Michel Houellebecq, Enfant terrible der Literaturszene, hat das Buch geschrieben, das niemand erwartet hätte. ›Karte und Gebiet‹ ist ein großer Wurf: ein doppelbödiges, selbstironisches Vexierspiel, ein gewichtiger Roman, der zugleich wie schwerelos wirkt. Houellebecq erweist sich darin als begnadeter Erzähler, der alle Spekulationen ins Leere laufen lässt. Jed Martin ist Künstler. In seinen ersten Arbeiten stellt er Straßenkarten und Satellitenbilder gegenüber, zum Durchbruch verhelfen ihm jedoch Porträts. Einer der Porträtierten: »Michel Houellebecq, Schriftsteller«. Doch dann geschieht ein grausames Verbrechen: ein Doppelmord, verübt auf so bestialische Weise, dass selbst die hartgesottenen Einsatzkräfte schockiert sind. Die Kunst, das Geld, die Arbeit. Die Liebe, das Leben, der Tod: Davon handelt dieser altmeisterliche Roman, der auch hierzulande bereits als literarische Sensation gefeiert wird. Michel Houellebecqs neustes Werk ist ein vollendeter Geniestreich von überraschender Zartheit. Der einstige Agent provocateur erscheint darin gereift und auf so humorvolle Weise melancholisch wie nie. ›Karte und Gebiet‹ wird nicht nur die Freunde Houellebecqs begeistern, sondern auch manchen seiner Feinde.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011Parforceritt einer alten Schildkröte
Michel Houellebecq ist weise geworden: Sein großer Künstlerroman "Karte und Gebiet" vermisst die Welt unseres Jahrhunderts und findet den letzten Frieden in der Provinz.
Von Sandra Kegel
Michel Houellebecq ist tot. Er wurde ermordet. Möglicherweise ist er zusammen mit seinem Hund Platon einem Ritualmord zum Opfer gefallen. Das jedenfalls vermuten die entgeisterten Polizisten, als sie die mit Laserschneider verstümmelten Leichen in Houellebecqs Haus in der französischen Provinz finden: "Ist es so schlimm?, fragte Jasselin leise. Noch viel schlimmer. Viel schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Jemand, der das getan hat, den dürfte es gar nicht geben."
Was klingt wie eine Parodie auf die Thriller des schwedischen Erfolgsautors Stieg Larsson, ist tatsächlich ein Ausschnitt aus "Karte und Gebiet", dem neuen, ausgesprochen komischen und geistreichen Roman von Michel Houellebecq. Der Nihilist mit der verkappten Romantikerseele macht im dritten Kapitel tatsächlich Ernst mit Roland Barthes' bekannter These vom Tod des Autors. Nicht nur lässt er den Schriftsteller gleichen Namens qualvoll enden, er dichtet ihm auch eine Beerdigung an, die der Verstorbene bis in Details noch zu Lebzeiten festgelegt hatte - inklusive eines Möbiusbandes auf dem Grabstein. Und als hätte es Houellebecqs Alter Ego geahnt, ließ es sich wenige Monate vor seinem Tod heimlich taufen.
Im Zentrum der Geschichte steht indes nicht jener ominöse Houellebecq, der, so schildert sich der Autor, "einer alten kranken Schildkröte ähnelt", sondern ein anderer Künstler, bei dem man durchaus ein weiteres Abbild des Autors vermuten darf. Jed Martins Fotografien und Gemälde reflektieren kühl und distanziert über den Zustand der Welt, urteilen Kritiker über ihn. Nur dreimal begegnen sich auf vierhundert Seiten Künstler und Schriftsteller, von Freundschaft wird man da nicht sprechen, und doch gehören diese Begegnungen, zweimal in Irland, einmal in der französischen Provinz, zu den interessantesten Passagen dieses Romans, der dem tatsächlichen Houellebecq nach zwei vergeblichen Anläufen endlich den ersehnten Prix Goncourt gebracht hat. Der Autor soll für den Künstler ein Katalogvorwort schreiben, und ihre Gespräche kreisen um Kunst und Literatur, sie erörtern Produktionsweisen und eröffnen Referenzräume in überraschenden Parallelen.
So ernst die dort verhandelten Gegenstände also sind, so elementar und so überraschend, so souverän beweist auch der bislang gern als enfant terrible der französischen Literaturszene titulierte Houellebecq hier außerdem, dass er selbst die besten Persiflagen auf seine Person zu schreiben vermag. Besser jedenfalls als die mitunter matten Karikaturen seiner Gegner. Da tritt etwa dem Maler der kauzige Schriftsteller gegenüber, in Pantoffeln, Cordhose und Strickjacke sowie einem ausgeprägten Hang zu Depression, Übergewicht und Zeichentrickserien. Das weitet sich dann vordergründig zur Literaturbetriebsposse, in der das illustre Personal der Pariser Kulturschickeria heraufbeschworen wird, mit Frédéric Beigbeder als koksendem Wiedergänger Sartres und Houellebecqs Verlegerin Teresa Cremisi, die bei der Beerdigung ihres Autors seine vielen Feinde beklagt. Patrick Kéchichian, der Kritiker von "Le Monde", feiert Jed Martins Kunst mit den Worten "nicht ohne einen Hauch von Dreistigkeit" nehme der Fotograf "den Standpunkt Gottes ein, der an der Seite des Menschen an der (Re-)Konstruktion der Welt teilhat". Und nicht zuletzt gibt sich mit Julien Lepers und Jean-Pierre Pernaut Frankreichs Fernsehprominenz die Ehre.
Aber wer von hier aus Houellebecqs Roman als simple Gesellschaftsfarce rezipiert, verfehlt ihn komplett. Denn der Autor, nach wie vor ein stupender Diagnostiker unserer westlichen Welt, verzichtet hier auf die gewohnte Provokation um jeden Preis. An ihre Stelle ist ein Erzählstil getreten, der klar, schnörkellos und bisweilen sogar zärtlich ist. In der Wahl seiner Mittel zeigt er sich souverän, und ganz offensichtlich kümmert er sich nicht weiter um postmodernen Firlefanz - wo derlei anklingt wie in der Vorführung des Autors im Spiegelstadium, ist das erzählerisch untermauert und frei von jedem Hauch einer Kopfgeburt. Vor allem aber tritt neben die sprachliche Souveränität die Kühnheit der Konstruktion. Der Autor bringt mit leichter Hand zusammen, was nicht zusammengehört, poetologisch wie inhaltlich. Besser als mit der finalen Möbiusschleife - endlos und dabei niemals identisch mit ihrem Spiegelbild - hätte Houellebecq sein Verfahren nicht markieren können.
So hat man es gleichzeitig mit einem Künstler- und einem Landschaftsroman zu tun, einem Thriller und seiner Parodie, einem Essay über Houellebeqs Heimatland inklusive Zukunftsvision und Loblied auf die Provinz, einer Vater-Sohn-Geschichte, die nach den letzten Dingen fragt, und schließlich mit einem Hundesachbuch sowie einer zärtlichen Hymne auf eine Ofenheizung. Als wäre das nicht genug für zehn Romane, rechnet der Autor gleich noch mit dem sogenannten Schweizer Sterbetourismus ab, weil der Organisationen wie Dignitas viel Geld einbringe.
In jedem dieser disparaten Bereiche aber diskutiert er die immer gleichen Fragen: Wie sollen wir leben in den kommenden Jahrzehnten? Wie sollen wir lieben? Wo sollen wir wohnen? Was essen? Was bedeutet es, alt zu werden? Und können wir dabei glücklich sein?
Wer so fragt, denkt ersichtlich ans Morgen. Und so spielt der Roman auch in einer Zeit kurz nach der unseren, um schließlich eine entindustrialisierte Utopie im ausklingenden einundzwanzigsten Jahrhundert zu entwerfen. Der Kapitalismus hat ausgedient, die vielen Finanzkrisen haben nicht nur die Royal Bank of Scotland, sondern die ganze Welt in den Abgrund gerissen. Just in diesem Moment entdeckt das gedemütigte Frankreich seine Provinzen neu. Mehr noch - es entsteht eine umfassende Begeisterung für das Land, wie es sie seit Jean-Jacques Rousseau nicht mehr gab. Auch dies ist eine Provokation in einem traditionell zentralistischen Staat, dem die province nichts, Paris hingegen alles ist.
Der diplomierte Agraringenieur Houellebecq lässt seinen Antihelden Jed Martin nun ausgerechnet mit abfotografierten Landkarten berühmt und zum Vorreiter der Bewegung "Magie des Regionalen" werden. Die Michelin-Karten im Maßstab 1:150 000, auf die auch der Titel des Romans anspielt, haben es dem Künstler angetan: "Die grafische Darstellung war komplex und schön, von absoluter Klarheit", schwärmt er. Mit der Ausstellung "Die Karte ist interessanter als das Gebiet" wird der junge Absolvent der École des Beaux-arts dann auch über Nacht berühmt.
Gelingt Martin mit den Karten der Durchbruch, so wird der Einzelgänger erst durch einen künstlerischen Bruch, der ihm zum figurativen Maler macht, zum höchstbezahlten Künstler Frankreichs. Seine Werke heißen nun "Bill Gates und Steve Jobs unterhalten sich über die Zukunft der Informatik" oder "Michel Houellebecq, Schriftsteller".
Als Künstler, sagt Martin an zentraler Stelle, müsse man sich "rätselhaften, unvorhersehbaren Botschaften unterwerfen, die man in Ermangelung eines besseren Begriffs und ohne jeden religiösen Glauben als Intuition bezeichnen müsse". Der Künstler habe dabei nicht die geringste Möglichkeit, sich Botschaften, die sich ihm auf kategorische Weise aufdrängten, zu entziehen. So erklärt der Maler sich und vor allem seiner Umwelt die kaum mehr nachvollziehbaren Kehrtwenden seines kreativen Schaffens.
Auch Houellebecq - der Autor, nicht die Romanfigur - hat mit "Karte und Gebiet" ein neues Territorium betreten, was ihm in Frankreich durchaus als Anbiederung an den Mainstream ausgelegt worden ist. Doch wenn ein Autor, der sein Talent zur Dystopie hinreichend belegt hat, nun die erstaunlich realitätssatte Utopie eines Glücks ohne Ende entwirft, dann ist das im Gegenteil eine unerhörte Provokation.
Ihr Schöpfer aber ist weise geworden und sein Ton leicht wie ein Soufflé.
Michel Houellebecq : "Karte und Gebiet". Roman.
Aus dem Französischen von Uli Wittmann. DuMont Verlag, Köln 2011. 416 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michel Houellebecq ist weise geworden: Sein großer Künstlerroman "Karte und Gebiet" vermisst die Welt unseres Jahrhunderts und findet den letzten Frieden in der Provinz.
Von Sandra Kegel
Michel Houellebecq ist tot. Er wurde ermordet. Möglicherweise ist er zusammen mit seinem Hund Platon einem Ritualmord zum Opfer gefallen. Das jedenfalls vermuten die entgeisterten Polizisten, als sie die mit Laserschneider verstümmelten Leichen in Houellebecqs Haus in der französischen Provinz finden: "Ist es so schlimm?, fragte Jasselin leise. Noch viel schlimmer. Viel schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Jemand, der das getan hat, den dürfte es gar nicht geben."
Was klingt wie eine Parodie auf die Thriller des schwedischen Erfolgsautors Stieg Larsson, ist tatsächlich ein Ausschnitt aus "Karte und Gebiet", dem neuen, ausgesprochen komischen und geistreichen Roman von Michel Houellebecq. Der Nihilist mit der verkappten Romantikerseele macht im dritten Kapitel tatsächlich Ernst mit Roland Barthes' bekannter These vom Tod des Autors. Nicht nur lässt er den Schriftsteller gleichen Namens qualvoll enden, er dichtet ihm auch eine Beerdigung an, die der Verstorbene bis in Details noch zu Lebzeiten festgelegt hatte - inklusive eines Möbiusbandes auf dem Grabstein. Und als hätte es Houellebecqs Alter Ego geahnt, ließ es sich wenige Monate vor seinem Tod heimlich taufen.
Im Zentrum der Geschichte steht indes nicht jener ominöse Houellebecq, der, so schildert sich der Autor, "einer alten kranken Schildkröte ähnelt", sondern ein anderer Künstler, bei dem man durchaus ein weiteres Abbild des Autors vermuten darf. Jed Martins Fotografien und Gemälde reflektieren kühl und distanziert über den Zustand der Welt, urteilen Kritiker über ihn. Nur dreimal begegnen sich auf vierhundert Seiten Künstler und Schriftsteller, von Freundschaft wird man da nicht sprechen, und doch gehören diese Begegnungen, zweimal in Irland, einmal in der französischen Provinz, zu den interessantesten Passagen dieses Romans, der dem tatsächlichen Houellebecq nach zwei vergeblichen Anläufen endlich den ersehnten Prix Goncourt gebracht hat. Der Autor soll für den Künstler ein Katalogvorwort schreiben, und ihre Gespräche kreisen um Kunst und Literatur, sie erörtern Produktionsweisen und eröffnen Referenzräume in überraschenden Parallelen.
So ernst die dort verhandelten Gegenstände also sind, so elementar und so überraschend, so souverän beweist auch der bislang gern als enfant terrible der französischen Literaturszene titulierte Houellebecq hier außerdem, dass er selbst die besten Persiflagen auf seine Person zu schreiben vermag. Besser jedenfalls als die mitunter matten Karikaturen seiner Gegner. Da tritt etwa dem Maler der kauzige Schriftsteller gegenüber, in Pantoffeln, Cordhose und Strickjacke sowie einem ausgeprägten Hang zu Depression, Übergewicht und Zeichentrickserien. Das weitet sich dann vordergründig zur Literaturbetriebsposse, in der das illustre Personal der Pariser Kulturschickeria heraufbeschworen wird, mit Frédéric Beigbeder als koksendem Wiedergänger Sartres und Houellebecqs Verlegerin Teresa Cremisi, die bei der Beerdigung ihres Autors seine vielen Feinde beklagt. Patrick Kéchichian, der Kritiker von "Le Monde", feiert Jed Martins Kunst mit den Worten "nicht ohne einen Hauch von Dreistigkeit" nehme der Fotograf "den Standpunkt Gottes ein, der an der Seite des Menschen an der (Re-)Konstruktion der Welt teilhat". Und nicht zuletzt gibt sich mit Julien Lepers und Jean-Pierre Pernaut Frankreichs Fernsehprominenz die Ehre.
Aber wer von hier aus Houellebecqs Roman als simple Gesellschaftsfarce rezipiert, verfehlt ihn komplett. Denn der Autor, nach wie vor ein stupender Diagnostiker unserer westlichen Welt, verzichtet hier auf die gewohnte Provokation um jeden Preis. An ihre Stelle ist ein Erzählstil getreten, der klar, schnörkellos und bisweilen sogar zärtlich ist. In der Wahl seiner Mittel zeigt er sich souverän, und ganz offensichtlich kümmert er sich nicht weiter um postmodernen Firlefanz - wo derlei anklingt wie in der Vorführung des Autors im Spiegelstadium, ist das erzählerisch untermauert und frei von jedem Hauch einer Kopfgeburt. Vor allem aber tritt neben die sprachliche Souveränität die Kühnheit der Konstruktion. Der Autor bringt mit leichter Hand zusammen, was nicht zusammengehört, poetologisch wie inhaltlich. Besser als mit der finalen Möbiusschleife - endlos und dabei niemals identisch mit ihrem Spiegelbild - hätte Houellebecq sein Verfahren nicht markieren können.
So hat man es gleichzeitig mit einem Künstler- und einem Landschaftsroman zu tun, einem Thriller und seiner Parodie, einem Essay über Houellebeqs Heimatland inklusive Zukunftsvision und Loblied auf die Provinz, einer Vater-Sohn-Geschichte, die nach den letzten Dingen fragt, und schließlich mit einem Hundesachbuch sowie einer zärtlichen Hymne auf eine Ofenheizung. Als wäre das nicht genug für zehn Romane, rechnet der Autor gleich noch mit dem sogenannten Schweizer Sterbetourismus ab, weil der Organisationen wie Dignitas viel Geld einbringe.
In jedem dieser disparaten Bereiche aber diskutiert er die immer gleichen Fragen: Wie sollen wir leben in den kommenden Jahrzehnten? Wie sollen wir lieben? Wo sollen wir wohnen? Was essen? Was bedeutet es, alt zu werden? Und können wir dabei glücklich sein?
Wer so fragt, denkt ersichtlich ans Morgen. Und so spielt der Roman auch in einer Zeit kurz nach der unseren, um schließlich eine entindustrialisierte Utopie im ausklingenden einundzwanzigsten Jahrhundert zu entwerfen. Der Kapitalismus hat ausgedient, die vielen Finanzkrisen haben nicht nur die Royal Bank of Scotland, sondern die ganze Welt in den Abgrund gerissen. Just in diesem Moment entdeckt das gedemütigte Frankreich seine Provinzen neu. Mehr noch - es entsteht eine umfassende Begeisterung für das Land, wie es sie seit Jean-Jacques Rousseau nicht mehr gab. Auch dies ist eine Provokation in einem traditionell zentralistischen Staat, dem die province nichts, Paris hingegen alles ist.
Der diplomierte Agraringenieur Houellebecq lässt seinen Antihelden Jed Martin nun ausgerechnet mit abfotografierten Landkarten berühmt und zum Vorreiter der Bewegung "Magie des Regionalen" werden. Die Michelin-Karten im Maßstab 1:150 000, auf die auch der Titel des Romans anspielt, haben es dem Künstler angetan: "Die grafische Darstellung war komplex und schön, von absoluter Klarheit", schwärmt er. Mit der Ausstellung "Die Karte ist interessanter als das Gebiet" wird der junge Absolvent der École des Beaux-arts dann auch über Nacht berühmt.
Gelingt Martin mit den Karten der Durchbruch, so wird der Einzelgänger erst durch einen künstlerischen Bruch, der ihm zum figurativen Maler macht, zum höchstbezahlten Künstler Frankreichs. Seine Werke heißen nun "Bill Gates und Steve Jobs unterhalten sich über die Zukunft der Informatik" oder "Michel Houellebecq, Schriftsteller".
Als Künstler, sagt Martin an zentraler Stelle, müsse man sich "rätselhaften, unvorhersehbaren Botschaften unterwerfen, die man in Ermangelung eines besseren Begriffs und ohne jeden religiösen Glauben als Intuition bezeichnen müsse". Der Künstler habe dabei nicht die geringste Möglichkeit, sich Botschaften, die sich ihm auf kategorische Weise aufdrängten, zu entziehen. So erklärt der Maler sich und vor allem seiner Umwelt die kaum mehr nachvollziehbaren Kehrtwenden seines kreativen Schaffens.
Auch Houellebecq - der Autor, nicht die Romanfigur - hat mit "Karte und Gebiet" ein neues Territorium betreten, was ihm in Frankreich durchaus als Anbiederung an den Mainstream ausgelegt worden ist. Doch wenn ein Autor, der sein Talent zur Dystopie hinreichend belegt hat, nun die erstaunlich realitätssatte Utopie eines Glücks ohne Ende entwirft, dann ist das im Gegenteil eine unerhörte Provokation.
Ihr Schöpfer aber ist weise geworden und sein Ton leicht wie ein Soufflé.
Michel Houellebecq : "Karte und Gebiet". Roman.
Aus dem Französischen von Uli Wittmann. DuMont Verlag, Köln 2011. 416 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2011Saint Michel
Michel Houellebecq sagt auf neue, ungeahnte Weise „J’accuse“: Sein neuer, tiefgründiger Künstlerroman
„Karte und Gebiet“ ist ein Meisterwerk Von Helmut Böttiger
In der Kunst wird der Irrsinn des Finanzkapitalismus plastisch. Am Ende des Buches verkauft Jed Martin, die Hauptfigur, sein letztes Bild für zwölf Millionen an einen indischen Handyunternehmer. Doch da widmet er sich längst nur noch Videogrammen, in denen von der Welt nichts als sich im Wind wiegende Gräser übrigbleiben. Der Kunstmarkt wird „schon seit langem von den reichsten Geschäftsleuten der Welt beherrscht“, stellt Jeds Galerist Franz fest, „wir sind in die Epoche der Hofmalerei des Ancien Régime zurückgefallen“. Wie gewohnt geraten in Michel Houellebecqs neuem Roman die Mechanismen des Marktes in grelles Licht. Und doch ist er alles andere als zynisch. Houellebecq trifft seine Leser an einer völlig unerwarteten Stelle. Er hat einen tiefgründigen und wissenden Künstlerroman geschrieben, voll postmodernem Ernst. Es ist wie bei einem makellosen Gemälde. Je genauer man hinsieht, desto vieldeutiger und widersprüchlicher werden die scheinbar mühelos decodierbaren Details.
Jed Martin hat zwar an der Pariser Kunstakademie studiert, sich aber von den narzisstischen Riten des Milieus ferngehalten. Er lebt isoliert, und den Kommunikationsversuchen mit seinem drohend grummelnden Heizkessel gewinnt Houllebecq irrlichternde, verquer sehnsüchtige Funken ab. Auf einer Sammelausstellung präsentiert Jed ein Foto, das einem einsamen Impuls entsprungen ist: Er nimmt Ausschnitte aus dem Michelin-Straßenatlas und hebt das graphische Relief von Tälern und Gebirgen, Straßen und Flüssen durch technische Bearbeitungen hervor, unter dem Titel: „Die Karte ist interessanter als das Gebiet“.
Ohne, dass dies näher ausgeführt werden würde, steckt in diesem Titel eine alte Sehnsucht, die Vision, in der Realität eine ästhetische Dimension aufzuspüren und sie dadurch auf ungeahnte Weise zu durchdringen. Jed Martin ist der Entwurf eines von den Usancen des Kunstbetriebs unabhängigen Künstlers – ohne jede ironische Distanz. Der Coup Houellebecqs ist allerdings, dass er dieser Künstler-Imago einen Doppelgänger zur Seite stellt, einen Schriftsteller, der „Michel Houllebecq“ heißt. Die Figuren Jed Martin und Michel Houellebecq treten in eine anspielungsreiche Beziehung, es ist eine Figuren-, eine Ich-Aufspaltung wie in der deutschen romantischen Tradition. „Michel Houellebecq“ zeigt etliche Züge des öffentlichen Bildes dieses bekannten Schriftstellers, eine sich selbst inszenierende Kunstfigur, die sich effektvoll auf die Gesellschaft einlässt und ihre voyeuristischen Bedürfnisse bedient, bis hin zu einem perfekten Tod. Jed Martin hingegen ist der „reine“ Bruder, der romantische Gegenentwurf, der nicht von gesellschaftlichen Zwängen korrumpiert ist.
Mit diesem Doppelmodell sichert Houellebecq den Versuch ab, in der Figur des Jed Martin die Möglichkeiten durchzuspielen, heute „authentisch“ zu sein. Jeds Vater etwa ist wie ein Spiegel: ein Architekt, der ursprünglich ebenfalls künstlerische Ambitionen hatte und an der kruden bürgerlich-kapitalistischen Realität abgeprallt ist; letztlich entwarf er Feriensiedlungen. Der Vater, krebskrank, nimmt zum Schluss heimlich die Dienste des Sterbehilfeunternehmens Dignitas auf, und es wirkt wie ein unwillkürlicher Aufstand gegen die vorgegebene Maschinerie des Todes und des Lebens, als Jed davon erfährt und eine Dignitas-Angestellte niederschlägt.
Mit der Figur der slawischen, langbeinigen Schönheit Olga zeigt Houellebecq dann virtuos die Aporien der Künstlerexistenz Jeds: Sie scheint zunächst nichts weiter als eine krude Männerphantasie zu sein, eine austauschbare Projektion, und doch entwickelt sich eine Beziehung, in der unversehens die Möglichkeit menschlicher Nähe aufscheint. Schon ihr lakonischer Satz beim Kennenlernen „Ich arbeite bei Michelin“ zeigt die Bedingtheiten dieser Gefühle, aber wie es Houellebecq gelingt, ohne größeren sprachlichen Aufwand die Utopie einer Liebe aufscheinen und wieder verschwinden zu lassen, ist fast altmeisterlich. Als Olga, die eine steile Karriere macht, zurück nach Russland muss, verschmilzt sie in einem raffinierten Vexierspiel mit Thomas Manns Madame Chauchat aus dem „Zauberberg“ – ebenfalls eine französisch sprechenden Russin, die in erkrankter westlicher Bürgerseele einen Stachel hinterlässt: „kleiner unentschlossener Franzose“. Und als sie zurückkommt, umkreist Houellebecq eine enigmatische Leerstelle: Jed sieht Olgas Erscheinung wie das „Phantom eines nicht zustande gekommenen Glücks“. Houellebecq erklärt nichts, dennoch entsteht ein vielschichtiges, nach mehreren Seiten hin interpretierbares Bild.
Im Kulturmilieu verlegt sich Jed Martin auf Distanz und Schweigen, was ihm dann unvermeidlich als geheimnisvolle Aura zuwächst. Er gerät in eine Maschinerie, die ihm überlegen ist, und es kommt dabei zu grotesk-komischen Szenen. Houellebecq verzeichnet soziale Distinktionen – Automarken, Weine, Möbel – exakt im Sinne des Soziologen Pierre Bourdieu, er seziert die gesellschaftliche Wirklichkeit mit derselben „Hochpräzisionsmechanik“, mit der Martin seine Werke ausführt, wie ein Naturalist. Und in seiner Schilderung des überkommenen Konflikts zwischen Künstler und Gesellschaft nimmt Houellebecq das emphatische „J’accuse“ von Emile Zola vehement und kapitalismuskritisch auf, ja, eingedenk der hundert Jahre, die dazwischen vergangen sind und dieses „J’accuse“ mit einem Grundakkord von Melancholie versehen haben. „Karte und Gebiet“ ist ein großes Buch über die Gegenwart, voller Erkenntnis, voller Schmerz. Houellebecq hat all seine „Elementarteilchen“ mitgenommen und sämtliche Capricen, alles Kokette und Stilisierte abgestreift. Er hat sie in einen völlig anderen Kosmos überführt, in ein Meisterwerk.
Michel Houellebecq:
Karte und Gebiet
Aus dem Französischen von Uli
Wittmann. DuMont Buchverlag,
Köln 2011. 416 Seiten, 22,99 Euro.
Mit der Aufspaltung des
Künstlers fragt Houellebecq
nach dem „authentischen“ Ich
Hat alles Kokette und Stilisierte abgelegt: Michel Houellebecq 2008 in Spanien, am Set von „Die Möglichkeit einer Insel“. Foto: Daret/GAMMA/Eyedea Presse
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Michel Houellebecq sagt auf neue, ungeahnte Weise „J’accuse“: Sein neuer, tiefgründiger Künstlerroman
„Karte und Gebiet“ ist ein Meisterwerk Von Helmut Böttiger
In der Kunst wird der Irrsinn des Finanzkapitalismus plastisch. Am Ende des Buches verkauft Jed Martin, die Hauptfigur, sein letztes Bild für zwölf Millionen an einen indischen Handyunternehmer. Doch da widmet er sich längst nur noch Videogrammen, in denen von der Welt nichts als sich im Wind wiegende Gräser übrigbleiben. Der Kunstmarkt wird „schon seit langem von den reichsten Geschäftsleuten der Welt beherrscht“, stellt Jeds Galerist Franz fest, „wir sind in die Epoche der Hofmalerei des Ancien Régime zurückgefallen“. Wie gewohnt geraten in Michel Houellebecqs neuem Roman die Mechanismen des Marktes in grelles Licht. Und doch ist er alles andere als zynisch. Houellebecq trifft seine Leser an einer völlig unerwarteten Stelle. Er hat einen tiefgründigen und wissenden Künstlerroman geschrieben, voll postmodernem Ernst. Es ist wie bei einem makellosen Gemälde. Je genauer man hinsieht, desto vieldeutiger und widersprüchlicher werden die scheinbar mühelos decodierbaren Details.
Jed Martin hat zwar an der Pariser Kunstakademie studiert, sich aber von den narzisstischen Riten des Milieus ferngehalten. Er lebt isoliert, und den Kommunikationsversuchen mit seinem drohend grummelnden Heizkessel gewinnt Houllebecq irrlichternde, verquer sehnsüchtige Funken ab. Auf einer Sammelausstellung präsentiert Jed ein Foto, das einem einsamen Impuls entsprungen ist: Er nimmt Ausschnitte aus dem Michelin-Straßenatlas und hebt das graphische Relief von Tälern und Gebirgen, Straßen und Flüssen durch technische Bearbeitungen hervor, unter dem Titel: „Die Karte ist interessanter als das Gebiet“.
Ohne, dass dies näher ausgeführt werden würde, steckt in diesem Titel eine alte Sehnsucht, die Vision, in der Realität eine ästhetische Dimension aufzuspüren und sie dadurch auf ungeahnte Weise zu durchdringen. Jed Martin ist der Entwurf eines von den Usancen des Kunstbetriebs unabhängigen Künstlers – ohne jede ironische Distanz. Der Coup Houellebecqs ist allerdings, dass er dieser Künstler-Imago einen Doppelgänger zur Seite stellt, einen Schriftsteller, der „Michel Houllebecq“ heißt. Die Figuren Jed Martin und Michel Houellebecq treten in eine anspielungsreiche Beziehung, es ist eine Figuren-, eine Ich-Aufspaltung wie in der deutschen romantischen Tradition. „Michel Houellebecq“ zeigt etliche Züge des öffentlichen Bildes dieses bekannten Schriftstellers, eine sich selbst inszenierende Kunstfigur, die sich effektvoll auf die Gesellschaft einlässt und ihre voyeuristischen Bedürfnisse bedient, bis hin zu einem perfekten Tod. Jed Martin hingegen ist der „reine“ Bruder, der romantische Gegenentwurf, der nicht von gesellschaftlichen Zwängen korrumpiert ist.
Mit diesem Doppelmodell sichert Houellebecq den Versuch ab, in der Figur des Jed Martin die Möglichkeiten durchzuspielen, heute „authentisch“ zu sein. Jeds Vater etwa ist wie ein Spiegel: ein Architekt, der ursprünglich ebenfalls künstlerische Ambitionen hatte und an der kruden bürgerlich-kapitalistischen Realität abgeprallt ist; letztlich entwarf er Feriensiedlungen. Der Vater, krebskrank, nimmt zum Schluss heimlich die Dienste des Sterbehilfeunternehmens Dignitas auf, und es wirkt wie ein unwillkürlicher Aufstand gegen die vorgegebene Maschinerie des Todes und des Lebens, als Jed davon erfährt und eine Dignitas-Angestellte niederschlägt.
Mit der Figur der slawischen, langbeinigen Schönheit Olga zeigt Houellebecq dann virtuos die Aporien der Künstlerexistenz Jeds: Sie scheint zunächst nichts weiter als eine krude Männerphantasie zu sein, eine austauschbare Projektion, und doch entwickelt sich eine Beziehung, in der unversehens die Möglichkeit menschlicher Nähe aufscheint. Schon ihr lakonischer Satz beim Kennenlernen „Ich arbeite bei Michelin“ zeigt die Bedingtheiten dieser Gefühle, aber wie es Houellebecq gelingt, ohne größeren sprachlichen Aufwand die Utopie einer Liebe aufscheinen und wieder verschwinden zu lassen, ist fast altmeisterlich. Als Olga, die eine steile Karriere macht, zurück nach Russland muss, verschmilzt sie in einem raffinierten Vexierspiel mit Thomas Manns Madame Chauchat aus dem „Zauberberg“ – ebenfalls eine französisch sprechenden Russin, die in erkrankter westlicher Bürgerseele einen Stachel hinterlässt: „kleiner unentschlossener Franzose“. Und als sie zurückkommt, umkreist Houellebecq eine enigmatische Leerstelle: Jed sieht Olgas Erscheinung wie das „Phantom eines nicht zustande gekommenen Glücks“. Houellebecq erklärt nichts, dennoch entsteht ein vielschichtiges, nach mehreren Seiten hin interpretierbares Bild.
Im Kulturmilieu verlegt sich Jed Martin auf Distanz und Schweigen, was ihm dann unvermeidlich als geheimnisvolle Aura zuwächst. Er gerät in eine Maschinerie, die ihm überlegen ist, und es kommt dabei zu grotesk-komischen Szenen. Houellebecq verzeichnet soziale Distinktionen – Automarken, Weine, Möbel – exakt im Sinne des Soziologen Pierre Bourdieu, er seziert die gesellschaftliche Wirklichkeit mit derselben „Hochpräzisionsmechanik“, mit der Martin seine Werke ausführt, wie ein Naturalist. Und in seiner Schilderung des überkommenen Konflikts zwischen Künstler und Gesellschaft nimmt Houellebecq das emphatische „J’accuse“ von Emile Zola vehement und kapitalismuskritisch auf, ja, eingedenk der hundert Jahre, die dazwischen vergangen sind und dieses „J’accuse“ mit einem Grundakkord von Melancholie versehen haben. „Karte und Gebiet“ ist ein großes Buch über die Gegenwart, voller Erkenntnis, voller Schmerz. Houellebecq hat all seine „Elementarteilchen“ mitgenommen und sämtliche Capricen, alles Kokette und Stilisierte abgestreift. Er hat sie in einen völlig anderen Kosmos überführt, in ein Meisterwerk.
Michel Houellebecq:
Karte und Gebiet
Aus dem Französischen von Uli
Wittmann. DuMont Buchverlag,
Köln 2011. 416 Seiten, 22,99 Euro.
Mit der Aufspaltung des
Künstlers fragt Houellebecq
nach dem „authentischen“ Ich
Hat alles Kokette und Stilisierte abgelegt: Michel Houellebecq 2008 in Spanien, am Set von „Die Möglichkeit einer Insel“. Foto: Daret/GAMMA/Eyedea Presse
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
'Ein Meister, entspannt, auf der Höhe seiner Kunst. Ein großer Wurf, sein bisher bester Roman.' -- Süddeutsche Zeitung
'Der genialste Landvermesser der französischen Literatur hat einen höchst unterhaltsamen Gesellschaftsroman des Kunstbetriebs, ja der Gegenwart geschrieben.' -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
'Ein sehr komischer Roman, auf dessen deutsche Übersetzung man sich freuen kann.' -- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
'Perfekt. Ein packendes, trauriges und humorvolles Buch.' -- Die Zeit Frankreich
'Michel Houellebecqs spannendstes, gefühlvollstes und bewegendstes Buch.' -- Livres Hebdo
'Kein Bewunderer seines einzigartigen Talents wird von diesem Roman enttäuscht sein.' -- Le Monde
'Sein Werk markiert einen Wendepunkt in der Literaturgeschichte.' -- Marianne
'Komplex, subtil und atemberaubend virtuos.' -- Les Inrockuptibles
'Das verspricht perfekt gerechtfertigte Lobeshymnen.' -- Libération
'Alles, was seinen bisherigen Erfolg sicherte, ist hier noch einmal vereint.' -- Le Figaro
'Der genialste Landvermesser der französischen Literatur hat einen höchst unterhaltsamen Gesellschaftsroman des Kunstbetriebs, ja der Gegenwart geschrieben.' -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
'Ein sehr komischer Roman, auf dessen deutsche Übersetzung man sich freuen kann.' -- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
'Perfekt. Ein packendes, trauriges und humorvolles Buch.' -- Die Zeit Frankreich
'Michel Houellebecqs spannendstes, gefühlvollstes und bewegendstes Buch.' -- Livres Hebdo
'Kein Bewunderer seines einzigartigen Talents wird von diesem Roman enttäuscht sein.' -- Le Monde
'Sein Werk markiert einen Wendepunkt in der Literaturgeschichte.' -- Marianne
'Komplex, subtil und atemberaubend virtuos.' -- Les Inrockuptibles
'Das verspricht perfekt gerechtfertigte Lobeshymnen.' -- Libération
'Alles, was seinen bisherigen Erfolg sicherte, ist hier noch einmal vereint.' -- Le Figaro
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ganz klar ein Meisterwerk und "ein großes Buch über die Gegenwart" ist Michel Houellebecqs neuer, aber bereits mit dem Prix Goncourt ausgezeichneter Roman für den Rezensenten Helmut Böttiger. Und er ist dabei gar nicht zynisch, wie Böttiger meint, sondern tiefgründig, ohne Ironie und voll "postmodernem Ernst". Begeistert ist Böttiger auch vom Anspielungsreichtum dieses Künstlerromans, in dem Houellebecq den Kunstbetrieb und seine Mechanismus seziert: Ausgerechnet den Maler Jed Martin, der sozial viel zu unterentwickelt ist, um sich vom Markt korrumpieren zu lassen, hievt diese Maschinerie an die Spitze, wobei ihm als Doppelgänger ein mit allen Wassern des Geschäfts gewaschener Schriftsteller namens Michel Houellebecq zur Seite gestellt wird. Die Möglichkeit künstlerischer Authentizität wird hier zum großen Leseglück des Rezensenten ebenso meisterlich durchgespielt wie die "Utopie einer Liebe", in die Houellebecq - ganz gegen seine Gewohnheit - Jeds Affäre zur langbeinigen Männerfantasie Olga münden lässt. Und dass sich Houellebecq die Mechanismen des Kunstbetriebs unter "kapitalismuskritischen" Vorzeichen vorknöpft, trägt nicht minder zur Begeisterung des Rezensenten bei, der prompt Zolas "J'accuse" als Vergleichsgröße heranzieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Michel Houellebecq ist heute auf dem Gebiet der Politik und Soziologie, was Jules Verne im 19. Jahrhundert für die Technik war: ein Visionär und ein großer Künstler." Denis Scheck, LITERARISCHE WELT "Mit diesem Roman ist es Michel Houellebecq gelungen, ein ebenso unbarmherziges wie äußerst amüsantes Bild der französischen Gesellschaft zu schaffen." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG "Lesen!" MONOPOL "Gleichzeitig Künstler- und Landschaftsroman, ein Thriller und seine Parodie, ein Essay über Houellebecqs Heimatland inklusive Zukunftsvision und Loblied auf die Provinz, eine Vater-Sohn-Geschichte, die nach den letzten Dingen fragt und ein Hundesachbuch (...) Ihr Schöpfer ist weise geworden und sein Ton ist leicht wie ein Soufflé." FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG "Ein großes Buch über die Gegenwart, voller Erkenntnis, voller Schmerz. Houellebecq hat alle seine "Elementarteilchen" mitgenommen und sämtliche Capricen, alles Kokette und stilisierte abgestreift. Er hat sie in einen völlig anderen Kosmos überführt, in ein Meisterwerk." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG "Ein aberwitziger Künstlerroman" DIE ZEIT "Weich und weise (...) ein überzeugendes, souveränes Panoramabild unserer inneren und äußeren Verfassung." DIE WELT "Sein Roman ist perfekt." NEON "Houellebecqs bester Roman" DER STANDARD "Man sieht, Houellebecq hat Humor (...) ein selbstironischer Künstlerroman und somit auch ein Gesellschaftsroman." FRANKFURTER RUNDSCHAU "Er ist mit diesem Buch auf dem Weg zur literarischen Unsterblichkeit." MANNHEIMER MORGEN "Das Buch ist grandios, ein Kabinettstück an Doppelbödigkeiten und Cameo-Auftritten." (Annabelle) "Ein Roman, der so altmeisterlich erzählt und intelligent gebaut ist wie kein zweiter in diesem Frühling." UMAG "Karte und Gebiet" ist ein Künstlerroman, der, wie stets bei diesem Autor, in die Mitte unserer gesellschaftlichen Existenz vordringt, auf ironische, geradezu zynische Art und Weise." FRANKFURTER RUNDSCHAU MAGAZIN "Bitterernster und doch heiterer, ideengeladener und exzellent konstruierter Roman. (...) Beglückt, verstört, fasziniert schlägt man die Seiten um. Es ist das Buch der Saison." BERNER ZEITUNG "Michel Houellebecqs bester Roman seit langer, langer Zeit." ROLLING STONE "Es ist Krimi, Künstlerbiografie, Kapitalismuskritik und Gesellschaftsanalyse zugleich - und das bislang beste des literarischen Enfant terrible. Lang lebe Houellebecq!" PRINZ "Das Buch der Saison." PASSAUER NEUE PRESSE "Unbedingt lesen!" VOGUE.DE "Das Buch ist Parodie und Utopie zugleich - und es ist meisterhaft." HÖRZU "Michel Houellebecq ist mit diesem klugen Künstlerroman ein großer Wurf der Gegenwartsliteratur gelungen: Ein hoch moralisches Buch, das die zentralen Fragen nach den Werten, Tugenden und Sünden unserer Zeit stellt und auf originelle Weise auch beantwortet. Denis Scheck in DER TAGESSPIEGEL und DRUCKFRISCH "Mitten ins Herz unserer Zeit" BUCH JOURNAL "Michel Houellebecq ist mit Karte und Gebiet ein lässiges Werk des Unterlaufens aller Erwartungen und des um ihn veranstalteten Traras gelungen." KOMMUNE. FORUM FÜR POLITIK, ÖKONOMIE, KULTUR "Houellebecq erzählt in "Karte und Gebiet" die Geschichte eines Künstlers, der, gerade weil er als solcher unfassbar bleibt, viel provokanter als die Künstlerfiguren anderer Romane der letzten Jahre ist." Wolfgang Ullrich, DIE ZEIT
»Paillard [hat] ein außergewöhnliches, eigenständiges Werk geschaffen. Das einlädt, Houellebecqs Roman noch einmal zu lesen« Barbara Beer, KURIER »[...] [D]ie Comic-Book-Version steigert noch mal die tollkühne Schräglage des zugrundeliegenden Romans.« Fritz Göttler, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Zwölf Jahre nachdem Houellebecqs Roman 'Karte und Gebiet' auf Deutsch erschien [...] kann man den Plot um den Künstler Jed Martin und ihn, Houellebecq selbst, als Graphic Novel bestaunen.« WELT AM SONNTAG »eine geniale Graphic-Novel-Version« Frank Willmann, NEUES DEUTSCHLAND »Louis Paillard hat Houellebecqs lässigen Roman 'Karte und Gebiet' [...] in eine zärtlich radikale Graphic Novel verwandelt.« Fritz Göttler, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Die Comic-Adaption des Bestsellers steht dem Original in nichts nach: herausfordernd, kaum Raum lassend und viele kleine Besonderheiten - zum Schmunzeln oder darüber Nachdenken.« Mathias Heller, NDR »'Karte und Gebiet' ist ein berückend schönes Maler-, Künstler- und Zeichen-Buch, das die schon 2010 verfasste schneidende Gegenwartsanalyse des französischen Meister-Schreibers Houellebecq wie in einem Brennglas noch einmal ganz aktuell erscheinen lässt.« Dirk Fuhrig, WDR 3 KULTUR AM MITTAG »klug, szenisch brillant und eigenständig - schlicht grandios« Hansruedi Kugler, LUZERNER ZEITUNG »Einfallsreich und absolut begeisternd in der Gestaltung.« Rainer Scheer, BIBLIOTHEKARISCHE DIENSTE »Das Buch ist ein aberwitziges Vexierspiel, in dem der Stand der modernen Kunst in immer neuen Volten und Wendungen reflektiert wird.« Fritz Göttler, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Rezensent Fritz Göttler findet, dass Michel Houellebecqs Roman in der Fassung als Graphic Novel mit den Zeichnungen von Louis Paillard gewinnt. Göttler gefallen die "entschlackte" Textversion über den Künstler Jed Martin und Houellebecq himself sowie Paillards "Bildblöcke" mit ihren unterschiedlichen Stilen und Techniken. Insgesamt ergibt das für Göttler ein "aufregendes neues Feeling" beim Lesen des "aberwitzigen" Romans, dessen Wendungen er noch immer verblüffend findet.
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