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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Handbücher sind dazu da, den Stand der Forschung zu einem Gegenstand übersichtlich darzustellen. Die Stimmen ihrer Mitarbeiter dabei deutlich hervortreten zu lassen, dazu ist diese Form eigentlich kaum gedacht. Insofern schlägt sich das neue Handbuch zu Karl Kraus eher auf die Seite der Ausnahmen in diesem Genre. Es ist weit vielstimmiger als eine Sammlung wohldiszipliniert ausgewogener Literaturübersichten zu Facetten von Leben und Werk. Zwar stecken in ihm diese Übersichtsartikel durchaus - manche von ihnen exquisit komponierte und auch mit neuen Quellen versehene Zusammenschauen -, aber einige reagieren recht bestimmt auf früh angelegte und immer wieder revitalisierte Frontstellungen in der Auseinandersetzung um Kraus.
Heikle Punkte, insbesondere natürlich Kraus' späte Parteinahme für den Austrofaschismus in Gestalt des von ihm als vermeintlich einzigem Retter gegen Hitler verehrten Engelbert Dollfuß, verknüpft mit einer gnadenlosen Polemik gegen die österreichische Sozialdemokratie, oder auch die immer einmal wieder aufgeworfene Frage, wie nun genau sein Verhalten bei Kriegsbeginn 1914 ausgesehen hat, werden direkt thematisiert - und das vor allem nicht einfach in defensiver Absicht, wie es unter gestandenen Kraus-Interpreten, vulgo "Krausianern", oft gepflogen wurde. Es ist da ein Handbuch zustande gekommen, das zwar nicht ein so breites Publikum interessieren kann wie Jens Malte Fischers vor vier Jahren erschienene Biographie, die selbst einige Züge eines Handbuchs hat. Aber gerade seine Vielstimmigkeit bei gleichzeitiger Vermeidung eines allzu kleinteiligen Aufbaus, der die Beiträge in den Hauptabschnitten zu Leben, Werk, Kontexten und Rezeption strukturiert, empfiehlt es auch Kraus-Lesern jenseits akademischer Verarbeitungsabsichten. HELMUT MAYER
"Karl Kraus- Handbuch". Leben - Werk - Wirkung.
Hrsg. von K. Prager und S. Ganahl.
Metzler Verlag, Heidelberg 2022. 545 S., geb., 99,99 Euro.
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