Wer war Karl Marx wirklich – der Mann mit Rauschebart und Löwenmähne? Verführer der Arbeitermassen, dessen Traum in eine kommunistische Diktatur führte? Oder Ergründer der modernen Welt, deren entfesseltes Wirtschaftssystem unser heutiges Leben bestimmt? Der wirkliche Marx war kein Vorbild und Modell für Denkmäler, denn er war eher klein, ständig krank und zudem extrem rechthaberisch. Bei der Revolution von 1848 scheiterte er kläglich. Seine Theorien aber haben die deutsche Geschichte und Politik geprägt – und sie leben fort. Was er uns heute, nach seinem 200. Geburtstag, über Freiheit, Moral, Religion und Gesellschaft zu sagen hat, erfahren wir in dieser Biografie.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2018Die Produktion des Lebens
Wolfgang Korn skizziert einen Mann von Genie und Energie: Karl Marx
„Niemals habe ich einen Menschen gesehen von so verletzender, unerträglicher Arroganz des Auftretens“, bemerkt Carl Schurz über Karl Marx. „Jeden, der ihm widersprach, behandelte er mit kaum verhüllter Verachtung.“ Carl Schurz war revolutionärer Studentenführer, als er mit Marx zusammentraf, wanderte dann aus und wurde Innenminister der USA.
Nein, es war nicht leicht, mit Karl Marx auszukommen, er hatte viel um die Ohren, und das Marx-Buch von Wolfgang Korn spürt all seinen Verzettelungen nach. Es war eine Zeit aus den Fugen, das 19. Jahrhundert, nach dem Sieg Europas über Napoleon, als man eine Rückkehr zu den alten, vornapoleonischen Zuständen anstrebte, der neue Gedanke des Nationalismus immer stärker wurde, die Bewegung der Restauration auf diverse Revolutionen traf – aber waren es wirklich Revolutionen, fragte Marx. Die Industrialisierung brachte die neue Klasse des Proletariats hervor, die ihre Arbeitskraft verkaufen musste, sie sollte die ersehnte kommunistische Revolution bringen. Marx war engagiert in diesem Kampf, in Arbeitervereinen und Parteien, über progressive Zeitschriften, er suchte Zuflucht in Paris, später in London, sein Name tauchte auf Steckbriefen auf.
Und er musste eine Familie versorgen, dabei stand seine Frau Jenny ihm tapfer zur Seite, später auch Friedrich Engels, Fabrikantensohn aus England – Marx selber, heißt es, habe nie eine Fabrik von innen gesehen. Es wurde eine großartige Männerfreundschaft, gemeinsam verfassten sie 1848 das berühmte Kommunistische Manifest. Zwei bürgerliche Intellektuelle, die die Gesetze des Geschichtsverlaufs studierten, und wie sie zu beeinflussen wären. Marx exzerpierte unermüdlich Klassik und Moderne. Sein dreibändiges Werk „Das Kapital“ war nicht nur eine radikale ökonomische Studie, sondern „der vergebliche Versuch, eine Art Enzyklopädie zu schaffen“.
Ein solches revolutionäres Leben kann man nicht auf eine strenge Linie bringen, nur seine Versatzstücke zusammenfügen, und die Sätze, die immer wieder zitiert werden. „Religion ist das Opium des Volkes“ oder „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ oder „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt“. Die Produktion seines ganzen Lebens ist es, um die es Marx geht. Oft hat man das Gefühl, bei ihm geht alles vom Ursprung her, das macht seine Texte so einfach und so profund. Man muss gar nicht Kommunist sein, um sie zu lieben.
Noch ein Blick auf Marx, von Wilhelm Stieber, dem obersten politischen Spion Preußens, der auf Marx angesetzt war (und, wenn der nichts Subversives „lieferte“, auch mal Fake News für seinen Auftraggeber produzierte): „Man sieht ihm übrigens auf den ersten Blick den Mann von Genie und Energie an.
“
FRITZ GÖTTLER
Wolfgang Korn: Karl Marx. Ein radikaler Denker. Hanser Verlag, München 2018.256 Seiten, 19 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Wolfgang Korn skizziert einen Mann von Genie und Energie: Karl Marx
„Niemals habe ich einen Menschen gesehen von so verletzender, unerträglicher Arroganz des Auftretens“, bemerkt Carl Schurz über Karl Marx. „Jeden, der ihm widersprach, behandelte er mit kaum verhüllter Verachtung.“ Carl Schurz war revolutionärer Studentenführer, als er mit Marx zusammentraf, wanderte dann aus und wurde Innenminister der USA.
Nein, es war nicht leicht, mit Karl Marx auszukommen, er hatte viel um die Ohren, und das Marx-Buch von Wolfgang Korn spürt all seinen Verzettelungen nach. Es war eine Zeit aus den Fugen, das 19. Jahrhundert, nach dem Sieg Europas über Napoleon, als man eine Rückkehr zu den alten, vornapoleonischen Zuständen anstrebte, der neue Gedanke des Nationalismus immer stärker wurde, die Bewegung der Restauration auf diverse Revolutionen traf – aber waren es wirklich Revolutionen, fragte Marx. Die Industrialisierung brachte die neue Klasse des Proletariats hervor, die ihre Arbeitskraft verkaufen musste, sie sollte die ersehnte kommunistische Revolution bringen. Marx war engagiert in diesem Kampf, in Arbeitervereinen und Parteien, über progressive Zeitschriften, er suchte Zuflucht in Paris, später in London, sein Name tauchte auf Steckbriefen auf.
Und er musste eine Familie versorgen, dabei stand seine Frau Jenny ihm tapfer zur Seite, später auch Friedrich Engels, Fabrikantensohn aus England – Marx selber, heißt es, habe nie eine Fabrik von innen gesehen. Es wurde eine großartige Männerfreundschaft, gemeinsam verfassten sie 1848 das berühmte Kommunistische Manifest. Zwei bürgerliche Intellektuelle, die die Gesetze des Geschichtsverlaufs studierten, und wie sie zu beeinflussen wären. Marx exzerpierte unermüdlich Klassik und Moderne. Sein dreibändiges Werk „Das Kapital“ war nicht nur eine radikale ökonomische Studie, sondern „der vergebliche Versuch, eine Art Enzyklopädie zu schaffen“.
Ein solches revolutionäres Leben kann man nicht auf eine strenge Linie bringen, nur seine Versatzstücke zusammenfügen, und die Sätze, die immer wieder zitiert werden. „Religion ist das Opium des Volkes“ oder „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ oder „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt“. Die Produktion seines ganzen Lebens ist es, um die es Marx geht. Oft hat man das Gefühl, bei ihm geht alles vom Ursprung her, das macht seine Texte so einfach und so profund. Man muss gar nicht Kommunist sein, um sie zu lieben.
Noch ein Blick auf Marx, von Wilhelm Stieber, dem obersten politischen Spion Preußens, der auf Marx angesetzt war (und, wenn der nichts Subversives „lieferte“, auch mal Fake News für seinen Auftraggeber produzierte): „Man sieht ihm übrigens auf den ersten Blick den Mann von Genie und Energie an.
“
FRITZ GÖTTLER
Wolfgang Korn: Karl Marx. Ein radikaler Denker. Hanser Verlag, München 2018.256 Seiten, 19 Euro.
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"Sehr kenntnisreich, sehr unterhaltsam, gut lesbar. Es gibt immer wieder Einschübe zu bestimmten Themen wie: was Sozialismus eigentlich ist, was Vorbilder für uns bedeuten oder wie die Ausbeutung eigentlich funktioniert. Am Ende gibt es sieben sehr gute Vorschläge, was wir heute tun und was wir von Karl Marx lernen können. Das Buch kann man durchaus mehrmals zur Hand nehmen und nochmal nachlesen. Sehr gut fand ich eben auch die Beschreibung der Freundschaft zwischen Marx und Engels... das zeigt menschliche Züge und das ist natürlich auch ein ganz wichtiger Aspekt, den Wolfgang Korn sich hier mit Absicht gewählt hat, um eben jungen Lesern Karl Marx nachvollziehbar und lesbar zu machen." Ursula Novak, Deutschlandfunk, 07.04.2018