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Europäischer Traum, lebst du noch? Der große europäische Roman der Menschen In der letzten Nacht vor der Aufnahme Litauens in den Schengenraum beschließen drei Paare den Aufbruch in ein neues Leben: Ein Paar zieht es nach London, eines geht nach Paris, das dritte bleibt im Baltikum und versucht dort sein Glück mit einer originellen Geschäftsidee. Ob glänzende Metropole oder osteuropäische Provinz – die jungen Menschen möchten den europäischen Traum von einer besseren Zukunft zum Leben erwecken. Vom Leben in Europa erwarten sie sich mehr als Reisefreiheit und Telefonieren ohne Roaming-Gebühren.…mehr

Produktbeschreibung
Europäischer Traum, lebst du noch? Der große europäische Roman der Menschen In der letzten Nacht vor der Aufnahme Litauens in den Schengenraum beschließen drei Paare den Aufbruch in ein neues Leben: Ein Paar zieht es nach London, eines geht nach Paris, das dritte bleibt im Baltikum und versucht dort sein Glück mit einer originellen Geschäftsidee. Ob glänzende Metropole oder osteuropäische Provinz – die jungen Menschen möchten den europäischen Traum von einer besseren Zukunft zum Leben erwecken. Vom Leben in Europa erwarten sie sich mehr als Reisefreiheit und Telefonieren ohne Roaming-Gebühren. Aber kann Europa sein großes Versprechen von Freiheit und Miteinander tatsächlich einlösen? Und was ist dieser "europäische Traum" eigentlich? Ein Abgesang auf das "Europa für alle"? Die mutigen Paare aus Osteuropa erhoffen sich eine offene Gesellschaft, die ihnen freundlich entgegentritt, berufliche Entfaltungsmöglichkeiten und gesicherte Lebensverhältnisse. Als die GlückssucherInnen zu ahnen beginnen, wie nah Erfüllung und Enttäuschung beieinanderliegen und wie wenig Westeuropa für sie zu bieten hat, erhält die Aufbruchsstimmung erste Dämpfer. Voller Wucht trifft sie die schmerzhafte Realität der "europäischen Gemeinschaft": Entgegen dem Ideal eines Europas ohne Grenzen spalten sich Union und Gesellschaft in vermeintlich "alte" und "neue" Europäer*innen. Mit einem Mal finden sich die jungen Paare als Fremde an den gesellschaftlichen Rand und in den finanziellen und persönlichen Ruin gedrängt. Das eben noch zum Greifen nah erschienene bessere, "europäische" Leben rückt immer weiter in die Ferne … Andrej Kurkow legt den Finger in die Wunde Europas Der ukrainische Bestseller-Autor Andrej Kurkow erlebte die Zeit des Kyjiwer "Euro-Majdan" hautnah mit. Er kennt die Hoffnungen der Osteuropäer*innen in die Europäische Union. Und er kennt ihre bittere Enttäuschung. Wer also kann den großen europäischen Roman unserer Zeit schreiben, wenn nicht er? Aus einem zutiefst menschlichen Blickwinkel zeichnet Andrej Kurkow die Schicksale dreier Paare – ihre Hoffnungen und Enttäuschungen, ihr Festhalten am großen gemeinschaftlichen Freiheitsversprechen. Welche Rolle spielt die europäische Idee für die Identität der Menschen und Nationen? Waren wir uns im Eindruck zweier Weltkriege näher, als heute unter dem gemeinsamen Dach der Europäischen Union? Sind wir wirklich ein Europa? Ein mutiger und aufrüttelnder Roman. Aus dem Russischen von Claudia Dathe
Autorenporträt
Romane wie "Picknick auf dem Eis" (1999) oder "Der Milchmann in der Nacht" (2009) machten den 1961 in St. Petersburg geborenen und heute in Kiew lebenden ANDREJ KURKOW zum Bestseller-Autor. Mit den Protesten auf dem Kiewer Euro-Majdan 2013 und dem Krieg in der Ostukraine änderte sich sein Leben schlagartig. In dieser Zeit formte sich die bittere Erkenntnis vom wahren Gesicht der "Europäischen Solidarität", die in seinem "Ukrainischen Tagebuch" (Haymon 2014) bereits Niederschlag fand. Wer, wenn nicht er, kann den großen europäischen Roman unserer Zeit schreiben?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2018

Gutes Europa, böses Europa
Glückssucher: Andrej Kurkow will mit seinem Roman "Kartografie der Freiheit" den europäischen Traum vermessen

Lässt ein Autor einem mehr als sechshundert Seiten umfassenden Roman ein Nachwort folgen, in dem er das Anliegen seines Buches noch einmal erläutert, könnte man auf den Gedanken verfallen, dass der Verfasser, bewusst oder unbewusst, mit der literarischen Umsetzung seines Vorhabens hadert. Unglücklicherweise scheint dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow mit "Kartografie der Freiheit" ebenjenes unterlaufen zu sein. Dass seine Figuren keine der Flüchtlinge seien, die derzeit überall thematisiert und als Grund für ein Zerbrechen Europas gebrandmarkt würden, liest man im Nachwort des Romans, sondern dass es sich um junge Menschen aus Europa handele, die das "europäische Glück" suchen und im europäischen Traum "aufgehen" wollen.

Die Glückssuche beginnt auf einem Gehöft nahe dem litauischen Örtchen Anyksciai. Drei junge Paare feiern gemeinsam jenen Dezemberabend des Jahres 2007, als Litauen in den Schengen-Raum aufgenommen wird. Von nun an soll jeder von ihnen dort leben können, wo es ihm oder ihr beliebt. Bereits in dieser Passage holpert es, auch wenn man auf diesen frühen Seiten noch bereit ist, nicht allzu beharrlich zu hinterfragen, worin genau etwa der Sinn des Spiels besteht, bei dem jede und jeder den Ort, an den es sie oder ihn zieht, auf einen Zettel schreibt, um die gefalteten Papierchen kurz darauf wie in einer Lotterie aus einem Topf zu fischen, wobei allerdings die Zettel umstandslos untereinander getauscht werden können, bis jeder wieder den eigenen Zettel in der Hand hält. Niemand könnte sich also genötigt fühlen, den Traum eines anderen umzusetzen. Sei es drum, vielleicht nur ein dem Kräuterschnaps geschuldeter Spaß.

Barbora und Andrius zieht es nach Paris, wo sie in einer kleinen Wohnung Unterschlupf finden. Sie trägt zum bescheidenen gemeinsamen Einkommen bei, indem sie vormittags einen Hund ausführt und nachmittags ein Baby betreut. Er verdingt sich als Mietclown, der in einem Café neben einer Klinik darauf wartet, dass er von Eltern engagiert wird, die ihre kranken Kinder aufmuntern lassen wollen. Nicht dass Andrius von albanischen Mitbewerbern um die begehrten Clownsjobs brutal zusammengeschlagen wird, lässt ihr noch junges Pariser Leben aus den Fugen geraten und zwingt sie zur überstürzten Flucht aus ihrer Wohnung, vielmehr die Entdeckung, dass Barbora ohne ihr Wissen ein ums andere Mal nicht einen schlafenden Säugling durch die Gegend schiebt, sondern im Kinderwagen Päckchen mit gefälschten oder unterschlagenen Restaurantgutscheinen schmuggelt.

Auch Ingrida und Klaudijus, die sich nach London aufgemacht haben, landen in nicht ganz lupenreinen Verhältnissen. Das Paar wird als Personal für ein nobles Anwesen engagiert, dessen Besitzer allerdings nie auftaucht und nur allabendlich via Skype Rapport verlangt. Mit einer illustren Gästeschar, die sie bewirten müssen, nimmt das Unglück der beiden seinen Lauf. Klaudius betrügt Ingrida, dann fällt ihm ein Koffer in die Hände, der verheißt, ihn zu einem reichen Mann zu machen, was freilich eine gefährliche Illusion ist.

Die litauische Mythengestalt Kukutis, die auf ihrem Holzbein durch die Zeiten und Länder wandert, um die litauischen Auswanderer vor Bösem zu bewahren, kann weder Andrius noch Klaudius vor dem Verderben retten, weil sie immerfort zu spät kommt.

Ob Kurkow es nun so entschieden moralisch gemeint hat oder ob es ihm unterlaufen ist, sei dahingestellt. Unter dem Strich aber erzählt er uns kaum mehr als die Geschichte von unschuldigen und naiven Menschen aus dem neuen Europa, die in der rücksichtslosen und kriminellen Ellenbogengesellschaft des alten Europas zum Scheitern verdammt sind. Dem dritten Paar, und auch das passt ins Bild, widerfährt nichts Vergleichbares. Renata hat kurzfristig beschlossen, dass sie statt nach Italien zu gehen, lieber auf dem Gehöft bei Anyksciai bleiben will, wo sie gemeinsam mit ihrem Großvater lebt. Vitas, von Beruf Tierarzt, sieht sich gezwungen, zu ihr zu ziehen, was ihm sichtlich missfällt, ohne dass sich daraus für den Roman eine nennenswerte Dynamik ergäbe. Dass Vitas, inspiriert von der örtlichen Friseurin, schließlich auf die Idee verfällt, einen Salon für das Färben von Haustieren aufzumachen, entfaltet kaum Komik und bleibt allenfalls hanebüchen, selbst als prompt ein engagierter Tierschützer sein Zelt für einen Dauerprotest gegen das Färben der Tiere auf dem Gehöft aufschlägt.

Das ist schade, hat sich Andrej Kurkow in früheren Romanen wie "Jimi Hendrix live in Lemberg" oder "Pinguine frieren nicht" doch als glänzender Unterhalter mit Hang zum Grotesken gezeigt. Womöglich stolpert er in "Kartografie der Freiheit" an der selbstverordneten gesellschaftspolitischen Relevanz. "Kartografie der Freiheit" betreibt einen immensen Aufwand, viele Einfälle aber bleiben unmotiviert, und allzu oft verliert Kurkow sich im Nebensächlichen und Redundanten, ohne dass die Figuren und damit auch ihre Geschichten als symptomatische Schicksale an Kontur gewinnen und etwas Maßgebliches über die Verfasstheit Europas verraten würden. Dieser Umstand mag nicht zuletzt der behäbigen Sprache des Romans geschuldet sein, deren Übersetzung ein genaues Lektorat gutgetan hätte.

WIEBKE POROMBKA

Andrej Kurkow: "Kartografie der Freiheit". Roman.

Aus dem Russischen von Claudia Dathe. Haymon Verlag, Innsbruck 2018. 624 S., geb., 29,90 [Euro].

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