einzelheit der Anschauung und der Allgemeinheit des Begriffs erweist sich so als die unhintergehbare Fundamentalunterscheidung der kritischen Philosophie, die bis heute für jede Kant-Kritik eine Herausforderung darstellt.
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